Erwerbsunfähigkeit ist ein einschneidendes Ereignis. Die EU, so die landläufige Abkürzung, lässt keinerlei berufliche Tätigkeit mehr zu. In keiner gleich wie gearteten Tätigkeit. Damit ist sie weit gravierender als die Arbeitsunfähigkeit („AU“) , die nur für eine gewisse Zeit gilt.
Kann ich wegen einer Grippe nicht in die Arbeit, bin ich arbeitsunfähig. Kann ich wegen einer nicht ausreichend kurierbaren Erkrankung bis auf weiteres gar nicht mehr arbeiten, bin ich erwerbsunfähig.
Eine AU bestätigt der Arzt durch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, auf gut deutsch „Krankschreibung“.
Liegt eine EU vor, so muss der Patient einen Antrag bei der Rentenversicherung stellen, denn anders als beim kurzfristigen Ausfall an der Arbeitsstelle ist für die Frage der Erwerbsfähigkeit die Rentenversicherung zuständig. Der Weg in die EU ist deshalb oft langwierig und in den allermeisten Fällen auch mit einer Begutachtung durch einen von der RV beauftragten Arzt verbunden.
Regelhaft wird die EU zunächst für zwei Jahre festgelegt, dann erfolgt eine Überprüfung. Schließlich kann sich die zugrunde liegende Erkrankung bessern und dann könnte wieder Erwerbsfähigkeit eintreten.
Die Patientin, von der ich erzählen will, hatte eine Teil-Erwerbsminderung zugesprochen bekommen. Das bedeutet, dass die RV eine 50%ige Rente zahlt und die Patientin noch zu 50% erwerbsfähig ist. Bei dieser Variante geht man davon aus, dass ein Patient noch zwischen 3 und 6 Stunden täglich belastbar ist.
So weit, so gut.
Hier der Wortlaut im Bescheid über diese Erwerbsminderungsrente und die Aussicht auf Besserung:
Die Patientin dachte sich nun, gut, vielleicht gelingt es mir ja, mich wieder voll in das Berufsleben zu integrieren und stellte einen so genannten „Antrag auf Teilhabe“. Diese Förderung soll eine Wiedereingliederung in eine berufliche Tätigkeit unterstützen.
Auf diesen Antrag aber bekam sie folgende Auskunft:
Zu gesund für eine dauerhafte Erwerbsminderungsrente, aber zu krank für eine „Teilhabe“ am Berufsleben? Ist die Erwerbsfähigkeit nun zu bessern oder ist sie es nicht?
Klar, es ist anzunehmen, dass die Bescheide von zwei unterschiedlichen Abteilungen innerhalb der Rentenversicherung erlassen wurden.
Es stellt sich aber die Frage: Was ist denn nun die Wahrheit?
Wenn tatsächlich (was ja zu hoffen ist) Aussicht auf Wiederherstellung der beruflichen Belastbarkeit besteht, warum wird dann keine Förderung derselben genehmigt?
Oder andersrum gefragt: Wenn „keine Aussicht auf eine wesentliche Besserung“ der Erwerbsfähigkeit vorliegt, wieso wird die Rente dann zeitlich begrenzt?
Ein echter Hirnverzwirner also.
Die einzig sinnvolle Antwort auf diese Frage lautet: Es wird der Weg gewählt, der am wenigsten kostet. Im Vordergrund steht nicht die medizinische Wahrheit über den Gesundheitszustand der Patientin, sondern die finanzielle Wahrheit, dass die Rentenversicherung ihr Geld lieber auf dem eigenen Konto behält, als sich mit sich selbst abzustimmen, ob nun eine Chance auf Wiederherstellung der Gesundheit besteht oder nicht.
Und jetzt mal ganz unter uns: Die Rentenversicherung ist da nicht alleine, sondern steht mit dieser Einstellung Schulter an Schulter mit Krankenkassen, Krankenversicherungen und Berufsunfähigkeitsversicherungen.
Ich möchte nicht missverstanden werden: Natürlich bin ich absolut der Meinung, dass vor der Inanspruchnahme von Leistungen aus einem Gemeinschaftstopf gründlich geprüft werden muss, ob tatsächlich ein Anspruch auf diese Leistung besteht.
Als Arzt weiß ich aber auch, dass man nicht gleichzeitig zu gesund für eine dauerhafte Rente und zu krank für eine Unterstützung zur Teilhabe am Berufsleben sein kann. Diese gewagte Konstruktion dient nur den finanziellen Interessen der Institution und nicht der Patientin.
Leider ist dies nur ein weiteres Beispiel aus der Serie: Schräglagen im „Gesundheits“wesen und wie sie der Gesundheit der Menschen schaden. Schalten Sie auch nächste Woche wieder ein …
Peter Teuschel
Alles noch verzwirnter als man meinen mag.
Berufsunfähigkeit war bis 2001 automatisch mit 100 %iger Erwerbsunfähigkeit, sprich dauerhafter Arbeitsunfähigkeit gleichgesetzt.
Und dann wurde es echt billig, nur für den Betroffenen nicht.
Mal ganz simple – Würden Sie Ihre Stimme verlieren, wären sie berufsunfähig, aber nie dauerhaft arbeitsunfähig, dennoch durchaus erwerbsgemindert. Ihre Botschaften in die Welt hinaus zu tragen, hängt nicht ausschließlich von Ihren Stimmbändern ab.
Kann man daraus schließen, dass Sie Ihren Broterwerb nicht sichern könnten?
Wenn man heutzutage eine sehr Berufsunfähigkeitsversicherung abschließt, muss man sich darüber im Klaren sein, dass es so etwas im Zeitalter der Digitalisierung und Inklusion nicht gibt.
Es gibt keine Berufe mehr für die man komplett unfähig ist, ohne soziale Teilhabe. Das nennt sich erwerbsgemindert.
Das ist die Krux – seit 2001 mit der Auswirkung in 2021
Auch die Computernetze dienen nur finanziellen Interessen. Sie werden die Erde _unweigerlich_ zerstoeren.
Ohne Förderung und ohne wesentliche Besserung ihres Gesundheitszustandes stehen der Frau 100 Prozent Rente zu, da sie so oder so 100 Prozent Ausfall ihres Einkommens hat.
Da die RV beide Entscheidungen trifft, wäre es interessant zu erfahren, welche Logik denen zugrunde liegt.
Ich würde sie auf eine Entscheidung festnageln, schriftlich mit Angabe von Gesetzestexten.
Ich habe selber die Erfahrung machen müssen, dass es andersherum nicht funktioniert. Und ohne etwas zu tun, passiert auch nichts.
Leider.