Wenn der Amtsarzt drei Mal klingelt …

Die Sueddeutsche berichtet in ihrer Online-Ausgabe von gestern über einen höchst bemerkenswerten Streik.

Angestellte des Europäischen Patentamtes in München gingen auf die Straße, um gegen eine Änderung ihrer Statuten zu protestieren. Aus medizinischer Sicht ist vor allem ein Detail erwähnenswert: In Zukunft soll eine Regelung gelten, die vorsieht, dass im Falle einer Krankschreibung sich der Patient zu bestimmten Kernzeiten (die Rede ist von 10 bis 12 und von 14 bis 16 Uhr) in seiner Wohnung aufhalten muss. Das Amt kann ihm gegebenenfalls einen Arzt schicken, der ihn zuhause untersucht.

Wie die Präsenzpflicht im häuslichen Umfeld ansonsten überprüft werden soll, ist nicht übermittelt. Wahrscheinlich wird es nicht lange dauern, bis ein cleveres Dienstleistungsunternehmen hier tätig werden wird.

Mein Vorschlag: www.Russen-Inkasso.de! Die sind ohnehin unterwegs, um säumige Schuldner sanft darauf hinzuweisen, dass da noch jemand auf Geld wartet. Da können sie doch gleich mal beim Nachbarn klingeln, der heute leider nicht an seinem Arbeitsplatz im EPA ist, weil ihn die Grippe ereilt hat.

Ach ja, begründet wird die Maßnahme damit, dass die Krankenquote im Patentamt um 30% höher ist als in vergleichbaren Institutionen. Der einzig logische Schluss daraus ist natürlich: Die machen doch alle bloß blau!

Wie sich das EPA die 30% höhere Krankenquote erklärt:
„Super, schnell noch dem Arzt den Gelben abgeschwatzt und jetzt ab ins Freibad!“ Bild: pics4U@fotolia.de 

In der Tat ist das Europäische Patentamt eher wie ein Kleinstaat organisiert. Es steht zwar mitten in München, untersteht aber nicht deutschem Recht. Das hat Konsequenzen: Schreibe ich jemanden krank, kann diese AU jederzeit von einem Arzt des EPA überprüft werden. Dessen Einschätzung ist dann für den Mitarbeiter bindend. Auch Atteste von deutschen Ärzten erkennt das Amt nicht an. Aktuell gibt es auch Fälle, in denen die Vertretung durch einen deutschen Anwalt dem Mitarbeiter untersagt wurde.

Trotz ärztlichem Attest, dass eine Befragung ohne Begleitung eines Anwalts des Vertrauens negative gesundheitliche Konsequenzen haben würde, besteht das EPA auf genau dieser Vorgehensweise.

Vielleicht, ja vielleicht hat die 30% höhere Krankenquote in dieser europäischen Einrichtung doch andere Gründe als exzessives Simulantentum der Mitarbeiter.

 

Peter Teuschel

 

P.S. Nein, ich bin nicht der Inhaber von Russen-Inkasso.de und das ist auch keine Werbung für dieses Unternehmen. Es ist einfach eine Assoziation meinerseits.

 

20 Responses
      • Bedeutet in diesem Zusammenhang so viel wie „durch die Gegend ziehen“ und ist offensichtlich ein regionaler Slang für „Party machen gehn“… 😉

        Der Duden sagt, dass „juckeln“ zum einen das unruhige Rutschen eines Kindes auf einem Stuhl beschreibt. (Wir sagen hier dazu „hibbeln“)
        Die Bedeutung des Wortes juckeln kann allerdings auch negativ konnotiert sein:
        Manchmal, wenn sich eine Reise (im Sinne einer Auto- und/oder Zugfahrt) ungewollt besonders lang und aufwendig gestaltet hat, sagt man hier auch:
        „Man… war das ne Juckelei“ oder auch schon bevor es los geht: „Ich hab keinen Bock drauf da ewig durch die Gegend zu juckeln“.
        Der Duden kennt diese Bedeutung auch. Gucken Sie: http://www.duden.de/rechtschreibung/juckeln

  1. Das Russen-Inkasso gibt mir zu denken, weil es diese Website ja wirklich gibt.
    Mal sehen, ob ich jetzt von denen per Newsletter angeschrieben werde.
    Die klingen irgendwie nicht sehr freundlich.

  2. Der Verfall der Menschenwürde ist sensationell dokumentiert hier! Die hierarchischen Unternehmen, insbes. Ämter, Behörden, Sozialversicherung, Krankenanstalten etc. spucken Mobbingopfer reihenweise aus.. Es wundert mich nicht mehr, dass es so viele psychiatrische Pensionsfälle gibt… Und es liegt mEn auf der Hand, wo die gezüchtet werden…
    Das Fazit aus 7 Monaten Selbsthilfegruppe:

    http://www.selbsthilfegruppe-mobbing-graz.at/f%C3%BCr-innerbetriebliche-anlaufstellen/

    Und in D scheint das Gleiche stattzufinden, wenn man die tolle Krankenstandspräventionstaktik verfolgt… MEIN GOTT – wie dämlich können Führungskräfte überhaupt sein??

    Beste Grüße aus Graz!
    Eva http://www.selbsthilfegruppe-mobbing-graz.at

    • Ich fürchte, es geht nicht so sehr um Dämlichkeit, sondern um Berechnung.
      Dass diese Rechnung letzten Endes nicht aufgeht, sondern viele Menschen ruiniert und dem Unternehmen schadet, steht auf einem anderen Blatt. Leider wurde dieses Blatt verlegt und fließt damit nicht in die Überlegungen mit ein.

      • Wahrscheinlich haben Sie (wieder mal) recht…
        Es ist so grausam, sich vorzustellen, dass Menschen MIT BERECHNUNG so handeln, dass es einfach leichter ist, sich vorzustellen, sie seinen zu blöd… Ich werde es NIE verstehen, was Menschen „davon haben“, so zu sein. Offenbar muss Macht so grenzgenial herrlich sein.. und damit Menschen fertigmachen zu können (unsanktioniert)… ich kann es nicht begreifen und nachvollziehen. Wahrscheinlich hab ich nen Gen-Defekt. Das Machtmissbrauchs-Lustgen hab ich nicht. Warum haben es SO VIELE???????
        Verstehen Sie das???

  3. Also – jetzt hab ich mir die RUSSEN INKASSO Seite angesehen… puhhhh da kann man ja wirklich Angst kriegen… Welche Methoden die haben… möchte ich lieber nicht wissen….. Hallelujahhh

  4. In dem Buch „Ghostwriter“, welches ich gerade lese, es ist ein Politkrimi, sagt der ehemalige britische Außenminister: „Die Macht laugt einen nicht aus. Wenn man keine mehr hat, das laugt einen aus.“ In Bezug auf Mobbing von Vorgesetzten verstehe ich das so, das ein kurzfristiger Machtgewinn über einen Schwächeren, eine kurzfristige Entlastung von Dingen schafft, gegenüber der man sich ansonsten Machtlos fühlt.

  5. Liebe Frau Ruth!
    1000 Dank – das ist genial geschrieben! Ihre Worte würde ich gerne auf meine SHG-Mobbing-Seite stellen.. Das… kann ich nachvollziehen! Und bissl besser verstehen! Es ist nur.. ich fühl mich auch oft ohnmächtig, hilflos und machtlos… Aber… ich geniess es trotzdem net, andere fertigzumachen… Aber.. vlt. ist der einzige Unterschied zu anderen Menschen bzw. zu Machtausübern, dass ihnen ein großes Stück vom Empathie-Gen fehlt… Und da bin ich schon froh, dass ich davon bissl was mitgekriegt hab vom/von der lieben Gott/Göttin. Wenn ich mir vorstelle, anderen weh zu tun, tuts mir im Herzen weh…

    • Liebe Eva,
      es freut mich für Sie, wenn Sie meinen Beitrag gerne auf Ihre HP stellen möchten. Gerne!
      Das Zitat jedoch ist aus dem Buch „Ghostwriter“. Dort wurde es dem Thema endsprechend in einem ähnlichen Zusammenhang verwendet. Nämlich Politiker und ihre Folteropfer im sogenannten Kampf gegen den Terror. Beim lesen komme ich nicht umhin, an den ehemaligen britishen Premierminister an Tony Blair zu denken, auch wenn das im Buch nirgendwo steht. Der hat oder hatte doch auch mal was mit einer Anklage in
      Den Haag wegen eines Kriegsverbrechens am Hals! Oder?
      Liebe Grüße nach Graz! Sicherlich eine schöne Stadt, vielleicht komme ich Graz mal besuchen, Ruth

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