Rationalität und Hoffnung in der Corona-Krise

Es ist ja schon fast sprichwörtlich, dass in schlechten Zeiten das Wesen des Menschen klarer hervortritt. Ob das immer so stimmt, sei mal dahingestellt, aber in den letzten Wochen und Monaten bin ich über die in meinen Augen beachtliche Wandlung zweier Politiker erstaunt. Und noch mehr über mich, dass ich über beide etwas Positives schreibe.

Vielleicht ist es ja auch keine Wandlung, sondern eine Umgewichtung. Ein stärkeres Hervortreten von Gutem und ein Zurückweichen von Schlechtem. Wobei, das ist mir klar, auch diese Wertung überaus subjektiv ist.

Glücklicherweise betrifft diese Neubewertung zwei Politiker aus unterschiedlichen „Lagern“, so dass mir der Vorwurf einer parteipolitischen Positionierung hoffentlich erspart bleiben wird.

Die Rede ist von Karl Lauterbach (SPD) und Markus Söder (CSU).

Mit beiden konnte ich früher nicht so richtig etwas anfangen. Lauterbach war zu Zeiten der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt eine ausgesprochene „Reizfigur“ für viele Niedergelassene. Irgendwie wurde es dann stiller um ihn, bis er jetzt in der Corona-Krise zu großer Form aufläuft. Folgt man Karl Lauterbach auf Twitter, so findet man seit Beginn der Pandemie sehr konsistent eine Einstellung, die sich durch die Formulierung unbequemer, aber sehr rationaler und begründeter Standpunkte auszeichnet. Unbequem, weil er von Beginn an die Gefährlichkeit dieses Virus, die Dauer der Pandemie und die daraus resultierenden Konsequenzen thematisiert hat. Das wollen viele nicht hören, die sich lieber vormachen, der Spuk wäre schnell vorbei. Spätestens seit der zweiten Welle wissen wir, dass Lauterbach mit vielem, was er schreibt, Recht hatte und hat.

Diese Rationalität und die Bereitschaft, bar jeder Schwurbelei Klartext zu reden, gefällt mir und ich bin froh, dass er sich zu Wort meldet.

Bei Markus Söder war es ähnlich. Zwar hatte er in der oben erwähnten Periode von Frau Schmidts Reformen des Gesundheitswesens ein offenes Ohr für uns Ärzte hier in Bayern, aber so richtig Unterstützung kam dann doch nicht von ihm. So ein „Typisch Politiker“-Gefühl bin ich bei ihm nie losgeworden. Dann kam die Pandemie und mit ihr ein „Söder unchained“-Moment, durch den er sich schlagartig bundesweit als Führungspolitiker profilierte. Darüber ist schon viel geschrieben worden, aber mir geht es hier um etwas anderes:

Ganz aktuell hat Markus Söder in Aussicht gestellt, es könnte in Bayern einen „Kulturfrühling“ geben mit einem großen Angebot dezentral stattfindender kultureller Ereignisse. Wir werden noch sehen, ob das tatsächlich klappt.

Aber alleine dieses Wort: Kulturfrühling!

Ausgesprochen in einer Zeit des kalten, grauen und nebligen Novembers, des gerade erfolgten zweiten Lockdowns, der allgemeinen Corona-Müdigkeit und wirtschaftlicher Sorgen. Wie politisch genial ist das denn, mit so einem Ausdruck einen Gegenpol zu all dem zu setzen. In meinen Augen eine unglaublich geschickte Formulierung, die vor allem eins in diese trübe Tristesse bringt: Hoffnung.

Hoffnung auf Frühling, Sonne, Vogelgezwitscher und auf Kultur, Zusammensein, Themen jenseits des Alltäglichen.

Für mich sind diese Standpunkte von Karl Lauterbach und Markus Söder genau die Mischung, die wir jetzt brauchen: Rationalität, Klarheit, Konsequenz auf der einen Seite und Hoffnung, Vorfreude und Zuversicht auf der anderen.

Peter Teuschel

Bild ©Peter Teuschel

3 Responses
  1. Lieber Dr Teuschel,
    Vielen Dank für den wunderschönen Beitrag.
    Da Sie so wohlwollend für Herrn Lauterbach gesprochen haben frage ich mich, ob sie auch für die BürgerVersicherung sind. Ich dachte immer diese wäre für Praxen eher nachteilig.
    Unabhängig davon, ein aufmunternder Beitrag in grauen Zeiten 🙂

  2. Lieber Herr Dr. Teuschel,

    es ist immer schwierig, an ständig meckernden Menschen eine prophezeihende Weitsicht wahrzunehmen, zuzulassen und sich einzugestehen, dass einem diese gefehlt hat, geschweige denn, sich an ihnen verantwortungsvoll zu orientieren.

    Ich glaube schon an einen großen Funken Wahrheit des Satzes von Helmut Schmidt: „Charakter zeigt sich in der Krise.“.

    Ob man sie nun mag, oder nicht, vorher anders bewertet hat, oder nicht, nicht jeder kurzfristigen Meinungen konnte oder wollte.

    Ich bin kein Fan von Markus Söder per se, von Karl Lauterbach schon.
    Aufrichtigkeit und logische Argumente sich unschlagbar in Zeiten, in denen sich Menschen nach (Fake)Informationen mit und ohne Beweisen suchen, um sich selbst zu beruhigen und das Große Ganze neben sich nicht akzeptieren wollen.

    P.S. Auch Ihr Blog ist immer eine transportable, faktenreiche Hoffnung und Zuversicht für mich.

    LG Sophie

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