Jetzt ist er schon über einen Monat tot. Wahrscheinlich ist ja schon alles gesagt über David Bowie, diesen Ausnahmekünstler, der von seinen Gegnern als Chamäleon, von seinen Verehrern als Meister der Wandlung bezeichnet wurde.
Irre ich mich, oder hat sein Tod nicht nur bei seinen Fans Entsetzen ausgelöst, sondern darüberhinaus auch bei Menschen für Irritation gesorgt, die ihn nur so im Hintergrund auf dem Schirm hatten?
Ich komme nicht recht los von ihm und frage mich, warum das so ist.
Immer wieder mal erwähnt ihn der eine oder die andere. Spreche ich über die Zebrafrau, blickt er mich an. Denke ich an meine Jugend, meine Jahre als junger Erwachsener, an die letzten Jahre, die Gegenwart, immer ist er da, schnippt mit den Fingern, tanzt. Meist am Rande meines Gesichtsfeldes.
Immer anders, immer ein Anderer, immer er selbst.
Heute, beim Gang durchs abendliche München, musste ich wieder an ihn denken. Kunststück, hatte ich ihn doch via Kopfhörer im Ohr. Vorbei an den Pegida-Ständen, den Buden mit gebrannten Mandeln, der verhüllten Theatinerkirche, hin zum Hofgarten. China Girl. Absolute Beginners. Life on Mars.
Irgendwie war er all die Jahre einfach da. Nie ganz fassbar, immer existent.
Immer anders, immer gleich. Wie das Leben.
Und plötzlich ist er weg.
David Bowie stammt aus einer Generation, die nicht so viel über Existentielles diskutiert hat, wie wir das heute gewohnt sind. Ob ihr das etwas gebracht oder genommen hat, weiß ich nicht.
David Bowie hat Musik gemacht, hat gelebt und ist gestorben. Er hat uns nicht mit Existentiellem belästigt. Wir durften ihn gut oder schlecht finden.
Es ist dieses Unaufdringliche, das für mich seine Faszination ausmacht. Er hat „sein Ding gemacht“ und er wollte, wie es aussieht, nicht missionieren.
Dass er nicht mehr da ist, scheint mir gegen alle Lebenserfahrung. Es gab ihn doch immer. Manchmal nur peripher zu spüren, nur aus den Augenwinkeln zu erkennen, aber immer gegenwärtig. Eine Selbstverständlichkeit.
Sein Tod ist eine Wahrheit: Dieses Leben wird enden.
Mit seinem Liedern legt er uns den Arm um die Schultern:
„Hey, lass uns was draus machen!. Let´s dance!“
Peter Teuschel
Da stimme ich mit Ihnen voll überein, Herr Dr. Teuschel.
Er war er. Sein Tod kam mir plötzlich vor.
David Bowie starb als Original, nicht als Kopie.
Ich denke, dass Sie da Recht haben. Es ist schon paradox: Gerade er, dem immer vorgeworfen wurde, alles zu kopieren und auf jeder Welle mit zu schwimmen.
Schön, dass Sie geantwortet haben. Ist ja richtig Arbeit alle Beiträge zu beantworten.
Das er als Original starb, ist meine Sicht. Andere sehen ihn vielleicht ganz anders …
Ich habe ihn zwar nicht durchweg auf dem Schirm gehabt. Aber er hat bei mir auch mal etwas Verstörendes hinterlassen. Das sehe ich als EIN Kennzeichen seines Selbst-seins.
Sie haben es gut umschrieben: „… dieses Unaufdringliche, … Er hat “sein Ding gemacht”…“. Das ist es was mich bei ihm überzeugt hatte. Ungeachtet allem Ausgesetzt-sein hat er seine Musik gemacht und weiter verfolgt. Unspektakulär. Er passte nicht so richtig in irgendwelche Schubladen. Da gab es andere, wesentlich auffälligere, (Rock)gruppen, die sehr populär wurden mit ihrer, wenn auch nicht so wandlungsfähigen, Musik. Da stellt sich die Frage nach der Vermarktung. Erstmal den Fuss in die Tür bekommen. Das finde ich das Schwerste. Und eine „aggressive“ Vermarktung wird schneller von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Wenn eine Musik dann gerade in den Zeitgeist passt, gefördert wird und bei einer breiten Masse etwas anspricht, stellt sich mir weniger die Frage der Qualität. Eher die Frage woher das rührt. Dies war früher offensichtlicher, als es noch nicht so viele Musikrichtungen/Stile gab. Die Qualität ist eher ein eigenes Thema. Der finanzielle Wert und hohe Popularität sollten nicht mit hoher Qualität gleichgesetzt werden. Das kann so sein, muss aber nicht.
Was das Kopieren betrifft, kann ich aus meiner Kunsthochschulzeit sagen, dass das Kopieren nicht prinzipiell negativ bewertet werden muss. Wir haben während des Studiums uns auch an anderen Künsten und Künstlern orientiert und inspirieren lassen. Eine Orientierung an anderen Künstlern, Orten, Musik, Architektur, Literatur, etc. ist wichtig, um sich weiter zu entwickeln. Ich sehe es als eine Anregung, an ihr angelehnt und weiter entwickelt, wird dann im besten Fall eine eigene Handschrift daraus. Dazu kann das Kopieren ein Anfang sein. So empfand ich das bei David Bowie, den über Jahre kreativen Schaffens letztlich eine eigene Handschrift kennzeichnete. Seine Wandlungsfähigkeit war für mich ungewöhnlich, und damit besonders.
Die Bewertungen hinsichtlich Qualität können selbst unter Profis stark auseinandergehen. Ich war damals bei zwei sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten, die beide eine Professur (freie Kunst) an einer staatlichen Kunstschule hatten. Bei beiden hatte ich jeweils getrennte Termine zur Vorlage meiner Arbeiten. Der eine Professor verriss förmlich meine Arbeiten. Der andere Professor war regelrecht ergriffen von meinen Arbeiten.
PS: In einer Galerie habe ich vor ein paar Tagen ein Porträt von David Bowie als Fotoarbeit im Fenster gesehen …
„Dieses Leben wird enden“
Deswegen Herr Dr. Teuschel:
„Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“
Cicely Saunders
Absolut. Aber wie schwierig das manchmal ist. Zumal wir ja nicht erst ein bisschen üben dürfen, sondern unser Leben jeden Tag gleich ins Reine schreiben.
Das trifft es ziemlich gut: David Bowie war immer da und doch nie zu präsent, ich meine er ist nicht ständig durch die Illustrierten geJAGGERt und war gerade dadurch wichtiger und vor Allem authentischer Teil dieser, unserer Welt. Trembeling like a flower: vielleicht findet man ihn ja wieder in den Leberblümchen und den Veilchen am Südfriedhof oder sonstwo, wenn sie im wärmenden Frühlingswind immer noch ein bissi zittern. Dann ruft er uns: this is major Tom to groundcontrol…
Das könnte durchaus sein. Mir scheint, Sie haben dem Frühlingswind ziemlich gut gelauscht.
“I watch the ripples change their size
But never leave the stream of warm impermanence and
So the days float through my eyes
But still the days seem the same”
(aus “Changes”)
Nein, Sie irren sich nicht! David Bowies Tod hat bei vielen genau das ausgelöst, was Sie so treffend beschreiben: die überraschende, ernüchternde Gewissheit, dass selbst das, was man für so selbstverständlich hielt, ungewiss und endlich ist.
Mir ging es auch so: er und seine Musik waren nie meine große Leidenschaft, aber er war immer da, diskret im Hintergrund, nie in vorderster Reihe. Weder bei den Songs auf den Schulparties, noch auf den Postern der Teenagerzimmer. Ich hatte ihn immer auf dem Walkman dabei (80er-Jahre-Abspielgerät für Musik ) und neben meinem Schreibtisch hing neben vielen anderen auch eine Bowie-Postkarte, auf der seine beiden verschiedenfarbigen Augen besonders gut zur Geltung kamen. Dann war er mal für Jahre fast verschollen, um plötzlich auf der Leinwand zu erscheinen und einen grottenschlechten Film („Absolute beginners“) mit einem einzigen Song hundertfach wettzumachen. Immer wieder blitzte er irgendwo in Musik, Film oder Kunst auf. Über die Jahrzehnte hatte das etwas Verlässliches – und das hat uns nun verlassen.
Die Selbstverständlichkeit ist dahin, aber wenn ich jetzt zum Laufen gehe, mit dem iPod in den Ohren, ist er wieder da, so wie er immer da war, und wenn es ein guter Tag ist, dann spüre ich in seiner Musik auch diese Gewissheit: das Leben geht weiter, und man kann auch mit dem Tod tanzen.
So let’s sway, under the moonlight, this serious moonlight…
In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern der Schräglage und Ihrem Verfasser eine gute Nacht!
Rosalita
Nix zu motzen heute, sondern nur einen schönen Bowie-Text posten:
„Fill Your Heart“
Fill your heart with love today
Don’t play the game of time
Things that happened in the past
Only happened in your Mind
Only in your Mind-Forget your Mind
And you’ll be free-yea‘
The writing’s on the wall
Free-yea‘. And you can know it all
If you choose. Just remember
Lovers never lose
‚Cause they are Free of thoughts unpure [sic]
And of thoughts unkind
Gentleness clears the soul
Love cleans the mind
And makes it Free.
Happiness is happening
The dragons have been bled
Gentleness is everywhere
Fear’s just in your Head
Only in your Head
Fear is in your Head
Only in your Head
So Forget your Head
And you’ll be free
The writing’s on the wall
Free-yea‘. And you can know it all
If you choose. Just remember
Lovers never lose
‚Cause they are free of thoughts unpure
And of thoughts unkind
Gentleness clears the soul
Love cleans the mind
And makes it Free!!
Wunderbar – toller Text, klasse Song!
In einem Artikel über David Bowie habe ich gelesen, dass es nie sein Anliegen gewesen sein soll, die Welt zu verändern. Er soll vielmehr davon besessen gewesen sein, sich selbst neu zu erfinden.
Das 1969 erschienene Album “Space Oddity“ von David Bowie wurde eine Woche vor dem Start von Apollo 11 1969 auf den Markt gebracht und zeigt den Zeitgeist und die Verbundenheit von David Bowie mit dem, was in der Welt und um ihn herum geschah. Darin reflektierte er seine Wahrnehmungen über das was dieses Zeitalter der Raumfahrt für die kommenden Jahre bewirken und welche Folgen für die Welt es haben könnte.
Es zeigt, dass er ein Mensch gewesen sein muss, der sehr genau verfolgte und beobachtete, was um ihn herum geschah. Er hat es sehr genau wahrgenommen, es sich bewusst gemacht und dann in seinem künstlerischen Schaffen verarbeitet. Da er ein fühlender und denkender Mensch war, hatte das was um ihn herum geschah immer auch einen Eindruck in seiner Seele hinterlassen, seine Gefühle beeinflusst und manchmal auch eine Veränderung in seiner Persönlichkeit bewirkt. Vielleicht hat er diese Veränderungen genial in seine Musik, seine künstlerische Erscheinung mit eingebracht und war deshalb so wandlungsfähig. Dinge die um ihn herum passierten, die ihn so stark beeinflussten, dass sie ihn veränderten, stellte er vielleicht mittels seiner künstlerischen Persönlichkeiten dar, die so unterschiedlich und so vielgestaltig waren, dass sie immer wieder sein Publikum verblüfften, es ist doch der selbe Mann den man zu kennen glaubte, aber feststellen musste, ihn nicht wirklich zu kennen, weil er schon wieder anders war.
Dieser ständige Wandel verblüfft, verärgert und fasziniert, ich kann mir vorstellen, dass seine Kritiker das so empfunden haben, denn ein ständiger Wandel ist ein totaler Gegensatz zur Sicherheit und zur Orientierung, die fast jeder Mensch in der Welt sucht und dennoch nie findet, weil die Zeit eben nie still steht und immer etwas Neues geschieht.
Der Wandel ist ja das einzig Beständige in der Welt. Wer das so leben und umsetzen kann, der lebt wahrhaftig im Jetzt. Vielleicht musste David Bowie auch nicht so viele „innere“ Probleme mit sich rumschleppen, die ihn abgelenkt und irregeführt haben, so viele imaginäre „Feinde“. Vielleicht hatte er wirklich Zugang zu all seinen Ressourcen und konnte sie für sein eigenes Leben ganz ausschöpfen. So ein Leben ist authentisch, denke ich auch. Er musste sich nicht von der Welt abschotten, denn was hätte er zu befürchten gehabt. Der Wandel oder das Eins-Sein mit der Welt ist ja das Sicherste überhaupt. In Gefahr bringt sich der Mensch nur, wenn er gegen den Strom schwimmt und gegen das ankämpft, was ist. Deshalb hatte er auch das Nicht-Existenzialistische an sich, weil er gegen nichts ankämpfen „musste“. Darin ist David Bowie schon auch ein großes Vorbild für mich. Das diese Wandlungsfähigkeit gerade Leute ärgert, die alles festhalten wollen, ist nachvollziehbar, wobei ich aber glaube, dass es eher Neid ist.
Symbole dessen, was uns überlebt:
die Liebe, die wir gaben
die Werke, die wir schufen
das Leid, das wir erduldeten.
von Unbekannt
ein Nachruf, wie ich finde, der David ganz gut umschreibt.