Buchbesprechung: „Aus der Dunkelkammer des Bösen“

Das ist der Titel des neuen Buches von Mark Benecke. Er hat es zusammen mit seiner Frau Lydia geschrieben und ein Großteil der Beiträge stammt aus ihrer Feder.

Genau das macht die Lektüre für den psychiatrisch/ psychologisch interessierten Leser so interessant, ist Frau Benecke doch eine Psychologin, die sich im Bereich der Persönlichkeitsstörungen und der Perversionen gut auskennt ( ihre Diplomarbeit beschäftigt sich mit dem Phänomen des Sadomasochismus) und die als Therapeutin im Maßregelvollzug mit Tätern arbeitet, die wegen Kindesmissbrauchs verurteilt wurden.

Das Buch bezieht aus diesem Nebeneinander von psychologischer Expertise und nur an harten Fakten orientierter Sichtweise (wie sie Mark Benecke als forensischer Biologe vertritt) seinen Reiz.

Inhaltlich beschäftigt sich der Text in erster Linie mit Serienmördern und anderen strafrechtlich auffälligen Menschen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Versuch, die inneren Beweggründe für die Taten aus dem jeweiligen Lebensweg des Täters zu begreifen.
Ein schwieriges Unterfangen – müssen die Autoren doch die Waage halten zwischen Verständnis für den Täter und Distanz zu dessen Taten. Außerdem haftet dieser Art von Literatur immer der Vorwurf an, vorwiegend Leser anzusprechen, die ausschließlich voyeuristisch an grausigen Details interessiert sind.
An diesen gibt es auch wahrlich nicht wenige. Besonders nahe kommt einem die pathologische Denkweise bei einigen Fällen, in denen der Täter selbst seine Handlungsweisen schildert. Auch das Kapitel über Nekrophilie (Sex mit Toten) ist nichts für Leser mit schwachen Nerven (fairerweise wird im Text deutlich darauf hingewiesen).

Aktuellen Bezug erhält das Buch durch die Darstellung von Fällen aus der jüngeren Vergangenheit (insbesondere das Leben und die Denkweise von Josef Fritzl werden ausführlich dargestellt).

Die Absicht der Autoren, über ein Verstehen auch vordergründig völlig abwegiger Taten eine Prävention zukünftiger Verbrechen durch Früherkennung (und Behandlung) bestimmter Tätermerkmale (eventuell bereits im Kindesalter) zu ermöglichen, erscheint authentisch und sinnvoll.

Wie von Mark Benecke zu erwarten, kommt auch der (trockene) Humor nicht zu kurz. Die Beschreibung der Untersuchung eines Adolf Hitler zugeordneten Schädelfragmentes im Moskauer KGB ist echt schräg. Der Höhepunkt in dieser Richtung aber ist an anderer Stelle sein bereitwilliges Eingehen auf den Vorschlag eines „Mediums“, ihn doch bei Ermittlungen zu unterstützen. Als Test schickt Benecke der wie er sagt „netten Frau“ fünf „Testfälle“ in Form von Tatortbildern, zu denen sie ihre Visionen schildern soll. Das Ergebnis ist … aber das muss man selbst lesen.

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Mark Benecke

Die psychologischen Abhandlungen finde ich durch die Bank lesenswert. Mit einfachen Worten und in einem sehr angenehmen Stil gehalten erfährt gerade der psychiatrisch nicht vorgebildete Leser eine Menge über Narzissmus, antisoziale Persönlichkeit und Psychopathie.

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Lydia Benecke

Bei aller Grausamkeit des gesamten Inhalts war für mich die Darstellung zweier aktueller Kriminalfälle der gruseligste Teil. Nicht etwa wegen der Taten, sondern weil ich mir nach der Lektüre die Frage stellte, wie sicher wir eigentlich sein dürfen, nicht als Unschuldige in die Fänge einer bisweilen schlampig arbeitenden Justiz zu geraten. Benecke bleibt hier fair und beschreibt Hindernisse und Probleme, die bei den Ermittlungsbehörden dazu führen, dass mitunter der Eindruck von Nachlässigkeit, Desinteresse und Schlamperei entsteht. Beruhigend wirkt das indes keinesfalls, eher im Gegenteil.

Wer sich also für die oben geschilderte Mischung aus psychologischer und biologischer Annäherung an den abgründigen Anteil der menschlichen Psyche interessiert, dem sei das Buch durchaus empfohlen.
Wer sich lieber von zum Teil detaillierten Schilderungen grausamer und perverser Verbrechen fernhält – Finger weg!

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Peter Teuschel

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