Streit der Gutachter: Situation Breivik auch in Deutschland?

 

Im Fall des wegen Massenmordes angeklagten Norwegers Anders Behring Breivik haben die beiden psychiatrischen Gutachten für Aufregung gesorgt.
Sie kamen  zu völlig unterschiedlichen Einschätzungen, was das Vorhandensein einer psychischen Störung und die Frage der Schuldfähigkeit angeht.

 

 

Eine ähnliche Situation ist jetzt im Fall des so genannten „Weddinger Doppelmord-Prozesses“ entstanden.

 

Mehmet Y. wird beschuldigt, im August 2011 die Mutter und die Schwester seiner Ex-Freundin erschossen zu haben. Nach Angaben seiner Verteidigung habe er vor der Tat die Stimme seines Onkels gehört, die ihm gesagt habe: „Tu das nicht.“

Der Gutachter Norbert Konrad hatte bei dem Angeklagten eine paranoide Persönlichkeitsstörung diagnostiziert und die angegebene Stimme als „Stimme des Gewissens“ bezeichnet.

 

Daraufhin wurde von der Verteidigung ein zweites Gutachten in Auftrag gegeben. Diesmal kam der Gutachter, Karl Kreutzberg, zu dem Ergebnis, bei Mehmet Y. liege eine beginnende Schizophrenie vor, die zum Tatzeitpunkt zu einer aufgehobenen Steuerungsfähigkeit geführt habe.

Die Forderung der Verteidigung, einen dritten Gutachter hinzuzuziehen, wurde vom Gericht abgelehnt.

Auf das Urteil darf man gespannt sein.

Problematisch bleibt, dass wiederum der Eindruck entsteht, psychiatrische Diagnosen seien auch von Sachverständigen nicht zweifelsfrei zu stellen.

Nun wird man in jedem medizinischen Fach auf einen gewissen Prozentsatz problematischer Fälle stoßen, bei denen eine Diagnosefindung erschwert bis unmöglich ist. Das liegt einfach daran, dass die Medizin keine exakte Wissenschaft ist, auch wenn sie sich wissenschaftlicher Methoden bedient.

Diese Fälle sind in der Praxis die Ausnahme. Dass die Problematik jetzt in zwei Mordprozessen in Erscheinung tritt, mag der statistischen Häufigkeit geschuldet sein.
Dem Ruf der Psychiatrie wird dies leider wieder eher abträglich sein.

Peter Teuschel

 

8 Responses
  1. Immerhin konnte Breivik nun doch verurteilt werden, was sicher dem Gerechtigkeitsempfinden der meisten Menschen entsprechen dürfte. Die Psychiatrie profitiert dann davon.

  2. In beiden Fällen haben die Gerichte jeweils die Versionen berücksichtigt, die von Schuldfähigkeit ausgehen.
    Nachdem die psychiatrische Situation nicht einheitlich beurteilt wurde, stellt dies eine Gewichtung der Verantwortlichkeit der Täter dar. Also: Im Zweifel verantwortlich!

      • ..das Buch selbst kenne ich nicht, ich habe das Hörbuch, gelesen von Andrea Sawatzki.
        Da der Laie aber seine „Kenntnisse“ über psychische Erkrankungen mehr oder weniger aus Unterhaltungsliteratur bezieht, würde mich Ihre Beurteilung der Darstellung interessieren.

        Wir haben eine Art Büchertauschverschenkring, d.h. dass alles, was keinen dauerhaften Platz im Regal bekommt, so lange weiterverschenkt wird, bis es seinen endgültigen Besitzer gefunden hat.
        Würden Sie es als Stalking empfinden, wenn ich Ihnen das Hörbuch in die Praxis schicke?

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