Shitstorm anno ´72

Früher waren die Deutschen ja mal das Land der Dichter und Denker.

Aber das ist lange her und dem Internet sei Dank konnten wir uns aus diesem bedauernswerten Zustand einseitiger Begabungen heraus entwickeln.

Heute sind die Deutschen das Land der umfassenden Weisheit auf allen Gebieten.

Das wiederum hängt damit zusammen, dass wir von Print- und Online-Medien so exakt, korrekt und ausgewogen informiert werden, dass wir Alles auf der Welt einschätzen können und deshalb von Allem eine gleichermaßen ausgewogene wie fundierte Meinung haben. Oder wenn wir tatsächlich mal eine persönliche Erfahrung gemacht haben (irgendwie, irgendwas und irgendwo), dann wissen wir natürlich auch, dass unsere Erfahrung sich locker verallgemeinern lässt, sozusagen die Quintessenz der Weisheit, garniert mit der Einmaligkeit persönlicher Betroffenheit.

So checken wir genau, wie Obama tickt und was in Putins Kopf vorgeht. Wir können die Themen der Globalisierung ebenso sicher beurteilen wie das Klimaproblem. Wir wussten schon vor Beendigung des Prozesses, ob Kachelmann schuldig oder unschuldig war und wir können genau einschätzen, wie es um die geistige Gesundheit von Herrn Mollath steht. Wir sind Politiker, Wissenschaftler, Juristen, Psychiater und Klimaspezialisten in einer Person.

Und weil wir allwissend sind, wollen wir natürlich alle anderen auf dieser Erde daran teilhaben lassen. Da ist das Internet echt cool. Finden sich doch immer ein paar ebenfalls Weise, die ihre geballte Brain-Power dann kanalisieren und zu einem guten Zweck vereinigen.

Besonders wichtig ist das, wenn man einen entdeckt hat, der schuldig ist. Oder unschuldig. Das spielt eigentlich keine Rolle, Hauptsache, wir wissen alle genau Bescheid, wieso, warum und überhaupt.

Nur blöd, dass es immer ein paar gibt, die sich in rückständiger Weise unserer zum Torpedo formierten Weisheit entziehen wollen.

Aber für so was gibts ja jetzt den Shitstorm. Wenn das Argument nicht reicht, machts eben die Masse. Da sind dann schnell ein paar Tausend beieinander, die, dampfend vor Selbst-Überzeugung, in den medialen Krieg ziehen und alle Ungläubigen eines besseren belehren wollen.

Täuschen kann sich diese Masse nicht, dafür sind es einfach zu viele. So ab zwei, drei Tausend hat man immer Recht.

Früher war das mal anders. Da konnte es schon mal vorkommen, dass man daneben gelegen hat, obwohl man sich doch so sicher war.

Aber da hatte so ein Shitstorm eben meist eine geringere Beteiligung. Und wenn das dann auch noch in Österreich war, o mei.

So ein Shitstorm mit einem Flashmob von gerade mal sieben Hanseln (also mehr eine Shit-breeze) ist aus dem Jahre 1972 dokumentiert. Die Damen und Herren lagen damals daneben, einschätzungsmäßig. So von der Beurteilung her. Hom se hoid daischd. Haben sich halt geirrt. Das kann passieren, wenn man nur zu siebt ist. Die wussten halt noch nicht, dass man erst ab ein, zwei Tausend immer Recht hat.

(Sollte jemand des Österreichischen nur unzureichend mächtig sein, hier gibts die Übersetzung ins Deutsche)

 

Peter Teuschel

4 Responses
  1. Mauerblümchen Antworten

    Wo haben Sie denn diese alte Kamelle ausgegraben? 😉

    Der Song mag ja von 1972 sein (boah … da war ich gerademal 13), aber das Video dazu ist jünger.
    Das Gesamtpaket erinnert mich übrigens mehr an Udo Jürgens „Ein ehrenwertes Haus“, was ich mit heuchlerischer Moral verbinde und weniger an einen Vorläufer von Shitstorm.

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