Übers Kopfschütteln

Nachdem ich im letzten Beitrag über das Händeschütteln geschrieben habe, ist es ruhig geworden im Blog. Das hat nichts mit diesem Thema zu tun, zu dem ich online und offline (nämlich in der Praxis) eine Menge Feedback bekommen habe. Schuld am Schweigen des Blogs bin nur ich, weil ich nichts mehr geschrieben habe.

Wie konnte es dazu kommen?

Ich fürchte, ich war zu beschäftigt. Nicht mit der Praxis oder sonstigen beruflichen wie privaten Aktivitäten, sondern mit Kopfschütteln. (Ich verkneife mir alle Wortspiele zum Hände- oder Kopfschütteln, obwohl ich einige im Kopf hätte und damit ganz nahe an einem Thema wäre, um das es hier geht.)

Die letzte Periode, die ich intensiv mit Kopfschütteln verbracht habe, war die Zeit, als in Deutschland die große Irrationalität Einzug hielt mit Neo-Druiden, Flacherdlern und anderen Verweigerern einer aufgeklärten und wissenschaftszugewandten Denk- und Lebensweise. Es ist erst ein paar Jahre her und damals habe ich den Blog „Die Erde ist keine Scheibe“ ins Leben gerufen, einen Mehrautoren-Blog, der sich zum Ziel gesetzt hatte, eben diesen irrationalen und unerklärlich rückwärtsgewandten Standpunkten (denn Bewegung kann ich hier nicht erkennen) die Stirn respektive die Schreibe zu bieten. Der Blog schläft mittlerweile tief und fest und ist von mir vom Netz genommen worden, weil jeder der Autorinnen und Autoren seinen eigenen Weg gegangen ist. Mit einigen bin ich noch virtuell verbunden, andere habe ich aus den Augen verloren, aber ich denke oft und voller Wärme an alle.

Worüber schüttle ich jetzt den Kopf?

  • Über Menschen in Deutschland, die sich allen Ernstes einer Partei zuwenden, die vom Deutschen Institut für Menschenrechte als „rassistisch“ und „rechtsextrem“ bezeichnet wird. So dumm, das als „Protestwahl“ zu sehen, sollte sich niemand stellen. Was sich hinter dem Begriff „Protestwahl“ wirklich verbirgt an verkniffenen und revanchistischen Motiven deutscher Gekränktheit, würde einen eigenen Beitrag, ach was, ein ganzes Buch füllen.
  • Über Menschen in den USA, die einen ersichtlich schwer auffälligen Menschen, der von einer Gerichtsverhandlung gegen ihn in die nächste stolpert und menschliche Eigenschaften in sich vereint, mit denen man nichts zu tun haben will, die also einen solchen Mann zu ihrem Staatsoberhaupt wählen wollen.
  • Über die Zersplitterung von Teilen unserer ehemals toleranten und werteoffenen Gesellschaft in lauter kleine Gemeinschaften, die sich für mich mal mehr wie religiöse, mal mehr wie kleinstaatliche Einheiten anfühlen. Denen als Gemeinsamkeit nur zwei Dinge bleiben: (Wieder mal) Gekränktheit und Humorlosigkeit.

Kopfschütteln, schön und gut. Aber das hat auch etwas von sich Abwenden, sich Rausnehmen, sich Zurückziehen. „Er wandte sich kopfschüttelnd ab“ ist zwar keine gute, aber nicht ganz so seltene Formulierung in mancher Prosa.

Kopfschütteln hat auch bei mir zu einer Art Sprachlosigkeit geführt.

Dann habe ich an Peter Schellenbaum gedacht. Der leider 2018 verstorbene Psychoanalytiker und Autor hat sowohl in meinem Hirn als auch in meinem Herzen eine Bank, auf der sein Name steht. Er hat in seiner psychotherapeutischen Praxis eine Methode entwickelt, bei der er seine Patienten auffordert, kleine körperliche Bewegungen, die als psychomotorischer Ausdruck seelischer Bewegtheit angesehen werden, aktiv und bewusst zu verstärken. Ich dachte mir also, was würde rauskommen, wenn ich mein Kopfschütteln im Schellenbaumschen Sinne deutlich verstärken würde? Versuchen Sie es!

Eben. Es wird ein heftiges und entschlossenes NEIN! daraus.

Das hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht ist es doch wichtig, vom Schütteln wieder zum Schreiben zu kommen.

Okay, ohne „vielleicht“.

Ich will nicht, dass rassistische, antisemitische und faschistische Menschen an die Macht kommen.

Ich will mir meine in jungen Jahren erworbene Achtung vor den USA als fortschrittliche und verlässliche Nation nicht durch Trump und seine Wähler zerstören lassen.

Ich will nicht in einem Land zunehmender Intoleranz und Humorlosigkeit leben.

Ich schreibe wieder mehr.

Peter Teuschel

Bild „Eiffel unchained“ © Peter Teuschel

3 Responses
  1. Kann Ihnen das Kopfschütteln bestens nachfühlen. Doch bevor ein Schleudertrauma draus resultiert, ist Schreiben allemal gesünder. Und zudem sichtbarer. So können andere, gleichgesinnte Kopfschüttler dann beim Lesen Ihres Blogbeitrags nämlich heftig nicken – eine wohltuende Ausgleichsbewegung zu all dem verneinenden Geschüttel.
    Bitte schreiben Sie wieder mehr!

  2. So ist mittlerweile zu fürchten, mit so manchen Menschen näher ins Gespräch zu kommen. Was dann zu Tage tritt : für selbstverständlich gehaltene humanitäre Haltung ist oft keine Selbstverständlichkeit. Da habe ich doch auch die Tendenz zum Rückzug von der “ Menschheit „. Doch gleichzeitig sehe ich die Verantwortung was dagegen zu tun. Bloß WAS ?

  3. Über gewisse Dinge läßt sich keine Witze machen, mir bleibt da jedenfalls das Lachen im Hals stecken…und was die USA veranstalten ist alles andere als tolerant und menschenfreundlich. Vielleicht war alles nur Fassade, was uns jahrzehntelang vorgespielt wurde. Nein, ich streiche das „vielleicht“!

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