Wann ist es Mobbing?

Konflikte, Streit und Missverständnisse am Arbeitsplatz – das kennt jeder.

Um den Begriff Mobbing vor diesem Hintergrund nicht inflationär zu verwenden, muss er gut definiert und damit von anderen Zwistigkeiten am Arbeitsplatz abgerenzt werden.

Deshalb möchte ich hier noch einmal die Kriterien aufführen, die der Pionier der Mobbing-Forschung, der deutsch-schwedische Arbeitspsychologe Heinz Leymann im Jahre 1996 festgelegt hat.

An dieser Definition hat sich im Wesentlichen nichts geändert, wenn auch durch ergänzende Definitionen in den letzten Jahren das Eine oder Andere ergänzt wurde.

Nach Leymann müssen folgende Punkte vorliegen, damit wir von Mobbing sprechen:

  • „negative soziale Handlungen“
  • von einem oder mehreren
  • gegen einen Einzelnen
  • in nennenswerter Häufigkeit
  • über einen längeren Zeitraum

 

Das Ziel des Mobbing ist dabei immer, das Opfer vom Arbeitsplatz zu entfernen. Es besteht immer ein Machtungleichgewicht, durch das eine Täter-Opfer-Beziehung beschreibbar ist.

Zu den einzelnen Punkten:

„Negative soziale Handlungen“ sind eben all die Gemeinheiten, Verleumdungen, Ausgrenzungen, Attacken und Schikanen, die wir bei Mobbing sehen.

„Einer oder mehrere andere“: Wir müssen uns von dem Bild einer „mobbenden Meute“ frei machen. In den meisten Fällen gibt es nämlich nur einen einzelnen Mobber (statistisch am häufigsten ist es der Chef!)

„Gegen einen einzelnen“: Ein ganz wichtiger Punkt! Mobbing-Opfer sind immer isoliert und stehen alleine da. Hilfe und Unterstützung müssen sie sich erst suchen. Daraus folgert unter anderem, dass nie eine Gruppe gemeinsam Opfer von Mobbing werden kann, da dies definitionsgemäß dann kein Mobbing ist.

Eine „nennswerte Häufigkeit“ ist laut Leymann dann gegeben, wenn die Mobbing-Handlungen mindestens einmal pro Woche stattfinden. In der Praxis geschieht dies meist häufiger.

Den „längeren Zeitraum“ hatte Leymann mit einem halben Jahr festgelegt. So liest man auch heute noch häufig, dass nur von Mobbing gesprochen werden darf, wenn mindestens sechs Monate lang negative soziale Handlungen vorgelegen haben. Dieses zeitliche Kriterium sollte man flexibler auslegen. Viele Betroffene halten schlicht kein halbes Jahr durch, sondern fallen schon nach z.B. drei Monaten aus und müssen krankgeschrieben werden. Liegen ansonsten alle Bedingungen der Definition vor, sollte auch in solchen Fällen von Mobbing gesprochen werden.

Die Täter-Opfer-Beziehung ist in allen Mobbing-Fällen erkennbar, ebenso das Bestreben des Täters, erst von seinem Opfer abzulassen, wenn es nicht mehr am Arbeitsplatz ist.

Durch diese Definition können etwa 90% aller Pressemeldungen, die sich des Schlagwortes Mobbing bedienen, als in diesem Sinne falsch entlarvt werden. Einige solcher Meldungen werde ich in einem anderen Artikel demnächst kommentieren.

Hier ging es mir vor allem darum, die Basis des Mobbing-Begriffes kurz darzustellen.

Peter Teuschel

 

16 Responses
  1. Wie würden Sie Situationen behandeln, in denen ganz klar Mobbing vorliegt aber Sie auch merken, dass dies zu einem großen Teil an der schwierigen Art des Opfers liegt? Gab es schon die Situation dass Sie die Täter verstehen konnten?

    • Räusper … das sind natürlich genau die Fragen, die ich liebe. Da kann ich doch gleich mal ganz unauffällig auf mein Mobbing-Buch verweisen. Meine Typologie der Prägnanztypen von Mobbing-Opfern kennt den „Unsympathischen“. Witzigerweise ist mein Beispiel im Buch auch ein Mann, der sich rühmt, in Thailand kleine Kinder im Rahmen der dortigen Kinderprostitution zu missbrauchen und daraufhin gemobbt wird. Im Buch handelte es sich um eine Psychologin, die als Mitglied einer Konfliktlösestelle einer Institution das Problem hatte, diesen Mitarbeiter in seinen Rechten zu vertreten und sich nicht entziehen wollte, obwohl sie alles lieber getan hätte als den Mann „auch noch zu verteidigen“.
      Da auch dieses Mobbing als solches verwerflich ist, habe ich vorgeschlagen, sich als Arzt/ Therapeut/ Berater die Definition eines „Pflichtverteidigers“ zu geben, der nicht hinter der Tat stehen muss, die zum Mobbing führt, sondern der dafür sorgt, dass alles mit rechten Mitteln (also ohne Mobbing) zugeht.
      Diese „Pflichtverteidiger-Mentalität“ klappt bei mir in den meisten Fällen und es sind auch sehr sehr seltene Fälle. Allerdings würde ich mich auch nicht scheuen, einen Patienten abzulehnen.
      In den (noch selteneren) Fällen, in denen ich das getan habe, war der Grund aber meistens, dass die Patientin/ der Patient erheblich dazu tendierte, mich zu instrumentalisieren und dies auch trotz eindrücklichem Hinweis darauf, dies doch zu unterlassen, nicht bleiben lassen konnte.
      Es geht gar nicht so sehr darum, dass ich die Motive der Mobber nicht im Einzelfall nachvollziehen könnte, sondern um meine Überzeugung, dass Mobbing keine Lösung sein darf.

      • Haben Sie sich eigentlich schonmal gefragt ob sich irgendwann mal jemand durch Sie gemobbt gefühlt hat?
        (Vermutlich wurden sie schon häufiger gefragt ob Sie schonmal Mobbingerfahrungen in irgendeiner Art gemacht haben^^)

        • Bei beruflichen Themen lassen sich die Dinge anders lösen als durch Mobbing. Das ist auch meine ganz persönliche Erfahrung. Um die Gefahr des Mobbings zu vermeiden helfen klare Aussagen und die Bereitschaft, sich lieber in Frieden zu trennen als eine blöde Entwicklung zu riskieren.
          Insofern nein, ich habe noch niemanden gemobbt. Es hat auch noch niemand behauptet, ich hätte ihn gemobbt.
          Wär ja auch noch schöner …

          • Das heißt nicht, dass man als Chef besonders beliebt ist. Ich halte es einfach für sinnvoller, sich zügig von einem Mitarbeiter zu trennen, dessen Leistung oder Verhalten in meinen Augen nicht ok ist und der trotz mehrfacher Gespräche darüber sich nicht bessert.
            Eine der Wurzeln für Mobbing ist sicher die political correctness a la „ich bin ok, du bist ok“.

          • Ich finde, grade wenn jemand schon mehrere Jahrzehnte im Berufsleben steht und mit vielen Menschen zusammengearbeitet hat ist es eine interessante Frage ob es schon Konstellationen gab wo man im Nachhinein sagen würde „Vielleicht fühlte sich die Person von mir gemobbt“ – damit wollte ich nicht unterstellen Dr. Teuschel kippe ungeliebten Mitarbeitern jeden Morgen Salz in ihren Kaffee 🙂

      • Bei der Haltung des BR, die aus dem Artikel hervorgeht, könnte ich mir sogar vorstellen, dass der Streik von Firmenseite aus initiert oder angeregt wurde… Man lässt die Belegschaft streiken, damit man sich selbst „abputzen“ kann… Und danach bedankt man sich. MEn ist dies ein Mobbingfall pur, wie immer – geduldet und gefördert durch die Betriebsleitung. So funktionierts – bestens… und treffsicher… MEn könnte der gemobbte Arbeitnehmer die Firma auf Schadenersatz verklagen, da sie es tunlichst unterließ, ihre Fürsorgepflicht auszuüben, konflikt- und deeskalierendes Gespräch – mit der Belegschaft – zu führen, bzw.im Vorfeld – beim Zurückkommen des Arbeitnehmers – schon für eine Wiedereingliederung zu sorgen. PS: Ich trenne hier die berufliche Situation von der strafrechtlichen Vorgeschichte, da dies mEn für die Arbeitssituation irrelevant ist. (Der Ordnung halber schreibe ich, dass ich Pädophilie sowie sex. Missbrauch – ob an Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen – absolut verachte, und streng dafür bin, dass dieser schärfstens juristisch verfolgt wird, und finanzielle Wiedergutmachung am Opfer geleistet wird). Aber der Tatbestand, der in diesem Fall juristisch geahndet wurde, sollte damit belassen sein, und keinen Einfluss auf die Arbeitsumgebung und -ausübung haben (dürfen).

  2. Hallo an Alle,

    ich bin nicht sicher, ob ich etwas überlesen habe.
    Wenn es darum geht, (in Deutschland) justiziabel Mobbing zu definieren, dürfen wir nicht vergessen, dass die betroffene Person unter den Mobbingattacken leiden muss.
    Dazu kann man inhaltlich stehen wie man will – aber es wird entsprechend in Gerichtsverfahren darauf geachtet.

  3. Das ist richtig, vor allem, weil Mobbing in Deutschland ja per se nicht verboten ist. Allerdings ist es auch schwer vorstellbar, dass jemand, der nach den im Artikel genannten Kriterien gemobbt wird, nicht darunter leidet.
    Die mobbingbedingten Gesundheitsschäden haben bei Leymann noch keine Berücksichtigung in der Definition gefunden. Anders bei Esser/Wolmerath, die diese gesundheitlichen Folgen in die Definition hereingenommen haben, was ich für wichtig halte.
    In meiner eigenen Definition (im Mobbing-Buch) sind sie ebenfalls enthalten.
    Die gerichtliche Würdigung mobbingbedingter Folgen ist eine Sache für sich. Hier in Bayern habe ich keine sehr Mut machenden Erfahrungen diesbezüglich.
    Wie ist es bei Ihnen im Norden?

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