Im Fall des Weddinger Doppelmordes wurde der Angeklagte Mehmet Y. heute von einem Berliner Gericht zu lebenslanger Haft verurteilt. Nachdem seitens der Richter auch eine besondere Schwere der Tat festgestellt wurde, ist eine vorzeitige Entlassung nach 15 Jahren ausgeschlossen.
Aus psychiatrischer Sicht war der Prozess bedeutsam, weil – ähnlich wie im Fall Breivik in Norwegen – zwei einander widersprechende psychiatrische Gutachten vorgelegt wurden.
Der erste Gutachter, Norbert Konrad, diagnostizierte eine paranoide Persönlichkeitsstörung und konnte bei Mehmet Y. keine verminderte Schuldfähigkeit erkennen, während der zweite Sachverständige, Karl Kreutzberg, Anzeichen einer Psychose bei dem Angeklagten feststellte und von aufgehobener Steuerungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt ausging.
Über die Problematik einer Diagnosestellung gerade vor dem Hintergrund eines Strafgerichtsprozesses habe ich bereits berichtet. Sicherlich ist die Diagnosefindung noch einmal erschwert, wenn die Angaben des Angeklagten einen von ihm erwünschten (in diesem Fall Einweisung in eine psychiatrische Klinik) respektive einen unerwünschten (Gefängnisstrafe) Ausgang des Prozesses beeinflussen können.
Exemplarisch zeigt diese Verhandlung aber auch, dass nicht das psychiatrische Gutachten entscheidet, sondern das Gericht unter Wertung aller vorliegender Hinweise, Beweise und Einschätzungen von Sachverständigen zu einem Urteilsspruch gelangt.
In diesem Fall scheint das Gutachten von Konrad die Richter mehr überzeugt zu haben.
Nun will ich hier nicht als Oberschlaumeier auftreten, ich kenne den Fall auch nur aus der Presse. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass es die richtige Entscheidung war.
Was mich nämlich wundern würde wäre der Umstand, dass eine bisher nicht diagnostizierte Schizophrenie zum ersten Mal durch einen Mord auffällig wird.
Wenn Schizophrene Straftaten begehen, ist die Diagnose oft schon lange vor der Tat gestellt worden (wie zum Beispiel bei Adelheid Streidel).
Dass eine Straftat durch die nachträgliche Behauptung eines psychotischen Zustandes in Richtung Schuldunfähigkeit geschoben werden soll, ist ja auch keine ganz neue Strategie.
Die vom Gericht vermuteten Motive Rache, Hass und Eifersucht passen inhaltlich auch gut zur inneren Welt persönlichkeitsgestörter Täter.
Die Verteidigung wird wohl in Revision gehen, so dass hier möglicherweise noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.
Unabhängig von diesem Fall ist es wichtig zu wissen, dass entgegen landläufiger Meinung Schizophrene kein erhöhtes, sondern vielmehr ein erniedrigtes Risiko haben, Straftaten zu begehen. Werden Sie allerdings straffällig, sind es überproportional häufig Gewalttaten, durch sie sie auffällig werden.
Peter Teuschel
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