Islamist oder Irrer: Hauptsache Geschrei

Am 10. Mai 2016 kam es am Bahnhof von Grafing bei München zu einer entsetzlichen Tragödie. Ohne erkennbaren Grund ging ein Mann mit einem Messer auf Fahrgäste los, erstach einen und verletzte drei weitere. Schnell sickerte durch, dass der Täter „Allahu akbar!“ gerufen haben soll. Was folgte, war ein Ausbruch hysterischer Dummheit, sowohl in den dafür sattsam bekannten a-sozialen Netzwerken wie auch in manchen sich selbst immer noch als seriös verkaufenden Medien, sei es nun online oder print.

Schnell war es ausgemachte Sache, dass einer, der „Allahu akbar“ schreit, ein Islamist sein muss. Dann liefen die Assoziationen Amok. Ein Islamist hat ja wohl einen Migrationshintergrund und wer heutzutage migriert, ist einer dieser unberechenbaren Flüchtlinge. Schnell wurde Frau Merkel zum Rücktritt aufgefordert, da ihre Politik natürlich für die Opfer von Grafing verantwortlich sein müsse.

Als kurz danach bekannt wurde, dass der Täter ein Deutscher ist, der „psychische Probleme“ gehabt haben soll und bei der Tat wohl Cannabis im Blut hatte, schwenkte die mediale Schwarm-Debilität um. Während einige Verschwörungstheoretiker der Polizei unterstellten, sie hätte die Identität des Täters gefälscht, um den Frieden im Lande zu garantieren, war für andere klar: Ein „Irrer“ hatte die Tat begangen. Immerhin. Wenn schon kein Islamist, dann ein wahninniger Killer im Drogenrausch. Zur Stunde geht die Meldung durch die Presse, dass der Täter kurz zuvor in psychiatrischer Behandlung war, die Klinik aber wieder verlassen durfte. Ich höre schon das anschwellende Geheul: Warum lässt man solche Irren frei rumlaufen, warum werden die nicht weggesperrt, bevor sie zustechen? Dass wir erst kürzlich über die Probleme der gesetzlich verordneten Freiheitsentziehung bei psychisch Kranken im Fall Mollath diskutiert haben, wen schert das schon?

Man hat dem pöbelnden Mob den Islamisten genommen, jetzt muss es eben ein Irrer sein.

Nicht etwa ein Patient, der an einer Psychose erkrankt ist, der, möglicherweise gesteuert von Wahngedanken oder akustischen Halluzinationen, das Messer zieht und zusticht, der später, wenn die Krankheit abgeklungen ist, mit seiner Tat leben wird müssen. Kein Wort über die Opfer, die völlig zufällig und absolut sinnlos aus ihrem Leben gerissen wurden, tot oder auf Jahre gezeichnet von der traumatischen Erfahrung.

Was einzig zählt, ist der Hype, die sabbernde Erregung, der Widerhall beliebig gewordener Empörung in den Hohlräumen des Schädels: Wo Gehirn sein sollte, ist nur Geschrei.

 

Mad businessman screaming in the office

 

Peter Teuschel

Foto: © Nomad_Soul – Fotolia.de

 

16 Responses
  1. shgmobbinggraz Antworten

    ja, die opfer gehen immer unter….
    egal, in welchem bereich… 🙁
    mein mitgefühl mit den angehörigen, es ist furchtbar, wenn solche dinge passieren, und menschen so sinnlos aus dem leben gerissen werden.
    denn es sind nicht „nur“ die opfer, die verstarben, oder verletzt wurden, sondern für den rest des lebens alle angehörigen, die damit „leben“ müssen, dass ihre liebsten opfer einer blutigen gewalttat wurden.. ich glaube, das ist die schlimmste art zu sterben?

  2. osterhasebiene langnase Antworten

    „Wo Gehirn sein sollte, ist nur Geschrei…“ – das ist gut, sehr gut ausgedrückt! Weil das nämlich alles selber Junkees im Drogenrausch sind. Sie fürchten die Stille wie der Teufel das Weihwasser. Sie fürchten ihre eigene Leere. Also immer auf der Suche nach dem „Stoff“…Was soll man dazu noch sagen?

  3. @Eva Graz: Wenn der Umgang mit der „Wahrheit“ (was immer das dann für den einzelnen ist) ein besonnener wäre, hätte ich diesen Artikel nicht schreiben müssen. Leider kursieren Spekulationen, Halb- und Unwahrheiten (wie hier der „Islamist“), auf die dann völlig enthemmt und hysterisch reagiert wird. Dazu tragen Berichte bei, die suggerieren, dass wir uns alle in schrecklicher Gefahr durch „Ausländer“ befänden. Hinzu kommen Kräfte, die diese Angst gezielt schüren, um politischen Nutzen daraus zu ziehen (z.B. die AfD). Ein gefährliches Gebräu, auf das gerade wir Deutschen (und Österreicher :)) ein besonderes Auge haben sollten.

    • Da gebe ich Ihnen völlig recht! Das ist leider sooo leicht: zu pauschalieren… Ein Vorfall – und alle sind schon zwangsverdächtig. Das ist sehr bedauerlich, scheint vlt. einerseits in der Faulheit am Denken zu liegen, oder an der Unfähigkeit desselben 😉 – oder an der berühmten Schwarmintelligenz… Meine Devise ist: Dont judge a book by its cover.. oder.. beurteile niemanden nach Herkunft, Rasse, Religion oder oder… Wir alle sind Menschen. Wir alle fürchten Gewalt. Wir alle sollten gemeinsam an einer besseren solchen Welt arbeiten. Leider ist das Lied des Friedens so leise… Herzlich Eva

  4. Es scheint, dass der Mensch ohne Feindbild nicht leben kann. Wie auch immer dieses gestaltet wird, im Kleinen oder Großen. Den Schaden tragen alle.

  5. Vielen Dank für Ihren Beitrag. Meines Erachtens wäre es dringend nötig, etwas in unserer Gesellschaft dahingehend zu bewegen, dass in unserer aufgeklärten Zeit psychisch kranke Menschen nicht mehr „über einen Kamm geschoren“ werden und Menschen mit Psychosen etc. „für immer weggesperrt“ werden sollen. Eine differenzierte Betrachtungsweise von Medien und Presse wäre sehr nötig. Leider werden psychisch Kranke nach wie vor meist nicht als krank wahrgenommen, sondern man macht sich über sie lustig bzw. gibt Ihnen Ratschläge wie „reiß Dich mal zusammen…“. Dass Sie hier veröffentlichen, wie die Folgen für den Täter (die Opfer natürlich nicht zu vergessen!) sein werden, wenn die akute Phase seiner Krankheit abgelungen ist, ehrt Sie sehr! Nochmals vielen Dank!

  6. Och umgekehrt findet eine ähnliche Hysterie statt, wenn eine Unterkunft für Asylbewerber brennt und in der Nähe irgendwo ein hingeschmiertes Hakenkreuz gefunden wurde – noch bevor die Ursache des Brandes ermittelt worden ist. Und wenn hinterher rauskommt, dass einer der Bewohner selbst das Feuer verursacht hat, interessiert das keinen mehr von denen, die den Brand vorher noch vorschnell als einen Akt rechtsextremer, rassistischer Gewalt präsentiert und kritisiert haben.

    Und dass die Polizei und Politiker nicht so ehrlich im Umgang mit den wahren Fakten sind, wenn die Fakten politisch höchst unerwünschte Inhalte haben, konnte man zu Silvester bzw. in den Tagen danach bestens mitverfolgen.

    Mir wäre es lieber, es würde weniger emotional und irrational berichtet, egal ob zugunsten rechts- oder linksextremer Gesinnungen (die tun sich diesbzgl. beide nichts), sondern sachlich, ehrlich-ungeschönt und vernünftig berichtet. Und dabei insbesondere über die Probleme der Zuwanderung (kulturell-religiös sowie finanziell) statt reflexhaft zu schreiben, „dass nicht alle so sind“. … Dass nicht alle so sind, dürfte jedem differenziert denkenden Menschen eh klar sein; genauso wie der Umstand, dass die Zuwanderung sehr wohl Nachteile (z.B. Kosten) sowie Schattenseiten mit sich bringt. Außerdem ist es Fakt, dass eine ganze Lobby an der Zuwanderung hängt, die damit sehr gut verdienen. Die haben kein Interesse an negativer Publicity über „ihre Schützlinge“. Und damit meine ich nicht den einfachen Bürger, der vor Ort in einer Unterkunft hilft.

    p.s.:
    Dafür dass sich bzgl. der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in manchen Stadtteilen die Dinge geändert haben und es eben eine gewisse einschlägige „Klientel“ gibt, die regelmäßig für Stress etc. sorgt und mit mir anders umgeht als andere Mitmenschen in der Öffentlichkeit, brauche ich keine Statistik. Und ich finde es ganz persönlich nicht angenehm, wenn gewisse frauen-, homosexuellen- usw. feindliche Gesinnungen hier wieder verstärkt Fuß fassen – zusätzlich zu den Vertretern davon, die es hier bereits gibt. Auch da dürfte cih schon ganz unmittelbar unschöne Erfahrungen mit jungen Männern afrikanischer Herkunft machen. Da kam wortwörtlich, dass eine Frau ihnen nichts zu sagen hätte – und der Anruf bei der Polizei hat die auch nicht beeindruckt; hat für die ja keine Konsequenzen, weil die eh nichts zu verlieren aber höchstens etwas zu gewinnen haben. Und sowas gab es in dem Viertel vorher schlicht nicht.

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