Trauer? Ihr seid doch alle krank!

Wenn ich so die letzten drei, vier Wochen zurückblicke:

Bei meinem Beitrag für resonanzboden.com zum hashtag #NotJustSad habe ich über eine Patientin berichtet, die noch zehn  Jahre nach dem Tod ihres Mannes dessen Bett bezieht, seinen Schlafanzug faltet und aufs Kissen legt.

Bei meinem Vortrag über „Das schwarze Schaf“ in der evangelischen Stadtakademie München hatte ich Gelegenheit, vor Beginn der Veranstaltung mit dem Hausherrn Michael Kaminski zu plaudern. Er erzählte mir von seinen „Trauerreisen“, mehrtägigen Ausflügen, die er mit Trauernden unternimmt und über die höchst unterschiedliche Art der teilnehmenden Frauen und Männer, mit dem Verlust von Angehörigen umzugehen. Ich berichtete ihm von einer Patientin, die noch jeden Tag den Frühstückstisch für zwei Personen deckt, obwohl der Ehemann schon viele Jahre tot ist.

Mir geht ein anderer Patient durch den Kopf, der seit dem tragischen Tod seiner Ehefrau vor vielen vielen Jahren nie mehr die schwarze Trauerkleidung abgelegt hat. Alle paar Jahre sagt er mir, dass seine tiefe Verbundenheit mit und sein Vertrauen in unsere Praxis vor allem darin begründet ist, dass ich nicht, wie alle anderen um ihn  herum, einschließlich seiner Therapeuten, von ihm verlangt habe, die Trauer zu beenden.

Ich denke an die vielen Patienten, die um verstorbene Haustiere mehr trauern als manch anderer um seine Eltern.

Einige dieser Patienten leiden an einer Depression. Manche durch die Trauer, die ungewöhnliche Ausmaße angenommen hat und sich schließlich zum Vollbild einer Depression entwickelt hat. Andere sind depressiv neben der Trauer, waren es vielleicht vorher schon. Manche dieser Menschen erleben „Trauer“ als etwas sehr gesundes, zum Leben gehörendes und nicht als depressives Symptom. Wieder andere sind nicht krankhaft depressiv, sondern einfach nur traurig. Sie zeigen eine emotionale Reaktion, die nachvollziehbar und normalpsychologisch verstehbar ist.

Trauer oder Depression?

Trauer oder Depression?

Und dann lese ich wieder von der bevorstehenden Einführung des neuen Diagnosesystems DSM V. In diesem zunächst für die USA verpflichtenden Manual werden die Kriterien festgelegt, nach denen psychiatrische Diagnosen vergeben werden.

Für den Fall einer Trauerreaktion sieht das DSM V zwei Wochen vor, die die Grenze zwischen „normaler Trauer“ und krankhafter Depression markieren sollen.

An sich finde ich die Idee, psychiatrische Diagnosen mit durch Studien belegten Kriterien zu verknüpfen, nicht gar so abwegig. Auf der anderen Seite haben wir mit dem Diagnosesystem ICD 9, mit dem ich psychiatrisch „aufgewachsen“ bin, nach meinem Dafürhalten auch keine schlechtere Medizin gemacht. Wir mussten mehr über die Diagnosen diskutieren und ich weiß, dass ich manchen Oberarzt genervt habe, weil ich viel nicht eingesehen habe, über manche Diagnose immer und immer wieder reden wollte, weil eben die Therapie und die Einschätzung der Prognose von dieser Diagnosestellung abhängt.

Heute kann ich mir den Kriterienkatalog von DSM IV bzw. ICD 10 (die aktuelle amerikanische und die deutsche Diagnosen-Klassifikation) auf den Schreibtisch legen und mit Strichliste abhaken, welche Symptome in welchem Zeitraum wie ausgeprägt vorhanden sein müssen, um Diagnose X oder Y zu stellen. Mein Gefühl dabei war nie gut. Ich habe mir oft gesagt, komm, versuch nicht schlauer zu sein als alle Studien und als die Professoren, die diese Kriterien festlegen. Aber es blieb ein Unbehagen, dass das Fach Psychiatrie wegen seiner manchmal wirklich schwer zu fassenden Begrifflichkeiten in die Hände computergestützter Algorithmen fallen könnte.

Manch einer wird vielleicht jetzt an die Sendung Klimbim denken („Opa erzählt vom Krieg“), aber ich habe diese Zeit, als wir von den detaillierten Krankheits-Beschreibungen der alten Psychiater gelernt und uns über Feinheiten der Psychopathologie den Kopf zerbrochen haben, als ehrlicher erlebt. Wir mussten damals zuhören, beobachten, nachfragen und hatten dadurch intensiven Kontakt zu unseren Patienten. Durch die immer erforderliche Diskussion mit Kollegen, Ober- und Chefarzt war Lernen nie Einbahnstraße, sondern auch wir als Assistenten brachten Impulse, die im Sinne der Patienten zur korrekten Diagnose führten. Oder zur ehrlichen Standortbestimmung, dass wir nicht mit letzter Sicherheit sagen konnten, was dem Patienten fehlt.

Heute gaukeln uns die Diagnosekriterien der Klassifikationssysteme eine diagnostische Sicherheit und Trennschärfe vor, die ich oftmals als Augenwischerei erlebe.

Beliebtes Beispiel und von mir gerne zitiert ist die Unmöglichkeit, bei einem Mobbing-Opfer eine posttraumatische Belastungsstörung zu diagnostizieren, weil Mobbing nicht als traumatische Erfahrung gewertet wird.

Was mich wieder zur Trauer bringt.

Was soll die Begrenzung der normalen Trauerreaktion auf zwei Wochen? Das ist himmelschreiender Unsinn und entbehrt jeglicher Grundlage auf der Basis von Lebenserfahrung und Kenntnis des Menschseins. Diese „weichen“ Kriterien werden natürlich von all denen abgetan, die sich ein Weltbild aus Messbarkeit und Kontrolle basteln müssen, um nicht an der permanenten Unsicherheit, die uns in jeder Minute unseres Lebens umgibt, zu verzweifeln.

Dieses Kontrollbedürfnis, diese Sucht, Unmessbares in eine Welt von Zahlen, Skalen und Checklisten zu pressen, beherrscht ohnehin weite Bereiche des Lebens, allen voran die Arbeitswelt, in der die Menschlichkeit als Faktor eine immer geringere Rolle spielt. In dieser Welt versuchen nun also die Macher der Diagnosesysteme dem Menschen die Länge seiner Trauer dadurch vorzuschreiben, dass sie ihm eine Frist von zwei Wochen setzen. Danach, lieber Trauernder, bist du krank, depressiv, behandlungsbedürftig. Haben diejenigen Recht, die hier einen Einfluss der Pharmaindustrie sehen? Je mehr Trauernde zu Patienten gemacht werden, desto größer der Absatzmarkt für Antidepressiva?

Ich mag an sich Verschwörungstheorien nicht so gerne, aber wenn ich an diese Frage mit dem bewährten „cui bono“ (wem nützt es) herangehe, werde ich schon nachdenklich.

In einer Welt, die dem Psychiater mit tausend Regularien, zehntausend Bestimmungen, Budgets und Regressandrohungen  und hunderttausend kleiner Behinderungen sein Arztleben schwer macht, bin ich nicht bereit, mir nun auch noch unsinnige Diagnosen vorschreiben zu lassen!
Es wird schwer werden, denn an vielen Orten sitzen Kollegen, bis an die Zähne bewaffnet mit eben diesen Skalen, genormten Testbögen und Diagnosekriterien, die nur dazu dienen, Patienten mit einer psychischen Auffälligkeit in ein System zu zwingen, das nicht ihre Behandlung, sondern ihre Kategorisierung im Sinne einer Beherrsch- und Steuerbarkeit zum Zweck hat. Kollegen, die als Gutachter oder sonstige „Entscheidungsträger“ ihr Ansehen und ihre Macht dadurch erwerben, dass sie sich den Mechanismen genormter Diagnosen und präformierter Behandlungsmethoden anpassen und sich dadurch zum Bestandteil eines im Grunde unärztlichen, weil nicht dem Patienten dienenden Systems machen.

Vielleicht sehe ich das alles zu schwarz, zu dramatisch oder bin aus irgendwelchen Gründen geblendet und nicht in der Lage, den Benefit der neuen Diagnosesysteme für den Patienten zu erkennen.

Vielleicht hege ich auch ein zutiefst neurotisches Misstrauen gegenüber Strukturen, die sich vom Wesen des Menschen ab- und der Verwaltung des Menschen zuwenden und sollte an dieser Einstellung arbeiten.

Aber ich glaube das nicht. Mir ist die Psychiatrie als medizinische Disziplin zu wichtig und die Arbeit mit meinen Patienten überzeugt mich jeden Tag davon, dass ich mir gerade wegen der Wichtigkeit einer korrekten Diagnosestellung keinen so grandiosen Blödsinn wie eine auf zwei Wochen begrenzte Trauer vorsetzen lasse.

Den Diagnose-Wechsel von Trauer zu Depression, nur weil zwei Wochen vorüber sind, wird es bei mir definitiv nicht geben.

Peter Teuschel

Foto: © Eric Simard – Fotolia.com

19 Responses
  1. Eine gute Einstellung!!!! Ein Arzt, dem Patienten vertrauen können.

    Über meine ganzen negativen Erfahrungen mit Medizinern und der Rentenversicherung, die mich richtig krank gemacht haben, obwohl ich nur anders war (jetzt treffen die Diagnosen wohl zu, denn ständiges Un- und Missverständnis kann schon viel zerstören und „kränken“), mag ich gar nicht sprechen.

    Ich wünsche mir ganz viele Mediziner mit dieser gesunden Einstellung!!

  2. Warum sind gerade Menschen, die länger als 2 Wochen Trauern dann “ Krank „? Entspricht dieses verhalten etwa nicht unserer schönen Gesellschaft ? Oder darf man nicht einmal das mehr zeigen, was man als Mensch dann empfindet ?
    Im diesem Sinne, wäre ich lieber Psychisch Krank, als das ich aufhören würde zu Trauern.

  3. Ja, die gute alte Zeit war manchmal wirklich gut – und ist es in ländlichen Gegenden immer noch. Das Trauerjahr hatte sich bewährt: ein halbes Jahr schwarz gekleidet, ein halbes Jahr „halbschwarz“ – und jeder wußte, daß auf den betreffenden Menschen Rücksicht zu nehmen ist. Interessant, daß gerade der Brauch des sich Mitteilens, des offenkundig Machens seiner Gefühle aus der Mode gekommen ist – in dieser unserer Zeit mit einer fast (?) exhibitionistischen Zur-Schau-Stellung unserer Emotionalität, in der dialogische Sätze ohne emotionale Überfrachtung schon als minderwertig gelten, den Aussprechenden in den Verdacht bringen, er sei ein Gefühlskrüppel.
    Wenn zu mir das erste Mal ein Patient (womit ich – Gender-inkorrekt – immer noch auch Frauen meine) kommt, und der hatte schon ausgiebige Psychotherapien hinter sich, dann tue ich mich manchmal schwer, nüchterne Anamnese-Fakten zu erhalten, nach all der wertenden Psychotherapie-Verbogenheit, die derjenige hinter sich hat.
    Und nun also: Krank ist, wer länger als zwei Wochen trauert. Wer hat’s erfunden? Die US-Psychotherapeuten. Vordergründig könnte man sich fragen, ob nicht die krank sind. Aber nein, die Wahrheit lautet: Die sind nicht krank – sondern berechnend geldgierig. Motto. Wir definieren uns mal mehr Kunden für unser Geschäft. Das wird übrigens schöne Erfolgserlebnisse geben: Die Trauer verflüchtigt sich bei den meisten irgendwann einmal – bloß handelt es sich dann natürlich nicht um den normalen Verlauf der Dinge, sondern einen therapeutischen Effekt. Bravo!
    Für uns in Deutschland ist die Sache freilich irrelevant: Bei den hiesigen Wartezeiten auf einen Therapieplatz dürften sich die meisten Trauerreaktionen erledigt haben, bis die Erstvorstellung stattfindet – und bei den restlichen Individuen liegt vielleicht wirklich eine abnorme Trauerreaktion vor.

    http://blog.krankes-gesundheitssystem.com

    • „Wir definieren uns mehr Kunden für unser Geschäft“ bringt das ganz gut auf den Punkt. Wobei wir in der Praxis (immerhin zwei Fachärzte und zwei Assistentinnen) in diesem Jahr monatelang keinerlei freie Plätze mehr hatten. Wozu also noch mehr Menschen „zum Patienten definieren“?

  4. Danke für Ihren guten Artikel. Glaube, es ist ein Kampf gegen Windmühlenflügel: der Tod gehört einfach nicht zu dieser, unserer Gesellschaft….(soll nicht gehören) er stört nur die Allmachtsphantasien des Menschen, sag ich mal so pessimistisch. Trauern wird als Charakterschwäche ausgelegt….da möchte ich doch vielleicht lieber krank sein, als charakterschwach ???
    Andererseits gibt es auch positive Bewegungen: Trauerzentren, SHGs, Netzwerke…blogs….,
    Diskussion Sterbehilfe…….
    Wir bräuchten Mediziner mit Ihrer Einstellung…aber wo sind die ? Habe in meiner langen „Karriere“ außer Ihnen nur einen Einzigen erlebt.
    Glaube immer noch nicht ganz, dass Sie eine reale Person sind…..bestimmt ein „menschenaffines“ Phantom……mit Psychiatriehintergrund ….trotzdem oder deswegen :
    lieben Dank 😉

    • Hahaha! „Menschenaffines Phantom“ – das ist wirklich klasse! Nein nein, ich bin ein ganz normaler und realer Mensch mit ganz normalen Menschen-Macken. Nur: Ich habe schon eine Vorstellung, wie Menschen miteinander umgehen sollen. Auch und gerade in der Medizin.
      Ihre Einschätzung der Trauer und des Todes als Tabu-Thema teile ich.

  5. Guten Morgen, ein paar Fundstücke zum Thema:

    http://www.trauer.org/

    „Warum bist du depressiv ? Dein Leben ist doch super! “
    ist das gleiche wie „Warum hast du Asthma ? Hier ist doch genug Luft!“

    Im Zustand der Trauer ist man auch, wenn man wortlos vom Partner verlassen wird und es nur noch Schweigen von seiner Seite gibt…….zu Tode schweigen……

  6. Dimitrios Seretis Antworten

    Wieder einmal bin ich fasziniert und begeistert zugleich: hätten wir mehr Psychiater und Therapeuten wie Sie Herr Dr. Teuschel, die sich ihr kritisches und eigenständiges Denken beibehalten haben, so wäre vieles in unserem System (sei es das Gesundheits- oder das ‚Gutachtersystem‘) deutlich besser. Bleiben Sie so wie Sie sind! Ihr Blog ist einfach herzerfrischend und hält meine Hoffnung (bzw. meinen Glauben) an aufrichtige Gutachter und an Ärzte, die tatsächlich noch das Wohl des Patienten (primum non nocere) im Focus haben, am Leben.
    Vielen Dank und weiter so!

  7. Ein Artikel, dessen Hintergrund mich richtig empört. Zwei Wochen, um über den Verlust eines Menschen hinwegzukommen? Selbst meine Katze habe ich länger betrauert.

    Alles hat seine Zeit und für jeden anders. Wichtig ist meiner Meinung nur, dass Trauer den Menschen nicht vom Leben abhält.

  8. Lieber Herr Dr. Teuschel,

    ich möchte Ihnen einfach für Ihre Worte und die Einblicke in Ihre Gedankenwelt als Psychiater zum Thema Diagnosen etc danken!
    Für einen Patienten (hier deute ich Teile meiner Geschichte an) auf der Sinnsuche, auf dem Weg zu sich selbst, verwirrt von vielen (neuen) Dingen, ängstlich, noch kämpfend mit der Diagnose psychisch krank, evtl mit mehreren Diagnosen miteinander verknüpft etc (also kein leichter „Fall“, aber wer ist das schon! 😉 ) … kann es sehr bitter, noch kränker machend sein, schnell in eine Diagnoseschublade gesteckt zu werden!
    Evtl kann das (noch mehr) das Vertrauen in eine Therapie mindern, oder gar zerstören. ..Dabei ist dieses doch so wichtig und kann so heilsam sein…
    Daher bin ich jedem Psychiater und Psychotherapeuten vom Herzen dankbar, der sich Zeit nimmt, nicht sofort eine Schublade auszumachen. ..und den Patienten als Menschen, als mehr als einen Diagnoseschlüssel zu sehen!
    Ich habe meinen Weg gefunden, komme auch mit meinen Diagnosen klar, musste aber auch schon häufiger für mich kämpfen, um nicht in einer dunklen, staubigen, verschlossenen …. oder gar falschen Schublade zu verrotten!!!
    Natürlich muss es wohl gewisse Diagnosekriterien geben. …und natürlich ist es oft kompliziert. ..aber es ist so wertvoll, wenn man als Mensch gesehen wird! 🙂 …

  9. osterhasebiene langnase Antworten

    Na ja, vielleicht ist das jetzt Themaverfehlung, aber dennoch sag ich es: Ich wäre wahnsinnig gerne Psychotherapeut geworden. Ist echt ein Hobby von mir. Doch erstens hatte ich nicht den Abi-Schnitt und zweitens war der Platz schon besetzt durch ein Familienmitglied, das die Trauer zum Beruf gemacht hat – vielleicht gerade deshalb, um der Trauer auszuweichen. Das funktioniert aber leider nicht, da muss der Betroffene schon selber durchgehen, egal wie lange es dauert. Ohne den Tod gibt es auch kein Leben, so ist es nun mal. Wir leben in der Polarität und wer das nicht akzeptiert, der lebt in Fantasia. Als Alternative hab ich dann schwerpunktmäßig psychoanalytische Literaturinterpretation gemacht. War vielleicht im Nachhinein sogar die bessere Wahl. Da lernt man interpretieren und Worte genau anzuschauen und man erkennt, dass der Mensch genau das ist, was er wie sagt bzw. nicht sagt. Und ich glaube, der ist ein wahrer Held, der sich in dieser Welt nicht verbiegen lässt, d.h. in Schubladen einsperren lässt. Das sollten wir alle unterstützen.

  10. dagmar , sternchenmama , Antworten

    Danke herzlich für diesen Artikel, auch wenn er schon vor einiger zeit geschrieben wurde .

    Die, die diese unfassbaren Kriterien festlegen, haben keinerlei Ahnung, wie tiefgreifend Trauer sein kann, wie sehr so ein Schmerz das Leben verändern kann. Die, die diese unfassbaren Kriterien von der zwei-Wochen-Frist festlegen , sollten mal fühlen, wie es verwaisten Eltern geht, die ihr Kind durch Verbrechen, Unfall, Krankheit, Suizid, Fehl- und Frühgeburt verloren haben.

    Da ist ein Jahr noch zu wenig, da braucht es viele jahre , je nachdem , wie auch die betroffenen an sich und ihrer trauer arbeiten, wie sie verarbeiten ( meine erfahrung, je mehr man verdrängt und je mehr weitere lebenskatastrophen, desto länger dauert es , bis man wieder halbwegs lebensfähig ist , das kann sich über jahre hinziehen ) . Nach einem Jahr ist noch alles ganz frisch, der Schmerz fühlt sich an, als sei es gestern gewesen. Je nach Umfeld und Unterstützung kann es bei den betroffenen Eltern sehr viele Jahre dauern, den Tod des eigenen Kindes zu verkraften und zu verarbeiten.. wer da Fristen von wenigen Wochen ansetzt, ist nicht nur unfassbar ignorant , sondern auch einfach völlig herzlos , hat vermutlich selber noch nie irgendwas schlimmeres erlebt . ( man wünscht den Schmerz um den Tod des eigenen Kindes normalerweise nichtmal seinen ärgsten Feinden… aber ich glaube, bei denen, die die Richtlinien für Trauerzeit festlegen und die ICD-Schlüssel festlegen, mache ich glatt mal eine ausnahme … für diverse Bombenwerfer und politiker derzeit auch . )

    Ich habe jetzt nach fast 10 Jahren den Tod meiner Kleinen tochter halbwegs verarbeitet (auch wenn diverse weitere grosse und kleine lebenskatastrophen zu einigem mehrbedarf an trauerverarbeitungszeit geführt haben. ich kann mit dem Schmerz mittlerweile ganz gut leben und wäre mein gesamtes restliches Leben nicht auch aus diversen weiteren gründen total aus den Fugen geraten, ginge es mir noch viel besser, aber mich macht einfach immer wieder fassungslos und mittlerweile auch sehr wütend , dass die meisten Menschen erwarten, dass so ein Schmerz nach wenigen Wochen vorbeisein soll und die betroffenen Eltern wieder normal funktionieren sollen… damit die andern kein Problem mit diesem Leid haben.. aber die Betroffenen haben lebenslänglich .. für sie ist das Alltag, was die andern dann gerne verdrängen .. und nein, nach dem Tod des eigenen Kindes wird nichts mehr, wie es einmal war, auch wenn die verwaisten eltern vielleicht wieder singen, lachen und normalen alltag leben können… dennoch sind sie verändert bis ins tiefste innere , verwundet bis ins mark .. aber das sieht ja keiner, wenn man nicht mehr weint und wie von der gesellschaft eingefordert auch nicht mehr mit den aussenstehenden darüber spricht … die dann denken, alles sei wieder gut, man habe mit „dieser Sache “ abgeschlossen… was würden diese leute tun, wenn man erwarten würde, dass sie mit ihrem kind, ihren eltern, ihren grosseltern, ihrem partner, oder andern geliebten menschen “ abschliessen“, nie wieder über sie reden, nur ja nichts erwähnen, was mit „dieser Sache “ zu tun hat ? wie würden sie sich fühlen, wenn man ihre geliebten menschen wie manche extremfrühchen früher als klinikmüll entsorgen würde , ohne abschied , ohne herz ?

    in unserer und vielen gesellschaften sind zwischenmenschliche grausamkeiten , ignoranz und herzlosigkeit , ablehnung und stigmatisierung von menschen , die anders sind oder zu sein scheinen, leider trauriger alltag. von einer toleranten, menschlichen, herzlichen, freundlichen , hilfsbereiten , wirklich demokratischen gesellschaft , sind wir alle noch viele millionen lichtjahre entfernt .
    jeder einzelne ist gefragt, an sich zu arbeiten, ob er/sie wirklich jeden tag freundlich , fair, hilfsbereit, menschlich, sozialkompetent, gerecht ,wertschätzend mit seinen mitmenschen umgeht .

    leider ist das nur selten der fall, schwächere werden oft ausgegrenzt und gemobbt , egal, ob sie verwaiste eltern sind , krank, unfallopfer, depressiv, adhsler , rollifahrer, geistig behindert, oder sonstige schwachpunkte haben.

    meine erfahrung und die vieler ist bedauerlicherweise , dass man um so mieser behandelt wird, je schlechter es einem geht . leider kann einem das auch mit menschen geschehen, an die man sich hilfesuchend wendet, sogar mit ärzten habe ich solche erfahrungen machen müssen , und das nicht nur einmal ( auch wenn es sehr gute und liebe menschen gibt, aber jeder böse ist einer zuviel ) .

    was tun wir einzelnen denn jeden tag, um diese welt ein wenig besser zu machen ? nur wenn wir vorleben, was wir uns wünschen, können wir hoffentlich was verändern…. wenn nicht andere uns einfach zerstören wollen, weil wir irgendwie anders sind , weil freundlichkeit , ehrlichkeit , offenheit und hilfsbereitschaft als schwäche gedeutet werden, die es zum eigenen vorteil auszunutzen gilt .

    solange kranke , zb mit depris, mcs, ME, und viele andere zb bei ämtern, behörden , gutachtern schon von vornherein unter generalverdacht stehen, sich leistungen erschleichen zu wollen, solange hilfsbereitschaft ausgenutzt wird, vergewaltiger weniger lang ins gefängnis wandern als steuersünder, verbrechensopfer weniger hilfe bekommen als die täter , und nicht mehr fairness unter allen menschen herrscht, solange seh ich schwarz für die menschliche zukunft .

    ps tut mir leid, dass ich auf kleinschreibung umgeschwenkt bin, so tippt es sich leichter , und weil mich die ganze thematik emotional so beschäftigt, werde ich das auch nicht korrigieren

    ja, es gibt zum glück auch viele gute menschen, aber sie sind immer noch in der minderzahl und zu wenige. jeder ist in der pflicht, so zu leben, wie er es auch von andern erwartet, damit die welt und die menschen besser sind. eltern können nicht von ihren kindern verlangen, zb nichtraucher zu sein,wenn sie selber qualmen wie die schlote .

    das gelebte vorbild ist wichtig, aber wo sind weltweit wirklich gute , ethisch und moralisch einwandfreie menschen, die frieden , fairness vorleben ? was sind unsere eltern, politiker, lehrer, promis , freunde, mitmenschen , teilweise für vorbilder ? was ist ihnen wichtig ? humanität oder konsum ?

    warum tun menschen böses an andern , um sich vorteile zu verschaffen , obwohl das böse völlig unnötig wäre und das gewünschte auch auf andern wegen zu erreichen wäre , oft sogar mit weniger aufwand , als die bösen taten erfordern ?

    ich kann es mir nur so erklären, dass manche menschen sogar freude daran haben, das böse zu tun… warum auch immer … was ist mit diesen menschen geschehen, dass sie so sind ? sind sie schon so auf die welt gekommen, oder wurde es ihnen vorgelebt, dass sie nur mit den bösen Taten zu den von ihnen gewünschten vorteilen kommen ?

    ich habe babies und kleinkinder als vertrauensvolle freundliche wesen kennengelernt, wenn man ihnen ebenso entgegenkommt und ich frage mich immer, was geschieht mit ihnen, dass oft regelrechte sadisten aus ihnen werden ? was wird ihnen angetan , dass sie ihr verhalten und ihre freude an bösem kaum noch ändern können , weil es teil ihrer persönlichkeit geworden ist ? war es schon immer in ihnen , oder wurde es ihnen vorgelebt, ihnen zuviel böses zugefügt und nun rächen sie sich einfach an denen, die ihnen grad in den weg kommen ? warum macht es manchen spass, in ihren augen schwächere zu quälen ? warum gilt freundlichkeit und offenheit, wie man sie von kindern kennt, als schwäche, die offensichtlich in unserer gesellschaft ausgemerzt werden soll ?

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