Im Zweifel verantwortlich

Zwei Aufsehen erregende Prozesse sind entschieden

Mit dem Urteilsspruch gegen Anders Behring Breivik endete einer der spektakulärsten Prozesse der letzten Zeit.

 

Durch die Verurteilung zur höchst möglichen Strafe mit anschließender Sicherungsverwahrung entschied sich das norwegische Gericht dazu, dem Angeklagten die volle Verantwortung für seine Taten zu lassen.

 

Aus psychiatrischer Sicht war der Prozess bedeutsam, da zwei einander in der Beurteilung der Frage der Schuldfähigkeit widersprechende Gutachten vorgelegt wurden.

Dieses Urteil befriedigt alle diejenigen, die, auch ohne genaue Kenntnis von Breiviks psychischer Verfassung, diesen Täter verurteilt sehen wollten. Es befriedigt aber auch ihn selbst, war es doch sein „Wunschurteil“.

Das Gericht stand in diesem Fall unter einem erheblichen öffentlichen Druck. Es passt zu diesem ungewöhnlichen Prozess, dass dem Antrag der Staatsanwaltschaft, den Angeklagten aufgrund von Geisteskrankheit in eine psychiatrische Klinik einzuweisen, nicht stattgegeben wurde.

In den meisten anderen Fällen ist die Konstellation genau anders herum: Da fordert die Staatsanwaltschaft, den Täter zur Verantwortung zu ziehen, während die Verteidigung psychische Störungen geltend machen will, derentwegen der Täter als schuldunfähig oder vermindert schuldfähig beurteilt werden soll.

So war auch die Ausgangslage in dem so genannten Berliner Doppelmord-Prozess gegen Mehmet Y.

Auch in diesem Fall konnte sich das Gericht nicht der Version einer psychischen Störung anschließen und verurteilte den Täter zu einer Haftstrafe.

Die psychiatrische Besonderheit auch dieses Prozesses: In gleicher Weise widersprachen sich die beiden durchgeführten Guutachten grundsätzlich in der Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Täters.

 

 

Im Zweifel verantwortlich

In beiden Prozessen hat sich ein Prinzip gezeigt, dass man mit „im Zweifel verantwortlich“ bezeichnen könnte.

Zu dem alten Rechtsprinzip „in dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten), das bei Unsicherheiten hinsichtlich der Täterschaft greift, gesellt sich hier also ein „in dubio pro responsalitate“, also eine Annahme der Verantwortlichkeit eines Täters bei sich widersprechenden forensisch-psychiatrischen Einschätzungen.
Für vergleichbare Fälle würde dies bedeuten, dass eine etwaige psychische Störung nur dann zu einer Verminderung oder Aufhebung der Schuldfähigkeit führen kann, wenn an dieser Erkrankung keine begründeten Zweifel bestehen.

Peter Teuschel

P.S. Für alle Lateiner, die sich über das Wort „responsalitas“ wundern: Das gibt es im ursprünglichen Latein nicht. Es ist eine neulateinische Erfindung aus dem päpstlichen Sprachgebrauch. Ich kannte es auch nicht und habs gegoogelt. Ich gehe mal davon aus, dass das die einzige Anleihe beim Vatikan in diesem Blog bleibt. 🙂

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