An sich sind meine Patienten vernünftig, wenn es ums Impfen geht. Bei ihnen herrscht weitgehend Konsens, was die Bedeutung der Spritze für die Überwindung der Pandemie angeht.
Aber vor ein paar Tagen fiel mir auf, dass ich doch einige Ungeimpfte im Stuhl vor dem Schreibtisch oder am anderen Ende der Videoleitung hatte. Da habe ich nachgezählt: An diesem Tag waren 50% der Patienten nicht geimpft.
Neugierig, wie ich als Psychiater nun mal bin, habe ich nach den Motiven gefragt.
Ganz vorne: Unsicherheit, meist gepaart mit Misstrauen gegenüber „den Medien“ und „der Wissenschaft“. In diesen Fällen war die Abwendung von der Impfung fast immer begleitet von Berichten aus vierter oder fünfter Quelle (die sprichwörtliche Freundin der Schwester, die einen Pfleger im Bekanntenkreis hat, der im Altenheim arbeitet. Dort spielen sich dann schlimme Dinge ab und sowohl die Bewohner des Heims als auch das Pflegepersonal versterben kurz nach der Impfung. Keiner dieser Patienten kennt tatsächlich jemanden, der verstorben wäre, aber die Freundin der Schwester hat es eben von dem Pfleger erfahren, der es seinerseits hinter vorgehaltener Hand von seiner Cousine gehört hat.
Klassische Quatschgeschichten halt, die aber Angst machen und verunsichern.
Eine zweite Gruppe an diesem Tag waren die knallharten Verschwörungsmystiker. Ich habe nur ganz ganz wenige unter meinen Patienten, aber an diesem Tag waren es zwei an der Zahl.
Da sind die Argumente dann einfacher: Das „Zeug ist Gift“ (gemeint ist der Impfstoff), es ist eine Verschwörung der Pharmaindustrie mit der Politik und wenn man nicht gleich daran stirbt, bekommt man Krebs. Hier braucht es keine Beispiele aus dem Umfeld, es besteht wahnhafte Gewissheit (eine Gewissheit, die keinen Abgleich mit der Realität braucht bzw. zulässt).
Aufgefallen ist mir aber noch eine dritte Gruppe und die finde ich spannend.
Die Kinder- und Jugendpsychiater haben eine Diagnose, die „oppositionelles Verhalten im Kindes- und Jugendalter“ heißt. Gemeint sind Kinder, die
- – sich nicht an Regeln halten
- – sich von Erwachsenen nichts sagen lassen
- – zu Wutausbrüchen neigen
- – trotzig gegenüber Autoritätspersonen sind
- – bewusst andere provozieren.
Diese Störung tritt meist vor dem 10. Lebensjahr auf, ist also keine Erscheinungsform der Pubertät.
Bei einigen meiner (erwachsenen) Patienten, die gegen die Impfung sind, konnte ich ein ganz ähnliches Verhaltens- und Einstellungsmuster feststellen. Hier ist die Impfablehnung weder Verunsicherung noch Verschwörungsüberzeugung, sondern „Dagegensein als Lebensaufgabe“. Solche Menschen kenne ich seit der Schulzeit. Sie definieren sich tatsächlich darüber, „im Widerstand“ zu sein, egal worum oder gegen was es geht. Es sind die augenzwinkernd Einigkeit mit ihren Ansichten Einfordernden, die andere jederzeit in die elitäre Gruppe der „Alternativen“ aufnehmen, solange sie nur ebenfalls dagegen sind – gegen was auch immer. Bei diesen Menschen fällt mir immer der alte Spruch ein:
Erwachsen ist man, wenn man etwas gut findet, obwohl die Eltern dafür sind.
Dass heißt, Erwachsenen geht es um die Sache, nicht um den Standpunkt an sich.
Das hat auch nichts zu tun mit „Sich das Kindliche bewahren“. Das ist schön und gut, wenn es um Unmittelbarkeit, Unvoreingenommenheit und Staunen-Können geht. Bei allem Rationalen (und da sind wir beim Thema Impfen) gibts nur einen Standpunkt: Den erwachsenen. Und wer im nichtendenwollenden und letztlich ja doch dauervorpubertären Dagegensein und Sichdadurchcoolfinden verharrt, leidet in meinen Augen an einer (noch) nicht diagnostizierbaren „oppositionellen Verhaltensstörung im Erwachsenalter“.
Mein Restverständnis bleibt, wenn es um Impfskepsis geht, bei den Verunsicherten. Ihnen allen sei der hervorragende Artikel von Sascha Lobo empfohlen. Danach sollte an sich alles klar sein. Und in Anlehnung an Franz Beckenbauer bleibt mir nur zu sagen: „Jetzt geht´s raus und lasst´s euch impfen.„
Peter Teuschel
Gefunden!
Hier glaube ich, kann man von der sogenannten Wohlstandsverwahrlosung sprechen.
Ob das prinzipiell eine renitente oder querulatorische Verhaltensauffälligkeit bei Erwachsenen impliziert, die eine von den Krankenkassen bezahlbare Therapie sicherstellt, mag ich mir langfristig nicht wirklich vorstellen zu mögen.
Was für ein schrecklicher Begriff für eine erschreckende Entwicklung mit schrecklichen Folgen für das ICH, UNS und WIR.
Weniger ein psychiatrisches, denn pädagogisches und gesamtgesellschaftliches Problem, wie mir scheint.
Sie haben einen spannenden Beruf, der sicherlich im Moment viel von Ihnen abverlangt – von uns allen!!!
Bleiben Sie gesund!
Herzlichst Sophie
Vielen herzlichen Dank für diesen und Ihren letzten Artikel. Ich kann gar nicht sagen, wie froh ich über Ihre Zeilen bin. Inzwischen traut man sich ja gar nichts mehr zu sagen gegen die Ungeimpften, da sich diese gleich diskriminiert fühlen. Den von Ihnen empfohlenen Spiegel Artikel habe ich soeben an eine Ungeimpfte weiter geleitet und wäre sehr froh, wenn er dazu beitragen kann, dass sie sich doch noch impfen lässt.
Ein ganz großes Dankeschön an Sie, dass Sie die Wichtigkeit der Impfung herausstellen und gleichzeitig die Hintergründe der „Unwilligen“ erforschen.
Auf dass sich möglichst viele von Ihrem Artikel inspiriert fühlen…
P.S. wer garantiert uns eigentlich, dass aus jetzt schon diagnostizierbaren Krankheitsbildern der Kindheit und Jugend nicht langfristig unbehandelbare Erwachsene „blühen“ – Epigenetik, gesellschaftliche nicht integrierend auffangende Prozesse und Umbrüche spielen hier m. E. nicht von der Hand zu weisende Risikofaktoren
Hier noch ein Tipp für Ihre persönliche Impfwerbung:
Ja, sie ist große Klasse – wie immer!
„„oppositionellen Verhaltensstörung im Erwachsenalter“. …“: diese Wortwahl halte ich fuer gefaehrlich, da sie jede Opposition verdaechtig macht. Fuer mich sind diese Menschen unbelehrbar, sind aber sehr erfolgreich, da sie gewaltbereit sind und die Umwelt kaum etwas gegen sie unternimmt.
Ein oppositionelles Verhalten ohne sinnvollen Inhalt um seiner selbst willen halte ich auch für verdächtig im Sinne der beschriebenen Unreife.
Ist richtig, aber erst nach Pruefung des Inhalts. Opposition allgemein ist auch gut, gerade in der heutigen Zeit, wo Belangloses immer mehr zum Goetzen wird, beschleunigt durch Internet u Co. Apropos: doppelte Corona-tragik: man sieht eine Loesung im Digitalen: das aber zerstoert die Erde mit Wahrscheinlichkeit 1 (=Sicherheit).
Ich hatte vor dem Beginn Dezember Symptome u.Schlechte Gesundheit.
Mein Arzt meinte ,das könne nicht CORONABEGINN gewesen sein !
Nachher im Februar war dann der massive Ausbruch da!
Plötzlich war man eingesperrt Zuhause !
Ich war in Gasthaus in Neunkirchen Saar wo viele Fußballfans aus Frankfurt
zu Massen feierten und 50.000 vorher beim Heimspiel ungeschützt anwesend waren.
Vor der angeblichen Anstebckungswelle aus China !
Im Dezember kamen ja aus dem Gebiet auch Mitarbeiter zum Weihnachtsurlaub nach Neunkirchen aus Besagten Ausbruchsgegenden wo Eberspächer auch Werk hatte.
Könnte es nicht doch vorher zu den Ansteckungen gekommen sein ?
Ich bin dieser Meinung!
ABER GÖTTER IN WEISS SIND JA DA SCHLAUER … ALS ICH „UNWISSENDER“ !
WÜRDE GERNE MAL IHRE Meinung erfahren .
Charité und Gesundheitsamt meinte nach intensiver Befragung wer bzw mit wem ich in Kontakt war ,woher sollte ich das da noch wissen !
Ort wurde ja übermittelt ,aber der Ausbruch war ja nie örtlich erfasst ,bzw. veröffentlicht !
Unser System ist IN der Hinsicht leider nicht hilfreich gewesen ,
wie nach der 3. Impfung als längere Symptome spürbar wurden !
1.ASTRAZENEKA 2.Biontec dann 3 . Umgestellt auf Biontec (???)
Ergebnis ja auch nicht wie gewünscht … !
Schade , wenn man so lange im unklaren gelassen wurde.
demaddinnaunk@gmail.com
Ich vertraue der Medizin, weil sie von Mio. Menschen kontrolliert wird, nachvollziehbare Verfahren hat und immer wieder lernen muss im Gegensatz zu den Leugnern … .