Gänsebraten, Igel, Schampus

Heute stand mal wieder eine Meldung in der Presse, dass Stefan Schwartze, der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, sich scharf gegen IGEL-Angebote in den Arztpraxen ausgesprochen hat.

Dem Nachrichtenportal web.de News gegenüber meinte er, viele dieser Angebote seien „nicht evidenzbasiert, also aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht nicht notwendig“. Und weiter: „Viele dieser Leistungen sind ganz einfach unnütz“.

Nun bin ich der letzte, der unlautere Methoden in Arztpraxen verteidigen oder rechtfertigen möchte. In unserer Praxis bieten wir auch keine individuellen Gesundheitsleistungen an.

Wo er gleich mal dabei war, hat Schwartze auch den Online-Zugang zu Arztpraxen kritisiert. Man müsse auch ohne Internet einen Termin beim Arzt bekommen. Im selben Atemzug kam natürlich auch wieder die Kritik an einer unterschiedlichen Terminvergabe für Privatpatienten und gesetzlich Krankenversicherte.

So ein Rundumschlag zwischen den Jahren ist beste Politikertradition. Und Stefan Schwartze ist Berufspolitiker. Gelernt hat er Verwaltungswirt, eine medizinische Kompetenz lässt sich also nicht erkennen. Muss er auch nicht haben, schließlich ist er nicht im Gesundheitswesen tätig, sondern wird dafür bezahlt, es zu kritisieren. Aber auch das ist nicht ganz korrekt, in letzter Konsequenz soll er für Patientensicherheit sorgen.

Und vor diesem Hintergrund frage ich mich schon: Wenn jemand am Patientenwohl interessiert ist, wieso setzt er dann mit seiner Kritik in einem hoch regulierten System wie der ambulanten Medizin an?

Die Regulierung bei den Ärzten ist mannigfaltig:

  • Approbationsordnung
  • Facharzt-Weiterbildung
  • Leitlinien, Haftungsrecht, Qualitätssicherung
  • Kammeraufsicht und Sanktionen

Es gibt andere Gebiete, die das Patientenwohl weit eher gefährden können. Wie wäre es zum Beispiel mit Heilpraktikern:

  • keine standardisierte Ausbildung
  • keine evidenzbasierte Verpflichtung
  • Überprüfung dient primär der Gefahrenabwehr, nicht der Kompetenz
  • kaum systematische Qualitätskontrolle

Natürlich ist das ein alter Hut und ich möchte mich nicht als Whataboutist betätigen. Aber was motiviert den Patientenbeauftragten, mit seiner Kritik an einem streng kontrollierten Bereich anzusetzen, während er einen strukturell unkontrollierten vergleichsweise schont?

Antwort: Es ist einfach bequemer. Ärztebashing ist seit jeher gute politische Sitte, Ärzte sind institutionell erreichbar, während Heilpraktiker mit ihem Narrativ von „sanfter“ Medizin eine hohe emotionale Zustimmung in der Bevölkerung genießen. Und Vorsicht: Da sitzen jede Menge Wählerinnen und Wähler beim Heilpraktiker.

Klar, unter dem Strich ist es natürlich viel risikoärmer, Kritik an Ärzten als an Heilpraktikern zu äußern.

Auch wenn das nichts, aber auch gar nichts mit dem Motiv des Patientenwohls zu tun hat, zu tun haben kann.

Ich verstehe es ja irgendwie, zwischen den Jahren, zwischen Weihnachtsbraten an Heiligabend und Schampus an Silvester, da muss man es sich nicht übermäßig schwer machen.

Auch wenn das der Job an sich verlangen würde.

Peter Teuschel

P.S. Soweit in diesem Text aus Gründen der besseren Lesbarkeit die männliche Form verwendet wird, sind damit ausdrücklich alle Geschlechter gemeint.

4 Responses
  1. IST Ihnen hoch anzurechnen. lieber Herr Dr. TEUSCHEL, dass Sie sich auch im Urlaub.zwischen den Jahren Gedanken machen über das Wohlergehen der Patienten…
    MS

  2. Sehr geehrter Herr Dr. Teuschel, vielen Dank für Ihre Nachricht. Bei diesem Thema kann ich nicht mitreden, verstehe nichts davon. LG von KK

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