Breivik und Manson – ein Vergleich

Zugegeben – viel haben Anders Behring Breivik und Charles Manson auf den ersten Blick nicht gemeinsam.

Der eine steht derzeit wegen des Mordes von 77 Menschen in Norwegen vor Gericht. Der andere wurde 1971 in Los Angeles zum Tode verurteilt. Ein Mord konnte ihm nicht nachgewiesen werden, wohl aber die Anstiftung dazu.

Beide Prozesse haben in ihrem Land und auch weltweit größtes Medieninteresse hervorgerufen. Die Verhandlung gegen Manson war das bis zu diesem Zeitpunkt längste Strafverfahren in der Geschichte der USA.
10 Monate nachdem er zum Tode verurteilt wurde, kam es zur Abschaffung der Todesstrafe in Kalifornien, so dass seine Strafe in lebenslange Haft umgewandelt wurde. 6 Jahre später wurde die Todesstrafe wieder eingeführt. Manson hat Glück, dass er noch am Leben ist.
Der Breivik-Prozess belastet Norwegen bereits jetzt bis an die Grenze des Erträglichen, vor allem durch die unerschütterliche Sthenik des Angeklagten, der unbeirrt seine kruden Thesen zum Besten gibt, begünstigt durch ein Rechtssystem, das (zu Recht) stolz darauf ist, auch dem Angeklagten Raum zu geben, ausführlich zu sprechen.

Die Biographie der beiden zeigt kaum Gemeinsamkeiten. Wähend Breivik einigermaßen angepasst lebte, wurde Manson früh straffällig. Breivik scheint ein Einzelgänger zu sein, sieht man von seinen Mitgliedschaften in diversen Freimaurerlogen und ähnlichen Gruppierungen ab. Er ist wohl einigermaßen intelligent, besuchte das Gymnasium und war früh bemüht, sich selbständig zu machen.
Manson dagegen war extrem ungebildet, primitiv, drogensüchtig und gewalttätig, bekam aber durch seine charismatische Art auf seltsame Weise Zugang zu vielen Menschen.

Breivik ist, soweit man es heute beurteilen kann, ein Einzeltäter, der schon fast autistisch in der Planung seiner Tat aufging.
Manson scharte eine immer größere Gruppe von Frauen und Männer um sich, die er schließlich „the family“ nannte. Für sie war er Guru und Prophet, sie folgten ihm mit blindem Gehorsam, auf sein Geheiß hin mordeten sie. Prominentestes Opfer war Sharon Tate, die zur Tatzeit schwangere Ehefrau von Roman Polanski.

Bei allen Unterschieden finden sich Gemeinsamkeiten in der Ausgestaltung der paranoiden Denkinhalte beider Täter.

Bei Breivik ist es die Überzeugung, dass Norwegen von einer zunehmenden Islamisierung bedroht sei. Außerdem gab er in seinem mehr als 1000 Seiten langen „Manifest“ auch an, dass „Kulturmarxisten“und „kapitalistische Globalisten“ eine Bedrohung für Europa darstellen würden.
Charles Manson hatte ähnlich geartete Überzeugungen. Für ihn stand fest, dass 1969 eine Revolte der Afroamerikaner bevorstand, die zu schweren Rassenunruhen und mehreren Morden in reichen Villenvierteln weißer Amerikaner führen würden. In seiner Vorstellung würden diese Unruhen zu einer Ausrottung aller weißen Amerikaner führen. Schutz würden nur diejenigen finden, die sich ihm anschlossen. Nachdem „die Schwarzen“ ihm nichts würden anhaben können, würden sie ihn zu ihrem Anführer wählen. Um die Zeit der Rassenunruhen zu überstehen, würde er seine Anhänger in eine riesige Höhle unter dem „death valley“ führen. Dort würden dann alle Überlebenden von Jesus und den vier Beatles in Empfang genommen werden.

Die Parallelen in der wahnhaften Denkweise Breiviks und Mansons bestehen in einer Komponente grandiosen Verfolgungswahns Im Sinne einer nationalen Gefährdung durch bestimmte ethnische Gruppen sowie einer dazu passenden Komponente von Größenwahn, dass nämlich die Rettung der gesamten Nation (bzw. der „weißen Rasse“ bei Manson) Aufgabe des jeweiligen Täters sei.

So sieht sich Breivik bis heute im Recht und lässt seinen Anwalt auf Freispruch plädieren mit der Begründung, er habe „in Notwehr gehandelt“, um sein Land vor dem Untergang zu bewahren.
Mansons schwer wiederzugebende Begründung seiner Taten ist voller pseudopsychologischer Versatzstücke (siehe http://tinyurl.com/7gpqwb9).  Er scheint mir in seiner Pathologie deutlich konfuser und wirrer zu sein als Breivik, der ein systematisierteres und dadurch geordneteres Wahnsystem aufweist.

Die schillernde und widersprüchliche Persönlichkeit der beiden Angeklagten gab und gibt Raum für vielfältige Spekulationen und bizarre Verehrungen. Manson hat einen regelrechten Kult ausgelöst, er taucht auf T-Shirts und Buttons auf, Bücher und Filme wurden über ihn geschrieben bzw. gedreht. Der Sänger Marilyn Manson hat seinen Namen adaptiert (und sich den Vornamen von Marilyn Monroe geborgt).

Steht uns das Gleiche auch mit Breivik ins Haus?

Es wird berichtet, dass er Fanpost und Liebesbriefe ins Gefängnis bekommt, unter anderem von Jugendlichen (http://tinyurl.com/6vkk7qw).

Ich wage die Prognose, dass auch er, ähnlich wie Charles Manson, auf eine bizarre und schwer nachvollziehbare Weise Kultstatus erlangen könnte.
Die unfassbare Dimension seiner Taten in Zusammenhang mit der Unerschütterlichkeit seines Auftretens sichert ihm schon jetzt eine mediale Hinwendung, die sicherlich in seinem Sinne sein dürfte.

Charles Manson und Anders Breivik hatten und haben unsere Aufmerksamkeit.

Auf eine gewisse Weise haben sie damit ihr Ziel erreicht – ob es uns gefällt oder nicht.

 

Peter Teuschel

 

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