Cyber-Mobbing: Überschätztes Phänomen oder gefährlicher Trend?

Dan Olweus warnt vor Panikmache

Über das Phänomen des so genannten „Cyber-Mobbing“ ist derzeit sehr viel zu lesen und zu hören. In fast allen dieser Berichte ist von einer Zunahme der im Internet und anderen modernen Kommunikations- und Interaktionsplattformen gezielt eingesetzten Schikanen die Rede.

Dan Olweus

Vor einer unkritischen Übernahme dieser Behauptung warnt jetzt der „große alte Mann“ der Bullying-Forschung, Dan Olweus.

Der norwegische Psychologe hat bereits in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts erste wichtige Erkenntnisse zum Thema „Mobbing bei Kindern und Jugendlichen“ veröffentlicht.

Er hat eines der wichtigsten Gewalt-Präventionsprogramme für Schulen entwickelt und sein Wort hat auf diesem Gebiet immenses Gewicht.

Olweus hat ganz aktuell eine Meta-Analyse mit mehreren Studien ausgewertet, darunter Untersuchungen aus den USA mit 450000 Schülern.

Mobbing häufiger in der Schule als im Internet

Nach dieser Analyse wurden 18% der Kinder und Jugendlichen offline „verbal angegriffen“, aber nur bei 5% war dies online der Fall.

Zunächst einmal verwundert die hohe Zahl von 18% angeblichen Bullying-Opfern.
Ich nehme an, dass wieder einmal nicht genau definiert war, was genau unter Bullying zu verstehen ist. Leider werden sehr häufig in Untersuchungen die Kriterien Dauer (mehrere Monate) und Frequenz (mindestens einmal wöchentlich) vernachlässigt (siehe auch Neue Zahlen für Mobbing? Leider nein!).

Unabhängig von den absoluten Zahlen wird niemand ernsthaft behaupten, dass Cyber-Bullying häufiger vorkommt als das systematisierte Schikanieren in der Schule.

Was Cyber-Mobbing so gefährlich macht

Die Bedeutung, die die Attacken im virtuellen Raum erlangt haben, beruht vielmehr darauf, dass diese als sehr gefährlich im Sinne einer gesundheitlichen Schädigung  eingeschätzt werden müssen.
Hierfür sind mehrere Gründe verantwortlich:

– Attacken im Cyberspace finden vor einem zahlenmäßig nicht mehr begrenzten Publikum statt, entsprechend vernichtend und beschämend ist die Wirkung beim Opfer, das nunmehr „vor den Augen der ganzen Welt“ gedemütigt und entwürdigt wird.

– Aus diesem Grund reicht auch oft eine einmalige Attacke aus, um eine traumatisierende Wirkung zu erzielen (siehe z.B. Bizarres Strafmaß für tödliches Cybermobbing).

– Internet-Attacken können vom Täter peinlich genau geplant und terminiert werden und sind deshalb oftmals viel verletzender.

– Außerdem kann der Täter aus der Anonymität heraus agieren, was eine zusätzliche Enthemmung bedeuten kann.

– Schließlich sind kompromittierende Bilder oder online verbreitete Gerüchte kaum jemals mehr aus dem Netz zu entfernen, da diese selbst nach Löschung des ursprünglichen Postings weiter in Foren und auf Festplatten überdauern.

Aus diesem Grund stellt Cyber-Mobbing, auch wenn es wohl seltener auftritt als „herkömmliche“ Attacken, eine gefährliche Variante dar, die mit allen gebotenen Mitteln bekämpft werden sollte.

Peter Teuschel

(Anmerkung: Die Begriffe Mobbing und Bullying wurden hier synonym verwendet)

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