Krankschreibung „wegen Mobbing“ – geht das?

„Können Sie mich wegen Mobbing krankschreiben?“

Diesen Satz höre ich oft in der Praxis. Verständlich, denn arbeitsplatzbezogene Störungen sind alles andere als selten. Natürlich geht es nicht nur um Mobbing, sondern um Stellenabbau, Arbeitsüberlastung, schlechtes Klima am Arbeitsplatz und weitere Themen, die mit der zunehmenden „Entmenschlichung“ vieler Arbeitsplätze zu tun haben.

Aber zurück zur Eingangsfrage. Die Antwort lautet: „Nein!“

Wegen Mobbings kann niemand „krankgeschrieben“ werden. Eine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit setzt voraus, dass eine Erkrankung vorliegt, die aufgrund ihres Schweregrades den Besuch des Arbeitsplatzes unmöglich macht. „Mobbing“ ist aber keine Krankheit. Eine „Krankschreibung“ kann in diesem Zusammenhang deshalb nur wegen einer gesundheitlichen Störung erfolgen, die durch Mobbing hervorgerufen wurde.

Das ist in der Praxis insofern wichtig, als gelegentlich Frauen oder Männer in die Sprechstunde kommen, die über Mobbing am Arbeitsplatz berichten, aber angeben, keine gesundheitlichen Einschränkungen zu haben. Das ist zwar selten, kommt aber tatsächlich vor. Natürlich ist es nicht schön, wenn der Arzt darauf verweisen muss, dass er erst „krankschreiben“ kann, wenn es zu Krankheitssymptomen gekommen ist, aber es ist korrekt.

Und selbst beim Vorliegen manifester Symptome ärgern sich viele Menschen, weil sie argumentieren, dass Sie ohne Mobbing ja nicht krank geworden wären und sie deshalb keine „psychiatrische Diagnose“ bekommen wollen. Das verstehe ich zwar, aber es ändert nichts daran, dass der Arzt Erkrankungen diagnostiziert, behandelt und falls erforderlich, die Arbeitsunfähigkeit attestiert. In diesem ersten Schritt ist es letztlich egal, wodurch die Erkrankungen entstanden sind. Dass für den weiteren Verlauf, die grundlegende Einschätzung der Prognose und die Unterstützung durch Atteste etc. im zweiten Schritt die Bewertung „Mobbing oder nicht“ sehr bedeutsam sein kann, steht außer Frage.

Aber „Krankschreibung wegen Mobbing“ – nein, das geht nicht.

Peter Teuschel

Bild ©Stockfotos-MG – Fotolia.com

 

12 Responses
  1. Ich finde, dass ist ein sehr wichtiges Statement von Ihnen.

    Wenn jemand keine Probleme sprich gesundheitliche Einschränkungen wegen Mobbings („Continuous Form“) hat, wird er mMn. nicht schikaniert.

    Es ist schlimm, dass stetig mehr Anglizismen so inflationär für normale Alltagsprobleme missbraucht werden – vielleicht auch intentiert benutzt – um die wahre Bedeutung, der deutschen und allzu realen, herunterzuspielen und zu verschleiern.

    Harassment wäre eigentlich der richtige Begriff. Denn nicht nur der Mob mobbt.

  2. Recht so! Ich persönlich bin seit in diesem Monat seit zwei Jahrzehnten selbständig. »AU« kenne ich sowieso nicht und hatte diese nicht einmal in meinem Angestellten-Dingsda (und das war auch kein Spaß, von ambulanten OP’s ohne anschließender AU auf meinen Wunsch mal ganz abgesehen – aus reinem Ehrgefühl heraus ganz selbstredend für mich). Jeder Mensch in dieser Gesellschaft ist frei, zu entscheiden, wie er sein Salär rekrutiert. Wenn es nicht passt, ist man frei, etwas anderes zu suchen. Dies ist sinnvoller als andere Mensche für die eigene Frustration in Haftung zu nehmen und sich auf Kosten anderer einen »ganz Ruhigen« zu machen. Ich habe für solche Ansinnen null Verständnis, für die Freiheit, sich eine Auszeit auf eigene Kosten zu nehmen, schon.

  3. osterhasebiene langnase Antworten

    Auch wenn der Arzt die Möglichkeit hätte, Menschen wegen „Mobbing“ krankzuschreiben, wäre das m.E. kontraproduktiv, weil es dem Patienten helfen würde, den Konflikt, der offensichtlich ansteht, zu vermeiden. Durch Mobbing – so unangenehm es ist- bekommt der Mensch auch die Möglichkeit, sich in seiner Differenziertheit und als Individuum weiter zu entwickeln. Er muss selbst eine Entscheidung treffen. So sehe ich das jedenfalls als nicht direkt Betroffener.

  4. Ich finde auch, dass das ein sehr schwieriges Thema ist. Natürlich liegt keine physische Krankheit vor, aber wahrscheinlich eine psychische. Wobei das alles sowieso keine Dauerlösung sein kann. Wenn jemand wirklich so eingeschränkt ist, dann sollte er mal einen Mobbing Anwalt oder generell eine Arbeitsrecht Beratung kontaktieren und herausfinden, was man rechtlich tun kann, damit sich das Problem löst.

    • Die ICD F43.x verschlüsselt Reaktionen auf schwere Belastungen. „Mobbing“ ist keine Krankheit, deshalb kann man deswegen nicht krankgeschrieben werden. Das wäre so, als wenn jemand überfahren wird und als Diagnose „Auto“ bekommt.

  5. @ PETER TEUSCHEL -> Falsches Beispiel:

    Das ist als wird man aufgrund der Folgen eines Autounfalls krankgeschrieben…
    und jeder Arzt schreibt einen krank nachdem man von einem Auto angefahren wurde…

    Wenn man gefragt wird warum man Krankgeschrieben wurde, sagt man dann übrigens auch nicht: „Prellungen und diverse Knochenbrüche“, sondern: Autounfall!

    Niemand sagt dann: „Auto“ … das wäre dumm….

    Ebenso wird man durch die FOLGEN des Mobbings Krankgeschrieben…

    Also JA! Man kann Krankgeschrieben werden, wenn man gemobbt wird!

    Und als Ursache der Krankschreibung darf man dann ruhig sagen: „Mobbing!“

    Ich bin evtl. kein Mediziner, aber dafür Deutschlehrer, und die deutsche Sprache funktioniert nun mal so 😉

    • Nur um hier keine Fehlinformation für Patienten stehen zu lassen wiederhole ich noch mal mein obiges Statement: Der Grund für eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist eine Erkrankung, die in der International Classification of Diseases (ICD) kodiert ist. Eine Erkrankung „Mobbing“ gibt es nicht, deswegen wird auch nie auf einer Krankschreibung „Mobbing“ stehen können.

  6. Ich werde auf der Arbeit gemobbt. Durch Sticheleien und durch manipulatives Verhalten von meinem Chef.

    Das geht soweit, dass ich teilweise einfach auf der Arbeit anfange zu weinen oder es nicht schaffe, eine einfache Mail zu schreiben.

    Kann man sich in so einem Fall krank schreiben lassen?

    • Das klingt nach deutlichen Konzentrationsstörungen sowie nach emotionalen Symptomen. Aus der Ferne ist natürlich keine Diagnose zu stellen, aber ich denke, dass sich hier der Gang zum Facharzt mit dem Ziel, die Arbeitsunfähigkeit bestätigen zu lassen, durchaus lohnen würde. Alles Gute für Sie!

  7. Vielen Dank für den sehr lesenswerten Beitrag und das klare Statement! Grundsätzlich scheint Mobbing auf der Arbeit ein weit verbreitetes Phänomen! Zielführender als einen Krankenschein einzufordern, dürfte es sein sich dem Problem zu stellen. Als hilfreich könnte sich eine Arbeitsrecht Beratung erweisen, um die rechtlichen Möglichkeiten auszuloten. Herzliche Grüsse

    • Eine arbeitsrechtliche Beratung macht in meinen Augen immer Sinn. Sie steht jedoch nicht in Konkurrenz zur „Krankschreibung“, die immer dann sinnvoll ist, wenn das „Sich dem Problem Stellen“ mit einer zu erwartenden Verschlechterung des Gesundheitszustands einhergeht, wie es leider in den allermeisten echten Mobbing-Situationen stattfindet. Also „Hingehen“ statt Schutz der Gesundheit durch Bestätigung der Arbeitsunfähigkeit gibt nach meiner Erfahrung in den meisten Fällen nicht nur keinen Sinn, sondern ist kontraindiziert und gefährlich. Anwalt und Arzt arbeiten hier bestenfalls Hand in Hand, leider aber nicht immer. Siehe dazu auch https://schraeglage.blog/mobbing-wenn-anwalt-und-arzt-nicht-einer-meinung-sind/

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