Es hält sich ja hartnäckig das Vorurteil, ein Täter müsse nur angeben, dass er vor seiner Tat Stimmen gehört habe und schon würde er vom Psychiater als schuldunfähig eingestuft.
Das ist natürlich genau der Unsinn, den ich mit dem Bild des rotgesichtigen Stammtischsitzers assoziiere, der sich mit der rechten Hand am Bierkrug und mit seinem Selbstwert an seinen Thesen, die ihm die Welt einfach machen, festhält.
Ein mit psychiatrischen Sachverhalten nicht vetrauter Täter wird es kaum schaffen, sein vermeintliches Stimmenhören so darzustellen, dass der erfahrene Forensiker ihm glaubt. Mit der Aussage: „Ich habe eine Stimme gehört, die mir die Tat befohlen hat“, geht die Fragerei ja erst los. Der Psychiater will dann einige Dinge konkretisiert haben: War es eine bekannte oder unbekannte Stimme, wie alt, welches Geschlecht hatte sie, was genau hat die Stimme gesagt, mit welchen Worten, hat der Betreffende versucht, sich gegen die „Anweisungen“ der Stimme zur Wehr zu setzen usw. Für die Beurteilung, ob es sich um eine echte Halluzination handelt, können diese Unterscheidungen wichtig sein, vor allem aber wird der Gutachter genau darauf achten, wie der Proband antwortet und ob der Eindruck entsteht, dass er sich diese Antworten eventuell erst ausdenken muss. Schizophrene können meist spontan und ohne langes Nachdenken über ihre Stimmen Auskunft geben.
Außerdem müssen für die Diagnose einer psychotischen Störung, auf die das Stimmenhören ja meist hinweist, noch viele weitere Symptome hinzu kommen, so dass gerade das isolierte „Hören von Stimmen“ den Gutachter misstrauisch machen wird.
Natürlich gibt es immer mal wieder Grenzfälle, die auch in der Praxis zu nicht unerheblichem Kopfzerbrechen führen, aber das sind wirklich Ausnahmen.
Gerade hat die Anwältin von Mehmet Y., der im August 2011 in Berlin die Mutter und Schwester seiner Ex-Freundin erschossen hat, den Antrag gestellt, ihren Mandanten in eine forensisch-psychiatrische Einrichtung einzuweisen, da er an einer wahnhaften Psychose leide.
(zur Tat: http://tinyurl.com/6quasz8)
Der Täter hatte nach Presseangaben berichtet, vor der Tat die Stimme seines Onkels gehört zu haben, die ihm gesagt habe: „Tu das nicht!“
Der psychiatrische Gutachter soll sich dazu wie folgt geäußert haben: „Das ist keine Halluzination, sondern die Stimme des Gewissens.“
Gutachter in diesem Fall ist Prof. Norbert Konrad, einer der bekanntesten forensischen Gutachter in Deutschland und in dieser Hinsicht ein „alter Hase“.
Peter Teuschel
One Response