Krank geschrieben? Lassen Sie mal Ihr Auto checken!

Viel Platz für einen GPS-Tracker

Krankenkassen und Krankenversicherungen haben, so meine Erfahrung aus den letzten Jahren, etwas prinzipiell Misstrauisches. Bei manchen ihrer Versicherten vielleicht auch zu Recht, wenn sie sich Leistungen wie Tagegeldzahlungen erschleichen, ohne richtig krank zu sein.

Gibt´s solche Patienten wirklich?

Meine Antwort (ebenfalls aus der Erfahrung der letzten mehr als zwanzig Jahren Praxistätigkeit): Ja, aber sie sind extrem selten. Es kommt schon mal vor, dass ein Patient versucht, seine Krankschreibung ohne echten Grund etwas auszudehnen, aber die allermeisten lassen sich schnell davon überzeugen, dass das schlicht nicht geht. Und wie gesagt, das kommt sehr selten vor.

Häufig dagegen treffen kranke und krankgeschriebene Patienten auf ein Verhalten der Kasse resp. Versicherung, das die Erkrankung eher noch verschlimmert: Wiederholte Anrufe zuhause, aufgedrückte „Beratungen“, in denen es nur darum geht, die Arbeitsunfähigkeit möglichst schnell zu beenden – zum Wohle der Kasse, nicht des Patienten. Als niedergelassene Ärzte haben wir häufig damit zu tun, solchen Patienten den nötigen Rückhalt zu geben, um im Sinne der eigenen Gesundung dem Ansinnen der Kasse zu widerstehen.

Den Vogel abgeschossen hat jetzt nach einem Bericht des STERN die Gothaer Krankenversicherung. Sie hatte einen ihrer Versicherten, einen Bistro-Betreiber, über ein Detektivbüro beschatten lassen und ihm dann gekündigt. Der Vorwurf lautete, dass der Versicherte trotz Krankschreibung in seinem Bistro bedient habe. Als Beweis wurden 55 Seiten Handybilder, Bewegungsprofile etc. vorgelegt.

Bewegungsprofile? Ja, die Detektei hatte einen GPS-Tracker am Auto des Versicherten angebracht, um ihn lückenlos zu überwachen. Einem Automechaniker, der das Fahrzeug zur Kontrolle in der Werkstatt hatte, war der Tracker aufgefallen.

Das liest sich jetzt wie eine Comic-Ausgabe von James Bond, ist aber so wenig lustig, dass nicht nur die Staatsanwaltschaft gegen das Detektivbüro ermittelt, sondern auch der Datenschutzbeauftragte.

Diese gruselige Geschichte hat für mich zwei Aspekte: Zum einen muss man als Versicherter in so einer Situation stets mit offenen Karten spielen. Ein Arbeitsversuch sollte als solcher auch mit der Versicherung kommuniziert werden. Es macht ja in vielen Fällen Sinn, sich nach einer Erkrankung wieder schrittweise ins Arbeitsleben hineinzutasten. Nur sollte man dann einen Wiedereingliederungsplan erstellen, den der Versicherung vorlegen und sich dann auch daran halten. Der Vorwurf des Betrugs ist dann von vorneherein vom Tisch.

Die andere Seite der Story ist leider, dass ich in sehr vielen Fällen kein Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Krankenkassen bzw. Krankenversicherungen mehr feststellen kann. Gelegentlich habe ich das Gefühl, alle Patienten stehen zunächst mal unter dem generellen Verdacht, Täuscher und Betrüger zu sein. Ich als Arzt, der ja die Arbeitsunfähigkeit feststellt und bescheinigt, gelte unausgesprochen wahlweise als Komplize des Patienten oder als Tölpel, der sich von diesem an der Nase herumführen lässt. In Wirklichkeit bin ich natürlich in erster Linie meinen Patienten verpflichtet, aber selbstverständlich nur auf der Basis eines echten Vertrauensverhältnisses. Dazu gehört auch die Transparenz und das ehrliche Verhalten gegenüber Kassen und Versicherungen. Weder habe ich ein Interesse, mit meinen Patienten in unredlicher Weise gemeinsame Sache zu machen, noch spiele ich mit, wenn mich jemand offensichtlich zu seinem Vorteil instrumentalisieren will. Aber vor allem sehe ich nicht ein, der Kasse resp. Versicherung auf Kosten der Gesundheit des Patienten finanzielle Vorteile zu verschaffen.

Es ginge also auch mit wesentlich mehr Vertrauen. In diesem Punkt sehe ich den schwarzen Peter im Moment vor allem bei den Krankenkassen und -versicherungen.

 

Peter Teuschel

Bild ©  Peter Teuschel

4 Responses
  1. Osterhasebiene Antworten

    Der Krankenkasse traue ich fast alles zu. Willkür sowieso und noch viel mehr. Vertrauen…hahaha! Schlimm ist nur für Patienten, dass sie keinerlei Mitbestimmungsrechte haben. Höchstens können sie noch mit Kassenwechsel drohen, aber ob´s dann besser ist. Kaum. Deshalb hat den schwarzen Peter ganz sicher nicht die Kasse sondern der Patient (oder einfach der Beitragszahler).

  2. Osterhasebiene Antworten

    Ich würde ferner auch nur in Maßen mit offenen Karten spielen, denn dem Patienten wird schnell ein Strick draus gedreht…die ehemaligen Solidarsysteme sind kaputt, jeder nimmt was er kriegen kann. Dem sollte man sich illusionslos stellen, auch das kann heilsam sein – in jeder Hinsicht.

    • Osterhasebiene Antworten

      Mal was persönliches: seit einem halben Jahr Kämpfe ich um die Angleichung meines Kassenbeitrags auf mein Realeinkommen. Ich zahle überproportional viel – derzeit. Keine Chance. Krieg ich dann ja in zwei Jahren wieder zurück, nach Vorlage des entsprechenden Steuerbescheids. Soll ich bis dahin der Kasse oder dem Gesundheitssystem zwangsmäßig mein Geld leihen? Wovon soll ich leben? Egal. Dieses Enteignungssystem muss dringend reformiert werden. Es macht diejenigen krank, die mental nicht stark sind.

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