Wie man in 90 Sekunden alles dicht macht

Karl Valentin wird das Zitat zugeschrieben, dass „alles schon gesagt“ sei, aber eben „nicht von jedem“. In diesem Sinne möchte ich nun doch auch noch meine Gedanken teilen zu #allesdichtmachen.

Die Aktion, an der sich eine ganze Herde Schauspielerinnen und Schauspieler beteiligt haben, wird gerade medial zerrissen. Und gefeiert. Letzteres von der AfD und der Querdenkerszene.

Der Diskurs entzündet sich an mehreren Brandherden: Vom „Bedienen verschwörungstheoretischer Narrative“ spricht Marina Weisband und das bringt es schon sehr gut auf den Punkt. Verharmlosen der Pandemie und Verhöhnung der Kranken und Toten lautet ein weiterer Vorwurf. Aber in den kurzen Clips sehen viele auch die Arroganz und den Zynismus Privilegierter.

Aktuell laufen gerade mehrere Rückruderaktionen: Heike Makatsch hat ihr Video gelöscht und Jan Josef Liefers in einer „Klarstellung“ auf Facebook und Instagram verkündet, dass er kein Querdenker ist und ganz und gar bei den Notleidenden. Dass er das ganze mit „Punkt“ abschließt, heißt wohl, wir sollen das jetzt gefälligst so akzeptieren.

Wayne Carpendale kritisiert die ganze Aktion (ebenfalls auf Facebook), meint aber, es wäre Quatsch, seine Kollegen jetzt in die Querdenker-Ecke zu stellen.

Aber so einfach ist es nicht.

In der ganzen Pandemie-Diskussion habe ich noch niemanden gesehen, der in eine Ecke gestellt worden wäre, aber sehr viele, die sich erfolgreich dorthin argumentiert haben.

Ich sehe die Sache mehr so geographisch: Zwischen den benachbarten Lagern der Querdenker und Ultrarechten einerseits und dem Lager der Einschränkungsbefürworter andererseits verläuft ein ganz schmaler Landstrich. Ein nahezu unbesiedeltes No-Mans-Land. An manchen Stellen ist dieser Landstrich so schmal, dass man den Bauch einziehen muss, um nicht ins eine oder andere Lager hineinzuragen.

Auf diesem Landstrich ist es möglich, kritisch zu sei, ohne quer zu denken. Man kann hier Zweifel an Regierungsmaßnahmen äußern, ohne antidemokratisch zu sein. Und man kann die Gesundheit und das Leben in unserem Land auf die oberste Stufe stellen, ohne sich als gleichgeschaltetes Schlafschaf zu outen.

Ja, diesen schmalen Streifen Land gibt es, da bin ich überzeugt.

Aber wenn ich dorthin will, darf ich keine „ironischen“ oder „satirischen“ Videos von 1:30 drehen und glauben, ich könnte mich in diesen 90 Sekunden umfassend mit einer so komplexen Sache wie Corona auseinandersetzen. Wer seine Argumente auf 1:30 unterbringt, kommt mir vor wie der Bierdeckel, auf dem Herrn Merz´Steuererklärung steht.

Anders formuliert: Wer als kritisch und differenziert wahrgenommen werden will, sollte sich ein bisschen mehr Zeit nehmen als 90 Sekunden. Die Simplifizierung der Argumente ist nun mal ein Kennzeichen der rechten Szene. Und deshalb sollte ich mich nicht wundern, wenn ich den schmalen Landstrich der Ausgewogenheit bei der Platzierung meines Hudelvideos um mehrere Kilometer verfehle.

Peter Teuschel

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