Ein langer Weg

Seit Beginn diesen Jahres hat sich etwas geändert. In vielen Gesprächen mit Patienten höre ich zunehmend: „Ich spüre allmählich, dass mich Corona doch sehr bedrückt.“

Zunächst hatte ich das für Einzelfälle gehalten, aber mittlerweile höre ich das nahezu jeden Tag. In verschiedenen Versionen und je nach Schicksal in abgeänderter Form, aber der Tenor ist stets der selbe: Corona und alles, was damit zusammenhängt, zieht die Menschen runter.

Natürlich ist das so, wird die eine oder der andere einwenden, aber das war nicht immer so. Ganz viele meiner Patienten haben die Lockdown-Maßnahmen ganz gut ausgehalten, für manche waren sie sogar eine Erleichterung. Gerade Menschen. die ohnehin zurückgezogen leben und wenige Kontakte haben, konnten sich im Frühjahr 2020 und im Herbst 2020 gut mit den Maßnahmen rund um die Pandemie arrangieren. Für manche war sogar der gesellschaftliche Druck des „Funktionieren Müssens“ deutlich verringert.

Angst vor einer Infektion „steckt bei allen im Kopf“, wie mir letztens eine Patientin zur Recht sagte. Aber das war von Beginn an so.
Was also hat sich geändert seit dem Jahr 2021?

„Die schönste Pandemie macht irgendwann keinen Spaß mehr“, so hat es neulich ein Patient von mir in seiner sarkastischen, aber oft sehr treffenden Art formuliert. Soll heißen:

Allmählich langt´s. Nach einem Jahr Corona sehnt man sich nach Normalität und Sicherheit.

Aber der Zeitfaktor ist nicht alles. Ein paar Gründe, warum viele aktuell so schwer an der Situation tragen, fallen mir ein:

Was ich ganz oft höre, ist die schmerzlich vermisste menschliche Nähe. Keine Umarmungen, keine Berührungen. Dafür sind wir als soziale Wesen einfach nicht geschaffen. Klar, dem einen ist das wichtiger, die andere kann besser darauf verzichten. Aber so gar keine Wahl zu haben, niemanden berühren zu dürfen, ist mittlerweile wirklich belastend.

Ein anderer Punkt ist das Misstrauen. Begegnet uns jemand auf der Straße, machen wir einen Bogen um ihn. Spricht uns jemand an, gehen wir einen oder zwei Schritte zurück. Sehen wir jemand ohne Maske durch die Gegend laufen, ist er uns suspekt. Sind ihm seine Mitmenschen egal? Ist es gar ein Querdenker?
Was zu Beginn der Pandemie noch als Möglichkeit gesehen wurde, um sich in Sicherheit zu bringen, wird jetzt zum Problem: Wir entfremden uns. Unbekannte auf der Straße werden nicht mehr angelächelt, sondern insgeheim verdächtigt und offen gemieden.

Aber es gibt auch gesellschaftliche Gründe für die zunehmende Erschöpfung .

In erster Linie möchte ich die Impfung anführen.
Das Problem bei der Impfung ist eigentlich paradox. An sich müssten wir ja alle heilfroh sein, dass in Rekordzeit gleich mehrere Impfstoffe entwickelt wurden. Ein Beweis für die Richtigkeit und Wichtigkeit von Wissenschaft und Forschung.
Aber aktuell herrscht hier vor allem der Frust. Das höre ich zur Zeit sehr oft: „Jetzt gibt es schon diesen Impfstoff und dann bekommt man ihn nicht.“ Es geht ja gar nicht darum, dass es so viele Impfverweigerer gäbe, nein, die meisten meiner Patienten würden sich gerne impfen lassen, aber durch die festgelegte Impfreihenfolge und die stockenden Lieferungen tritt ein belastender Effekt auf: Man hat die Rettung vor Augen, aber man kann sie nicht greifen.

Ich denke manchmal, wenn noch gar kein Impfstoff entwickelt wäre, wäre es für viele nicht so belastend, als jetzt, wo es ihn gibt, er aber noch nicht so schnell verfügbar ist.

Das verstärkt die Angst: „Ich könnte an Corona erkranken und sterben, obwohl es ja schon einen Impfstoff gibt.“ Das ist ein fataler, ein problematischer Gedanke. Hinzu kommt die Tatsache, dass eben doch schon einige geimpft sind. Das führt zu Impfneid und politischer Verdrossenheit.

Was kann man dagegenhalten?

Wie so oft, ist es wichtig, im Geiste einen oder zwei Schritte zurückzutreten. Das erhöht Abstand und Übersicht.

Zum einen ist es gradezu unglaublich, mit welcher Geschwindigkeit engagierte Forscher verschiedene Impfstoffe entwickelt haben. Ja, ich wiederhole mich, aber ich tue das an dieser Stelle gerne. Wir sollten unter dem Strich dankbar sein, dass es die Möglichkeit gibt, sich impfen zu lassen. Jetzt, dann oder etwas später. Aber es gibt diese Option. Immer öfter spreche ich in der Praxis mit Menschen, die schon geimpft sind, weil sie in einer Klinik arbeiten. Ich freue mich mit ihnen. Mir zeigt das, dass die Sache auf einem guten Weg ist.

Zum anderen empfehle ich derzeit vielen Enthaltsamkeit. Ich rate zum Verzicht auf ständigen negativen Input durch den nicht versiegenden Strom an Talkshows, Horrormeldungen und bösartigen Darstellungen. Jeder ist für seine Psychohygiene selbst verantwortlich. Wir haben eine freie Presse, aber ebenso sind wir frei, was wir uns zumuten wollen. Wer sich fernhält vom ewig Negativen, macht nichts verkehrt.

Im Moment heißt es noch durchhalten. Wer sich vernünftig verhält, Abstand hält (ja, leider!) und Masken trägt, kann sein Ansteckungsrisiko deutlich verringern. Darüber hinaus heißt die Devise, auf das Prinzip Hoffnung zu setzen.

Und noch eins: Wir alle haben über Jahre und Jahrzehnte unser Gehirn daran gewöhnt, dass wir uns die Hände schütteln, uns umarmen und uns nicht aus dem Weg gehen. Diese einjährige anders geartete Erfahrung in der Pandemie wird nichts daran ändern, dass wir demnächst wieder umschalten können auf unser vertrautes Miteinander.

Wer sich in dieser Phase dem Gift der Negativität hingibt, sollte sich überlegen, ob das nicht mehr mit ihm selbst als mit Viren zu tun hat. Und allen, denen jetzt so etwas die Luft ausgeht, sei gesagt: Das ist verständlich, ihr seid nicht alleine. Angst gehört dazu. Aber eben auch Mut und Zuversicht. Das schaffen wir schon.

Peter Teuschel

Ja, warum dieses Video? Grottenschlechte Bildqualität. Aber ein wunderbares „Das Gute siegt“-Lied. Und die Performance der beiden hat so was von Coronalockdowndachbodenproduktion. Für mich ein klasse Cover. Passt also alles in diese Zeit. Auch wenn es schon von 2009 ist.

3 Responses
  1. Die Politiker machen vieles falsch (sollten selbst in Therapie gehen), sie haben kaum Nachteile im Gegensatz zu den Waehlern. Da wundert es nicht, dass so viele Menschen leiden. Besser waere, wenn sie sich wehrten.

  2. Wir steuern auf eine Welt-Diktatur durch Riesenkonzerne (Pharma-Bayer-Nestle&Co) zu und dies wird – davon bin ich überzeugt- früher oder später eine stille oder offene Mega-Revolution auslösen (schon jetzt gibt es unzählige Alternativprojekte), denn es bedeutet die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen durch Raubbau an Humankapital und Naturressourcen. Viele Davids gegen Goliath. Die Zeit läuft, in 43 Jahren ist das Erdöl zu Ende – nicht die Kohle, wenn uns nichts Besseres einfällt haben wir zum Jahrhundertende 6-8 Grad Plus („Selbstverbrennung“ von Prof. Dr. Schellnhuber u.a.), was bedeute, dass menschliches Leben auf der Erde wahrscheinlich nicht mehr möglich sein wird. So lange ist der Weg nicht mehr.
    Wir sollten vor allem rasch mit der endlosen Problemverschieberei aufhören, denn der Müll landet zuletzt doch im Meer und das betrifft uns alle! Was soll dieser Über-Fokus auf ein ständig mutierendes Corona-Virus? Wir werden damit leben (müssen), indem wir aufpassen, andere nicht anzustecken und unser Immunsystem stärken – statt durch zweifelhafte Impfungen zu schwächen (Fokus liegt schon wieder auf Krankheit statt Gesundheit!). Was hier gerade passiert ist Selbstdestruktion und v.a. Zeitverschwendung. Es geht nicht so weiter wie bisher, kein Einnisten im Status Quo und es wird Opfer geben. Ich bin weder Aluhutträger, noch Verschwörungstheoretiker – nur um das mal erwähnt zu haben.
    Musst du eben in die Liebe gehen und vertrauen – das reicht nicht (mehr)! Es gibt mehr als nur Liebe oder Hass – etwas dazwischen das heißt vielleicht „angemessenes Handeln“, es impliziert auch „Fehler eingestehen und korrigieren“ oder ähnliches.
    Richard David Precht, der Philosoph, hat mal ganz treffend -sinngemäß- gesagt: Der heutige Mensch steht sich selbst im Weg, weil er einerseits nur solidarisch seine Probleme lösen kann, aber andererseits durch universelle Monetesierung sein Vertrauen in andere verloren hat. Anders gesagt: jeder zieht jeden über den Tisch – und das finden auch noch alle cool. Ich verkaufe Dir das Mega-Mega-Wundermittel – gegen alles – garantiert!

    • Bei mir ergab es sich durch einiges an Umständen, dass ich meinen Traum vom Leben am Mittelmeer umsetzen konnte, und nun bin ich fast ein halbes Jahr so richtig zufrieden in dem „neuen“ Leben. Die Menschen hier sind genau, wie ich es erwartet bzw. erhofft hatte, und das mag vielleicht eine Anregung dafür sein, wie man sich im positiven Sinn mit der Pandemie arrangieren kann.
      Mißtrauen, Skepsis und die allgegenwärtige Gefahr habe ich noch in Deutschland erlebt, hier in Spanien erlebe ich Zuneigung, Lächeln ist allgegenwärtig und deutlich sichtbar in den Gesichtern, Nähe erlebbar durch Ausdruck in der Körperhaltung. Gesprochen wird nach wie vor viel und vor allem laut, wie man es von Spaniern kennt. Ein Zurückprallen bei plötzlicher körperlicher Nähe habe ich erst einmal erlebt. All das geschieht wie empfohlen und nachvollziehbar hinter allgegenwärtigen Masken – auch bei Kindern und selbst wenn jemand offensichtlich allein auf weiter Flur ist- und mit dem gebotenen Abstand. Es scheint, als wäre alles wie immer, als ließe sich niemand wirklich die Laune verderben. Die Menschen halten sich einfach an die Regeln, und sie haben aus den schlimmen Erfahrungen der Pandemie gelernt und leben danach.
      Ich hab mich erst gefragt, was passiert, wenn der Notstand zum 9. Mai durch die Regierung aufgehoben wird, ob sich dann wieder alles ändert, und sich viele nicht mehr an die Regeln halten werden, weil diese dann juristisch anfechtbar sein werden?
      Bisher habe ich deutlich die Regeln erfahren dürfen, nämlich: allgemeine Maskenpflicht, maximal 6 Personen dürfen sich treffen bzw. an einem Tisch sitzen, Nächtliche Ausgangssperre bleibt……………….
      Ich bin mir sehr sicher, dass die allermeisten, auch die 42 Prozent Ausländer meiner neuen Heimatstadt, sich daran halten werden, im Interesse des Einzelnen und besonders auch im Interesse der Gemeinschaft aller.
      Ich fühle mich in einer solchen Gemeinschaft sicher und gut aufgehoben, und stehe damit nicht allein. Eher habe ich den Eindruck, dass es ein höchst ansteckendes Virus ist, welches Gemeinschaft verursacht, denn unter den hier lebenden Deutschen erlebe ich genau das in der Praxis. Nicht allein in Ghetto-Manier wie man es erwarten könnte, sondern gemeinsam mit Spaniern und anderen Nationalitäten.

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