An sich könnte ich jede Woche so einen Artikel schreiben. Mindestens. Genau so häufig wird irgendwo in der deutschen Presselandschaft des Wort „Mobbing“ falsch verwendet. Neuestes Beispiel ist ein Artikel im Focus:
Wegen Übergewicht beleidigt
Kölnerin schlägt nach Mobbing-Attacke öffentlich zurück
Was war passiert? Ein Mann hatte die übergewichtige Frau nach dem Einsteigen in ein Taxi beleidigt, indem er etwas durch das geöffnete Autofenster gerufen hatte (siehe Artikel).
Klar ist: Man soll keine Menschen beleidigen.
Klar ist aber auch: Das hat mit „Mobbing“ nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Nach Heinz Leymann (1996) müssen folgende Punkte vorliegen, damit wir von Mobbing sprechen:
- „negative soziale Handlungen“
- von einem oder mehreren
- gegen einen Einzelnen
- in nennenswerter Häufigkeit
- über einen längeren Zeitraum
„In nennenswerter Häufigkeit“ bedeutet mindestens einmal pro Woche.
„Über einen längeren Zeitraum“ bedeutet nach Leymann mindestens ein halbes Jahr lang.
Auch wenn wir das „halbe Jahr“ heutzutage großzügiger auslegen, weil Mobbing-Handlungen auch schon in wesentlich kürzerer Zeit zu gesundheitlicher Schädigung führen können, wird aus der genannten Definition klar, dass eine einmalige Beleidigung, durch ein offenes Autofenster zugerufen, kein Mobbing sein kann. Es fehlt das Systematische, und es fehlt die Dimension der Häufigkeit und die der Dauer.
„Na und?“ wird jetzt vielleicht jemand sagen. Was soll´s? Ist doch egal.
Eben nicht. Durch die schlampige und inflationäre Verwendung des Begriffes „Mobbing“ wird dieser Terminus verwässert. Er wird für jede Form konflikthafter Auseinandersetzung verwendet und damit unbrauchbar. Wir brauchen aber eine korrekte Sprachregelung für diese Form krankmachender Konflikte am Arbeitsplatz und in der Schule. Denn wir wollen schikanösen Psychoterror abgrenzen von alltäglichen Auseinandersetzungen, die nicht die zerstörerische Wucht von echtem Mobbing haben.
Es wäre an sich nicht allzu aufwändig, wenn sich Journalisten und Redakteure vorher informieren, bevor sie locker flockig Begriffe völlig falsch verwenden. Aber das klingt halt gut: „Mobbing-Attacke“!
So trägt der Schlamper-Journalismus dazu bei, dass Opfer echten Mobbings sich plötzlich in einer Schublade wiederfinden mit allen anderen Menschen, denen irgend etwas Unangenehmes widerfahren ist, das nichts, aber auch gar nichts mit „Mobbing“ zu tun hat.
Peter Teuschel
Bravo! Mobbing ist ja nun wirklich mehr als jemandem im Vorbeifahren eine Respektlosigkeit an den Kopf zu feuern. Die leichtfertige Benutzung solcher Begriffe, die unweigerlich zu einer Verwaesserung und damit Verharmlosung schwerwiegender Situationen fuehrt (man hat das auch mit dem Begriff „Depression“ erlebt), traegt nicht dazu bei, dass eine ernsthafte Auseinandersetung mit diesen ekeligen Auswuechsen menschlicher Natur, und damit eine Loesungsfindung, angeregt wird. Deshalb ist es wichtig diese „Schlamperei“ niemals durchgehen zu lassen und sich unentwegt fuer Aufklaerung und Richtigstellung einzusetzen. Danke, dass Sie das tun.
Vielen Dank, Herr Dr. Teuschel, für diesen Beitrag! Genau das passiert immer wieder. Leider nicht nur im Journalismus. Mobbing ist zu einem „Modewort“ geworden und wird inflationär benutzt. Es wird nicht differenziert. Manchmal kam es mir schon so vor, wer das Wort Mobbing aussprach, sich selbst als besonders „in“, wissend und überlegen empfand. Die Verwischung von Begriffen erscheint mir dann auch wie eine Selbstbeweihräucherung.
So erlebte ich z. B. Männer, die Prostitution als einen ganz normalen Beruf ansahen und den Prostituierten „hohen Respekt“ zollten, was auf diese Weise bereits widersprüchlich ist. Die gewaltgeprägte, von mehrfachem Missbrauch und Vernachlässigung erlebte Kindheit, die in die Prostitution geführt hat, wird von diesen „toleranten aufgeschlossenen“ Personen gern ignoriert. Dann heißt es, dass diese Frauen der Prostitution freiwillig nachgehen würden.
Die Verwischung von Begriffen und damit ihre inhaltliche Bedeutung führt in die Irre und fördert die Scham bei den von Mobbing betroffenen, da sie bereits ausgegrenzt sind. Das verstärkt die vorhandene Ohnmacht des Mobbingopfers. Das kann zum Verstummen des Mobbingopfers führen. Mit der Verwischung des Begriffs Mobbing wird niemand der Mobbingsitution gerecht. Es dient lediglich der Ausweichung und Nicht-Auseinandersetzung der Schräglage unter den Akteuren. Würden alle Beteiligte einer Mobbingsitution sich mit ihrem eigenen Anteil an der Situation auseinander setzen, würde sich die Mobbingsitution auflösen lassen. Da aus meiner Erfahrung aber jeder Beteiligte „ja gar keine Probleme“ hat, wird auf diese Weise von seinem eigenen Anteil abgelenkt und das eigene Problem auf das Opfer projiziert. So wird das Mobbingopfer zum Symptomträger gemacht und die Fehllage im System, oder der gesamten Gruppe ausgeblendet.
Zitat: „Was war passiert? Ein Mann hatte die übergewichtige Frau nach dem Einsteigen in ein Taxi beleidigt, indem er etwas durch das geöffnete Autofenster gerufen hatte“
Wer anderen „Schlampenpresse“ vorwirft, sollte selbst versuchen es besser zu machen. Warum wird der Satz nicht genannt?
„Dein Taxi liegt jetzt hinten rechts tiefer“
Auch die Aussage von Anschi B.(24 Jahre) in ihrem Post sollte hinterfragt werden: „Ich weiß, dass ich fett bin. Ich kann damit auch ganz gut leben. …“ – Gibt es vielleicht in diesem Fall doch eine Parallele zu Mobbing – die heftige Reaktion von Anschi B. dürfte auch Mobbingbetroffenen bekannt sein. Ist Mobbing doch ein Teil unseres Zusammenlebens, unseres Systems? Treten in der Schule oder am Arbeitsplatz nur spezifische Co-Faktoren hinzu? Da scheinbar im Bereich Mobbingforschung seit Jahren ein Stillstand eingetreten ist, wäre es vielleicht an der Zeit die 45 ITEMs von Leymann auf Aktualität und deren willkürliche Auslegung zu überprüfen? Kritik daran gibt es!!! Kann vielleicht doch ein einmaliger, banaler Satz, auch noch durch einen Fremden, solche massiven Auswirkungen auf das Leben haben? Wie man sieht: „Ja!“. Vielleicht fehlt es gerade den „Mobbing-Experten“ an dem von den „Betroffenen“ geforderten Perspektivenwechsel!?
Warum findet überhaupt so eine Nachricht den Weg in die Presse? Was will man uns damit sagen? Ist es nur „Schlamperei“? Oder bewusst – seit Jahren – betriebene Ablenkung vom Thema „Mobbing am Arbeitsplatz“!?
War es nun „Diskriminierung“ (Post Anschi B. / 24 Jahre), „Demütigung“ (Kölner Anzeiger), „Mobbing-Attacke“ (Focus) oder „Beleidigung“ (Schräglage)? Alles kann auch bei Mobbing vorliegen! Oder doch nur freie Meinungsäußerung – geschützt durch das Grundgesetz?
„Das Problem zu erkennen ist wichtiger, als die Lösung zu erkennen,
denn die genaue Darstellung des Problems führt zur Lösung.“
– Albert Einstein.
Gruß
Manfred
Danke, Manfred, fuer die zahlreichen Denkanstoesse. Ich finde sie alle des Nachdenkens wert. Meine starke Reaktion auf deine allerletzte Frage hat mich allerdings selbst ueberrascht. Deshalb muss ich einfach da noch meinen Senf dazu geben. Gerade auch von der deutschen Geschichte hat man gesehen, dass nicht alles was mit dem Gesetz in Einklang steht auch richtig ist. Meinungsfreiheit hat daher auch ihre Grenzen (manche schon gesetzlich gesteckt). Ich weiss nicht, ob sich dein Kommentar auf a) die Aeusserung in Richtung Anschi P. oder mehr auf b) die „Pressefreiheit“ bezieht. Ich denke, dass man im Falle a) doch bitte nicht auf sein Recht zur freien Meiningaeusserung pochen sollte. Im Falle b) ist das natuerlich etwas komplexer und es stellt sich in der Tat die Frage, was mit diesem Artikel bezweckt werden sollte. Wenn der Artikel Gedanken zum Thema „Mobbing“ ausgeloest hat (auch wenn der Begriff vielleicht nicht ganz nach Originaldefinition verwendet wurde), dann ist das sicher eine gute Sache. Und wenn man sich dann noch die von dir zitierten weisen Worte Einsteins zu Herzen nimmt (und sogar in die Tat umsetzt), dann sollte das uns im Umgang mit unseren Mitmenschen doch einen guten Schritt in eine bessere Richtung weiterbringen. Das Zitat finde ich uebrigens so zutreffend auf so viele Situationen, dass ich es in meine Sammlung eingereiht habe. Das passt auf meinen Schreibtisch. 🙂 Danke nochmals.
Hallo Crumpelstilzchen
vielleicht ist es gerade wichtig, sich von der „Originaldefinition“ zu lösen, um das Problem zu erkennen – auch hier ein passendes Zitat von Albert:
„Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.“
Wenn es beim Thema „Mobbing“ innerhalb von über einem Jahrzehnt keine Fortschritte gibt, wäre es nicht an der Zeit mal zu prüfen, ob die Definition überhaupt noch zutrifft!?
Gerade der Bericht zeigt deutlich auf, wie ein gesellschaftliches Problem, das Ausgrenzen von Dicken (Neudeutsch: fat shaming – Mobbing von „dicken“ Menschen!?) auf die „Konfliktebene“ zwischen zwei Personen herabgebrochen wird. Doch selbst Anschi B. schreibt: „Ich weiß, dass ich fett bin. …“ Woher weiß sie es? Und warum hat sie es verinnerlicht? Der „Täter“ vertritt nur die gängige Meinung der Gesellschaft – der WHO – die Menschen mit einen BMI ab 25 als „übergewichtig“ bezeichnet, und ab 30 in die Schublade „adipös“ (Fettleibig, fettsüchtsüchtig) steckt. Sie sind krank! Viele Betroffene fühlen sich aber nicht krank! Haben auch ganz „normale“ Werte. Ausschlaggebend ist demnach ein dauernd vorhandenes (Fremd-) Bild von „normalem“ Aussehen – der „normalen“ Figur. Ein gigantisches Geschäftsmodell. „fat shaming“ ist auch politisch korrekt – wer einen zu hohen BMI (>35) hat, kann vom Abschluß einer Berufsunfähigkeitsversicherung ausgeschlossen werden.
„Ich will so bleiben wie ich bin!“ – bedeutet für viele Übergewichtige sich als Krank outen zu müssen. Lässt auch nicht verbergen! Sie müssen sich rechtfertigen siehe Anschi: „… Ich kann damit auch ganz gut leben. …“. Kognitive Dissonanz: Ich fühle mich eigentlich ganz gut – aber das Umfeld lässt dies nicht zu – weil „Fette“ per WHO-Definition krank sind – und im Umkehrschluß – Kranke sich sicher nicht wohlfühlen können. Gibt es vielleicht aber einen „normalen“ Zustand zwischen „gesund“ und „krank“? Ein weiteres interessantes Thema!
Dieses Video sollte jeder mal gesehen haben:
Die Kunst des Irrens – Rebekka Reinhard
http://www.youtube.com/watch?v=eEeFJnogGPM
„Frei nach dem Motto „Der Umweg ist das Ziel — philosophische Wege aus der Perfektionsfalle“ zeigt uns Rebekka Reinhard mit ihrem Vortrag Alternativen auf, mit dem Ungewissen umzugehen, die eigene Unvollkommenheit zu akzeptieren und Grenzsituationen mutig ins Auge zu sehen.“
Sehenswert sind auch weitere Videos der Arbeiterkammer Vorarlberg bei youtube.
Zu den Parallelen zu Mobbing ein weiterer Post.
Falls du Lust und Zeit hast, schau mal die beiden empfehlenswerten Videos von Alexander Wagandt an:
Leben wir nach einem kindlichen Weltbild?
https://www.youtube.com/watch?v=OGrpVPa4I_k
und
Das Schuldkonzept
https://www.youtube.com/watch?v=_8IhMkcmaPg
„Schuld als Machtkonzept, Alexander Wagandt spricht in diesem Interview mit Jo Conrad. Alexander spricht dabei über den bewussten Einsatz von Schuld, Sünde, und Versagen als Kontrollinstrument. Ein Konzept, das sich übergreifend sowohl im Finanzsystem, bei der Regierung und den Kirchen findet.“
Zum Schluß ein Zitat von Rebekka Reinhard:
„Was bereuen Menschen, wenn sie am Ende ihres Lebens auf ihr Leben zurückschauen? Es werden nicht die Fehlentscheidungen bereut, nicht die die Situation in denen man gescheitert ist – sondern einzig und allein – das nichtgelebte Leben wird bereut!“
Na denn viel Spaß beim ansehen!
Gruß
Manfred
Eigentlich sollte man das Thema nicht beachten – hier haben zwei Menschen ihren Frust abgebaut. Passiert wohl jedem von uns mal. Stunden später ist es vergessen! Warum aber ist gerade diese Meldung interessant? Gibt es einen politischen Hintergrund? Warum schafft es so eine Meldung sogar in die österreichische Presse?
Der Ausgangsbericht aus dem Kölner Stadtanzeiger vom 14.08.16, 20:58 Uhr:
„Wegen Körpergewicht gedemütigt
Kölnerin macht ihrem Ärger im Nettwerk Luft
Was war passiert? Die junge Frau stand am Sonntagmorgen mit zwei Freundinnen vor dem Dönerladen an der Zülpicher Straße und wartete auf ein Taxi.
Als das Taxi kam, stiegen sie ein. Schon vorher hätte die Männergruppe hinter ihnen ein paar Sätze fallen lassen, sie habe die Worte aber nicht richtig verstanden, sagt Angela W. Doch das, was der junge Mann dann zu dem Taxifahrer sagt, hört sie ganz genau: „Dein Taxi liegt jetzt hinten rechts tiefer“.
Aus bild.de vom 16.08.2016
„Angela (149 Kilo) wehrt sich gegen Kritik und wird zur Facebook-Heldin – Ich liebe mich so wie ich bin!
… Respekt für Kölns tapferstes dickes Mädchen!
… Diese Worte kommen von Angela: 24 Jahre alt, 1,79 Meter groß, 149 Kilo schwer. Die selbstbewusste Kölnerin postete sie am Wochenende bei Facebook, um ihrem Ärger Luft zu machen – und erntet damit dicken Applaus!
… Das war passiert: Angela und einige Freunde sind nach einer durchzechten Nacht auf dem Heimweg. Noch ein Döner, dann ab ins Taxi. „Plötzlich kam ein Typ zum Beifahrerfenster des Fahrers und sagte: ‚Ihr Taxi ist jetzt tiefer gelegt.’“ Angela, ihre beiden Freundinnen und der Taxifahrer sind sprachlos. „Ich war so wütend, dass ich aussteigen wollte. Aber ich wollte nicht, dass die Situation eskaliert.“
… Sie kennt die dummen Kommentare über ihr Gewicht.
„Ich habe Kleidergröße 54/56, habe vor fünf Jahren 50 Kilo zugenommen, wegen psychischer Probleme“, erzählt sie. „Doch ich habe gelernt, mich so zu lieben wie ich bin. Wenn ich abnehme, dann, weil ich es will und nicht weil ich anderen nicht gefalle.“
Zwei Berichte mit den Aussagen einer Person. Da wird eine 24 jährige, junge Frau als „tapferes dickes Mädchen“ zur „Facebook -Heldin“! Ein modernes Märchen!?
Sei’s drum – die wirkliche Frage ist: Kann ich eine Situation nur aus der Beschreibung einer Person „objektiv“ beurteilen? Je nachdem, welche und wie viel Information ich erhalte, ergibt sich ein anderes Bild:
Wie stelle ich mir ein „dickes Mädchen“ vor. Wie eine dicke „24 jährige Frau“. Schaut man sich ihr Bild auf bild.de an, so sieht man eher ein „dickes Mädchen“. Wie alt war der „Typ“? Wie alt ist ein junger Mann? Alles bleibt der Fantasie des Lesers überlassen. Gemischt mit eigenen subjektiven Erfahrungen/Einstellungen entsteht sein „objektives“ Bild von der Situation.
Nicht anderes passiert es bei der Schilderung von Mobbinghandlungen. Wer nicht selbst dabei war kann eine Situation nur subjektiv einschätzen. Hier liegt das Problem bei Mobbing. Vielleicht wäre die Sicht der „Täterseite“ interessant. Leider hier – und in Mobbingfällen meist Fehlanzeige. Das Dilemma wäre sogar noch größer: Wem soll ich jetzt glauben!?
Die Frage: Hat das Thema auch einen politischen Hintergrund?
Hat es! Auf dem Ordentlicher Bundesparteitag der SPD in Berlin vom 10. – 12. Dezember 2015 war „fat shaming“ ein Thema:
„Beschluss Nr. 25
Keine Chance für Fat Shaming – Es den Dicken leichter machen
… Viele junge Frauen und Mädchen (Junge Männer scheinbar nicht!!! – Anm. Manfred) sehen sich unter enormen Druck diesen Bildern zu entsprechen. Die krasse Objektivierung in der Darstellung hat zusätzlich negative Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl junger Frauen. Dies unterscheidet ihre Lage von der junger Männer, die sich “nur” mit unrealistischen Körperbildern konfrontiert sehen.
… Wahrnehmung von Ästhetik und Schönheit sind nichts statisches, sondern haben sich im Wandel der Zeiten und Kulturen beständig verändert. Es ist daher längst an der Zeit sich von der Vorstellung, dass nur eine bestimmte Art von Körpern schön und gesund sein kann, zu verabschieden. Denn die vorherrschende Vorstellung von Schönheit hat reale Auswirkung für alle, die ihr nicht entsprechen (können).
… Natürlich können Fragen von Wahrnehmung und Schönheitsidealen nicht über Nacht geändert werden. Doch wir Sozialdemokrat_innen können unseren Teil zu einer anderen Art von Darstellung und Umgang miteinander beitragen.
So sollten wir im Verband und außerhalb abwertenden Äußerungen und Handlungen gegenüber “Dicken” entschloßen entgegen treten.
In unseren Veröffentlichungen und Werbemitteln sollte Platz für verschiedene Körperbilder sein. Realpolitische Forderungen, die Fat Shaming entgegen wirken können, gestalten sich aus oben genannten Gründen schwierig. Dennoch gibt es konkrete Ansätze, die das Leben vieler einfacher machen können.
Wir fordern daher die Verabschiedung eines “Photoshop-Gesetzes” nach dem Vorbild Israels, dass die Darstellung untergewichtiger Modells verbietet und eine Kennzeichnung stark bearbeiteter Fotos vorschreibt.
Dass die willkürlichen BMI-Grenzen, die u.a. Lehrer_innen oder Polizist_innen erfüllen müssen um verbeamtet zu werden, abgeschafft werden.
Dass die Einteilung der WHO (Weltgesundheitsorganisation), welcher BMI-Bereich über- und untergewichtig ist, revidiert und realen Gegebenheiten angepasst wird.“
https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Bundesparteitag_2015/B25_M18_Keine_Chance_fu__r_Fat_Shaming_-_Es_den_Dicken_leichter_machen.pdf
Da ist sie wieder diese Kinderwelt! Die „Bürger-Kinder“, die von Vater Staat angeleitet werden müssen, wie sich die Staatskinder untereinander zu „tolerieren“ haben. Wer seine Meinung zum Ausdruck bringt, in dem er so „sein will, wie er ist“, muss halt auch die andere Meinung „anerkennen“. Zu Toleranz – Johann Wolfgang von Goethe:
Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein:
sie muß zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen.
Kann man Anerkennung erzwingen? Und vielleicht Witze über die Körperfülle von „Sigi“ per Gesetz verbieten lassen!? Ach – kurz noch sei erwähnt – aus 2013:
“ Zwangsdiät für Übergewichtige: Experten von SPD und CDU wollen auf Kalorien-Bomben eine Strafsteuer erheben!
Edgar Franke (53, SPD), Mitglied des Bundestags-Gesundheitsausschusses, zu BILD: „Übergewicht und Fettleibigkeit sind Hauptrisikofaktoren für Bluthochdruck, Herz- und Kreislauferkrankungen, Diabetes und Krebs. Eine Gesundheitssteuer auf besonders fetthaltige und zuckerreiche Nahrungsmittel wie Chips, Fastfood und extrem kalorienreiche Süßigkeiten würde das Ernährungsbewusstsein vieler Menschen mit Übergewicht schärfen und könnte so eine gesundheitspolitisch wünschenswerte Veränderung des Essgewohnheiten bewirken.
Experten schätzen die jährlichen Kosten infolge der durch Übergewicht verursachten Krankheiten auf rund 17 Milliarden Euro.“
http://www.bild.de/politik/inland/uebergewicht/gesundheitspolitiker-wollen-strafsteuer-fuer-dicke-33301886.bild.html
Gestern „belastender Kostenfaktor“ – heute „Heldin“ – wir werden mit kognitiven Dissonanzen „verblödet“!!!
Manfred
„Rethinking“ Mobbing – nur ein Instrument zur Verhaltenskontrolle?
Mobbing als strafbare Pflichtverletzung des Arbeitnehmers/-gebers? Doch welche Pflichten hat er verletzt? Leymann beschreibt in seinen 45 Items zum Teil Handlungen, die bereits im „normalen“ Leben bei einer einmaligen Handlung einen Verstoß gegen das StGB, das Arbeitsrecht, das Arbeitsschutzgesetz darstellen:
§ 240 Nötigung – Item: Zwang zu gesundheitsschädlichen Arbeiten.
§ 185 Beleidigung – Item: Man ruft ihm/ihr obszöne Schimpfworte o. a. entwürdigende Ausdrücke nach.
§ 186 Üble Nachrede – Item: Hinter dem Rücken des Betroffenen wird schlecht über ihn gesprochen.
§ 187 Verleumdung – Item: Man will jemanden zu einer psychiatrischen Untersuchung zwingen.
§ 218 Sexuelle Belästigung – Item: Sexuelle Annäherungen oder verbale sexuelle Angebote.
§ 223 Körperverletzung – Item: Körperliche Misshandlung.
Um nur ein paar Beispiele aus dem StGB zu nennen. Warum sollen diese Handlungen am Arbeitsplatz erst nach mehrmaligen ausüben bzw. erst nach einer langen Dauer, zu rechtswidrigem Verhalten führen? Hierzu auch die Ausführungen von Richter Peter Wickler – „Fachtgespräch Mobbing“ der Grünen:
„… Die Frage der Mobbingbekämpfung ist nicht nur eine Frage der Verteidigung des humanitären Wertesystems, sie ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit des Rechts-staats. Mobbing kann in schweren Fällen die gleichen Folgen haben, wie eine gegen Leib und Leben gerichtete Straftat. …“
Im Straßenverkehr bedeutet das einmalige Zeigen des „Stinkefinger“ eine schwere Beleidigung, und kann schnell bis zu 4000 Euro kosten – je nach Einkommen! Im Wiederholungsfall kann es den Führerschein kosten! Dem Chef gegenüber kann es zur fristlosen Kündigung führen – ein Handeln im Affekt kann berücksichtigt werden!
Wo finden wir diese Überlegungen bei Leymann? Letztlich verschleiern die Voraussetzungen „über einen längeren Zeitraum“ bzw. „mehrmals die Woche“, die Tatsache, dass manche der Items – gerade auch bei einer einmaligen Handlung – schon strafbar sind. Während im Straßenverkehr – wo selten die Person auch persönlich bekannt ist, und die Handlung meist im Affekt geschieht und nicht bewusst auf die Ehre des Beleidigten abzielt – harte Strafe drohen, scheinen einmalige Beleidigungen am Arbeitsplatz für deutsche Richter nicht strafwürdig! Finden wir nicht auch hier wieder eine Kognitive Dissonanz?
Müssen wir die Items von Leymann nicht dringend auf den Prüfstand stellen? Hindern vielleicht gerade sie die Lösung des Problems?
Mich würde eure Meinung interessieren.
Gruß Manfred
„Wer bei Google.de das Wort „Mobbing“ eingibt, erhält ungefähr 9.000.000 Ergebnisse. Angezeigt werden Untersuchungsergebnisse, Rechtsanwälte, Bürgerinitiativen und Hilfsangebote von Vereine für Mobbingopfer etc.“
„Bücher/Ratgeber zum Thema Mobbing z.B. bei Amazon: 3.204 Ergebnissen in Bücher : „mobbing“
Mobbing ist auch ein Wirtschaftsfaktor, offensichtlich ein lohnendes Geschäft und sichert tausende von Arbeitsplätze.
Für die Medien ist Mobbing ein Schlagwort, eine Schlagzeile, Hauptsache die Auflagezahlen stimmen …
Mobbingopfer haben keine Lobby, selbst die Gewerkschaften engagierten sich kaum in Sachen Mobbing …
„Günter Wallraff (1. März 2012):“Mobbing ist der Versuch, Menschen sozial ins Abseits zu drängen. Das gilt besonders, wenn das Mobbing in einem Unternehmen stattfindet. Ohne die Mithilfe oder das Wissen der Vorgesetzten, häufig auch der leitenden Personalmanager, können solche Methoden nicht über einen längeren Zeitraum angewandt werden. Diese auch Bossing genannten aggressiven Methoden unternehmerischer Personalpolitik sind nicht hinzunehmen. Deshalb unterstütze ich es, wenn sich Mobbingbetroffene und solche, die es nicht werden wollen, wehren. Das kann in Bürgerinitiativen, im privaten und nachbarschaftlichen Umfeld stattfinden und muss, wann immer möglich, gewerkschaftlich unterstützt werden. Denn nur gemeinsamer Widerstand gegen diese häufig kriminellen Methoden kann auf die Dauer Erfolg haben. Quelle: http://www.mobbing-web.de “
Wenn Mobbing nicht so ein ernstes Thema wäre, könnte man über manche Situationen lächeln.
So musste ich mir nach der Schilderung des weit übergriffigen Verhaltens seitens einer Kollegin, das über 15 Monate andauerte und sich in der gesamten Abteilung ausweitete inkl. Chef, von der Personalangestellten anhören, dass sie in dem Fall von Demütigung und Beleidigung nichts tun könne. Sie könne erst etwas machen, wenn es zu körperlichem Übergriff gekommen ist. Das leicht verhalten provozierende Lächeln dieser Personalangestellten ist mir nicht entgangen.
Die Personalangestellte ist inzwischen nicht mehr im Unternehmen.
„Profaktisch“
das Unwort des Jahres – oder vielleicht beschreibt es genau den Zustand unserer Gesellschaft / unserer Zeit. Wer beleidigt wird braucht Zeugen – hat er diese – kann er den, der beleidigt anzeigen. So einfach ist es! Warum tun wir es nicht? Warum braucht man den Chef dazu? Wir haben verlernt uns selbst zu wehren – und – suchen uns Hilfe bei Dritten. Beleidigung betrifft mich – meine Person! Zudem ist Beleidigung subjektiv: Was für den den einen eine Beleidigung ist, geht bei anderen als „dummer Spruch unter Kollegen“ durch.
Auch der Begriff „Beleidigung“ ist unbestimmt:
Bestimmtheit
§ 185 StGB bedroht seinem Wortlaut nach „die Beleidigung“ mit Strafe, ohne diesen Begriff näher zu definieren. Deshalb wird er häufig als verfassungsrechtlich zu unbestimmt bezeichnet.[44] Die Gerichte sind dieser Ansicht nicht gefolgt, verfolgen aber mittlerweile – insbesondere in Hinblick auf viele liberale Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Meinungsfreiheit – eine überwiegend restriktive Rechtsprechung. „Auch wenn das für eine unter der Geltung des Grundgesetzes erlassene Strafvorschrift als unzureichend anzusehen sein sollte, hat der Begriff der Beleidigung jedenfalls durch die über hundertjährige und im Wesentlichen einhellige Rechtsprechung einen hinreichend klaren Inhalt erlangt, der den Gerichten ausreichende Vorgaben für die Anwendung an die Hand gibt und den Normadressaten deutlich macht, wann sie mit einer Bestrafung wegen Beleidigung zu rechnen haben“
und
Wahrnehmung berechtigter Interessen
Handelt der Täter in Wahrnehmung berechtigter Interessen, so ist er gemäß § 193 StGB gerechtfertigt. Ein berechtigtes Interesse kann nicht nur ein individuelles Interesse, sondern auch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit sein,
und
Konkludente Einwilligung in eine Beleidigung
Nach herrschender Auffassung kann in eine Beleidigung ausdrücklich, aber auch konkludent, also durch entsprechendes Verhalten, eingewilligt werden. Begibt man sich beispielsweise in einer Diskussion auf ein unsachliches Niveau und beleidigt andere, so kann ein Gericht dies unter bestimmten Umständen als konkludente Einwilligung dafür werten, dass in der weiteren Erörterung die Beiträge nicht auf die Höflichkeitsgoldwaage gelegt werden, so dass entsprechende Äußerungen nicht strafbar sind. – wikipedia –
Das Problem sind unsere Gericht, sie sind für die Auslegung der „unbestimmten Rechtsbegriffe“ zuständig. Und von ihnen bekommt man keine Gerechtigkeit – sondern ein Urteil.
Dort stellt sich auch die Frage: Was sind „berechtigte Interessen“? Was ist „entsprechendes Verhalten“? Was ist „unsachliches Niveau“? Wie wiegt wohl die „Höfligkeitsgoldwaage?
Fakt ist: Wir leben in einer Welt der Worthülsen, die den Anschein erzeugen, alles ist bestens geregelt? Wie man am Beispiel Beleidigung sieht, ist dem aber nicht so!
Gruß
Manfred
Sorry – „Postfaktisch“
hätte es natürlich heißen müssen. Aber vielleicht wäre der Begriff „Profaktisch“ – die nachweisbaren“ Fakten zu nennen – auch mal überdenkenswert!?
Gruß
Manfred