Anti-Stigma-Kampagnen wie zum Beispiel die bayerische Anti-Stigma-Aktion BASTA setzen sich zum Ziel, schräge und klischeehafte Vorstellungen über psychische Erkrankungen und psychisch Kranke aufzugreifen, anzuprangern und zu ächten.
Meiner Meinung nach bräuchten wir eine regelrechte Anti-Stigma-Einsatztruppe, die jeden Schmarrn, der zum Thema „Psycho“ in den Medien auftaucht, sofort richtig stellt. Den Redakteuren, die entweder schlampig oder effekthascherisch, stets aber auf Kosten tatsächlich Betroffener über psychiatrische Themen berichten, sollte ihr Artikel wie ein Bumerang wieder um die Ohren fliegen. So lange, bis Seriosität und Wahrheitsgehalt des Textes ein Niveau erreichen, das zumindest eine Stigmatisierung verhindert.
Wie? Dann würde niemand mehr diese Artikel lesen?
Wär nicht schade drum.
Ein Beispiel, wie man auf engstem Raum eine hohe Dichte inhaltlich falscher und schlecht recherchierter Aussagen unterbringt, ist ein Beitrag, der in der Abendzeitung München zu lesen war.
„Wie irre war der Amok-Wilderer von Annaberg?“
Offensichtlich war der Hintergrund der von Alois H. begangenen Tötungsdelikte eine psychische Störung. Die obige Formulierung würde gut in eine dieser auf RTL, SAT1 und anderen Trashsendern laufenden Talkshows passen.
„Der irre Amok-Wilderer“. Das zielt ausschließlich auf Sensation und Psycho-Horror-Grusel-Show.
„Er sei schizophren, vertraute er einem Freund an. (…) Es ist das Psychogramm einer gespaltenen Person.“
Nein, liebe AZ, das hat nichts mit einer „gespaltenen Person“ zu tun. Auch dass er „sowas wie ein zweites Ich“ gehabt haben soll, ist kein Hinweis auf das Vorliegen einer Schizophrenie. Die Verwechslung dieser Psychose mit „gespaltenen Persönlichkeiten“ und Ähnlichem ist die wohl häufigste Form nachlässiger Verbreitung von Unsinn aus dem psychiatrischen Bereich.
Wen es interessiert, was eine Schizophrenie wirklich ist, der kann es hier nachlesen.
Zu guter Letzt wird aus der Psychiaterin Adelheid Kastner, einer in Österreich prominenten Gutachterin, kurzerhand noch eine „Psychologin“ gemacht. Auch diese Verwechslung scheint nicht auszurotten zu sein.
Außer schlampiger Begriffsverwendung und effektheischender Wortwahl diskriminiert dieser Artikel Patienten mit einer schizophrenen Psychose, die durch ihn in die Nähe einer zunächst nicht begreifbaren und am ehesten auf einer tiefgreifenden Persönlichkeitsstörung beruhenden Gewalttat gerückt werden.
Ich bilde mir nicht ein, dass sich das ändern wird. Es verkauft sich so einfach besser.
It´s a shame
https://www.youtube.com/watch?v=zbZ9uCQW1Hk
Peter Teuschel
Auch die NEWS in Ö schließt sich dem „schizo“ an – Beitrag wird an BASTA gemailt… Es ist wirklich jedesmal das Gleiche…
Und ja, dass Psychiater mit Psychologen verwechselt werden,oder Psychotherapeuten mit Psychologen, … das ist echt nicht auszurotten… Sogar Klienten selbst, die bei Psychotherapeuten in Behandlung sind,sagen, dass sie heute wieder zur Psychologin gehen..
Richtig schlimm wirds dann aber noch, wenn sie sagen: Heut geh ich zum PHYSOtherapeuten oder Physiotherapeuten (wenn sie die Seele meinen… )
Gruß aus dem keineswegs besser berichterstattenden ÖSI-Land…. 🙁
IT’s A SHAME!!!!!!!
Eva
Haha, stimmt!
Bis vor kurzem hatten wir im EG der Passage, in der die Praxis ist, eine Physiotherapeutin. Da sind jede Menge Patienten gelandet, die zur Psychotherapie wollten. Da wars dann mal andersrum. Manche waren richtig enttäuscht, dass sie nicht auf die (Physio)therapie-Liege durften.
🙂 🙂
Gibt es denn sowas wie eine gespaltene, bzw. multible Persönlichkeit überhaupt?
Wenn ja, woran könnte dies auch ein Laie (Reporter) erkennen?
Es gibt die Diagnose „multiple Persönlichkeitsstörung“ ICD F 44.81, die ist aber sehr umstritten. Es soll eine Extremform einer Dissoziation sein. Möglicherweise entsteht sie aber erst im Rahmen einer Psychotherapie …
Ich habe auch mal einen Beitrag von einem angeblichen „Psychologen“ gelesen, der eigentlich über die Borderline-Störung gehen sollte laut Titel … ganz am Anfang war aber dann plötzlich nur noch die Rede von einer schizoiden Persönlichkeitsstörung (die noch dazu falsch skizziert worden ist). Danach ging es dann zwischen „Borderline“ und das, was der Autor unter einer schzioiden PS verstand, wild hin und her.
In den Leserkommentaren war dann wiederum teilweise plötzlich die Rede von Schizophrenie und Narzissten (bezogen auf den Ausgangsbeitrag). Verwirrend, da kann man schon mal durcheinanderkommen bei all diesen Psycho-Begriffen^^
Ja, wenn die richtigen „Spezialisten“ die Kommentar-Funktion bevölkern und mit Psycho-Begriffen um sich schmeißen, gehts hoch her. Da sollte man am besten in Deckung gehen.
http://webapp-tablet.noen.at/lokales/noe-uebersicht/lilienfeld/aktuell/Psychiater-zu-Wilderer-Doppelleben-keine-Schizophrenie;art2315,485763
Sag ich doch …
🙂
Wer Recht hat, soll Recht behalten und gibt einen aus. 😉 😉 😉
Die NÖN – Niederösterr. Nachrichten – die muss man an dieser Stelle echt mal ordentlich loben – für DIESEN Artikel natürlich unbedingt!
Aber auch für die mutige Berichterstattung über Mobbing bei Postbus-ÖBB:
http://mobbing-konkret.jimdo.com/postbus-%C3%B6bb/
Und Dr. Teuschel muss man hier auch mal wieder ein RIESIGES Danke schicken – dass er solche Artikel anfindet!