Herzeleid und Hippocampus

Das Herz hat sowohl in der Medizin als auch in  der Literatur eine Sonderstellung.

Einerseits sorgt es als „zentrale Pumpe“ dafür, dass unser Körper mit Blut und Suaerstoff versorgt wird.

Andererseits sind die „Herzensangelegenheiten“ zu allen Zeiten ein Schwerpunkt romantischer und dramatischer Poesie und Prosa gewesen.

Diese besondere Rolle, die das Herz sowohl für unser körperliches Funktionieren als auch als Projektionsfläche für gefühlvoll Seelisches spielt, untersucht Johann Caspar Rüegg in seinem Buch „Die Herz-Hirn-Connection“.

Wie man aus dem Titel unschwer erkennen kann, steht vor allem das Zusammenspiel des Herzens mit demjenigen Organ im Vordergrund, dem wir wissenschaftlicherseits den Sitz unseres Bewusstseins und unserer Gefühle zuweisen – dem Gehirn.

Der Autor beginnt seinen Streifzug durch die kardiale Gefühlswelt mit einer Darstellung der anatomischen und physiologischen Grundlagen der Herzfunktion. Deutlich ist zu merken, dass der Autor gewohnt ist, auch komplexere Sachverhalte verständlich und gut lesbar darzustellen, ohne zu simplifizieren.

Mit dem Kapitel „Die sensible Pumpe (Wie Emotionen das Herz erschüttern)“ beginnt dann der Brückenbau zu all den psychischen Dimensionen, die entweder direkt mit dem Herzen zu tun haben oder aber das Herz im Mittelpunkt unserer Gefühle zeigen.

Wir erfahren hier von der Rolle des Herzens bei Prüfungsangst und dürfen uns von Goethes Ode „An Mignon“ anrühren lassen. Auch die Realität „gebrochener Herzen“ als medizinische Diagnose „Broken Heart Syndrome“ wird dargestellt.

Die physiologischen Verbindungen zwischen Gehirn und Herz erklärt Rüegg ebenso einfach und spannend wie den Zusammenhang zwischen Stress und Herzleiden.

In weiteren Kapiteln werden typische Herzerkrankungen und Risikofaktoren dargestellt –  immer mit dem Blick auf den Zusammenhang zwischen Gehirn und Psyche.

Als Psychiater hat mich vor allem das Kapitel über „Herzschwäche und Depression“ interessiert. Der Autor erklärt, wie diese beiden Erkrankungen zusammenhängen. Obwohl hier viele Einzelheiten noch nicht geklärt sind, bietet das Buch einen guten Überblick über den „psychosomatischen Teufelskreis der Herzinsuffizienz“, bei dem vor allem Entzündungsmediatoren eine Rolle zu spielen scheinen. Beinahe überflüssig zu erwähnen, dass auch dieser nicht ganz einfache Stoff souverän dargestellt wird und auch für medizinische Laien gut lesbar ist.

Auch das letzte Kapitel über „funktionelle Herzbeschwerden“ (Wenn das Herez schmerzt und der Arzt „nichts“ findet) zeigt die unterschätzte Überlappung der Kardiologie mit der Psychiatrie. Panikattacken, Herzstolpern und Herzangst werden in ihrer Entstehung erklärt. Dies allein ist schon ein Gewinn für jeden von diesen Störungen Geplagten. Das Verständnis physiologischer Grundlagen schafft Distanz und Wissen und kann so einen besseren Umgang mit der eigenen Symptomatik fördern.

Die Rolle des Gehirns bei der Angstentstehung und -verarbeitung bildet die Überleitung zu einigen Anmerkungen zu therapeutischen Möglichkeiten, wobei Rüegg sich hier nur kurz fasst.

Einziger Kritikpunkt von meiner Seite ist die Tendenz des Buches, moderne Therapien mit Antidepressiva, die gerade im Bereich Depression und Angst bei sehr vielen Patienten unverzichtbar sind, etwas an den Rand zu schieben. Dass Fitnesstraining antidepressiv wirksam ist, stellt eine altbekannte Tatsache dar. Dass es ein Antidepressivum ersetzen kann, entspricht dagegen nicht der medizinischen Wirklichkeit. Dies kann allenfalls bei leichteren Formen von Depression gelingen.

Ungeachtet dessen hat Rüegg hier ein Buch geschrieben, dass sowohl fachlich Vorgebildeten als auch medizinsichen Laien, vor allem auch Patienten, mit bestem Gewissen empfohlen werden kann und das einen guten Einblick in die Psychosomatik rund ums Herz bietet.

Peter Teuschel

Und hier der Soundtrack zum Buch: 🙂

Die Daten zum Buch:

Johann Caspar Rüegg:

Die Herz-Hirn-Connection

Wie Emotionen, Denken und Stress unser Herz beeinflussen 
Wissen & Leben 
Herausgegeben von Wulf Bertram

Schattauer Verlag 2012

ISBN:
978-3-7945-2882-0 (Print)
978-3-7945-6716-4 (eBook)

2 Responses
  1. Vielen Dank für den schönen Beitrag… Leider hab ich momentan so viele Mobbingbücher zu lesen (und immer wieder in Ihrem nachzulesen!!), aber Herz-Hirn-Connection ist mir ein Buch eingefallen, dass ich vor längerer Zeit synaptisch zu mir nahm: Die Neue Medizin der Emotionen, von Dr. David Servan-Schreiber, Psychiater und Gründungsmitglied von „Ärzte ohne Grenzen“. Link: http://www.amazon.de/Die-Neue-Medizin-Emotionen-Medikamente/dp/3442153530/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1357086344&sr=8-1.
    Er litt an einem Hirntumor, hat auch ein Anti-Krebs-Buch geschrieben, in seiner Leidenszeit:
    http://www.amazon.de/Das-Antikrebs-Buch-Vorbeugen-Nachsorgen-nat%C3%BCrlichen/dp/3442155584/ref=pd_sim_b_2, und ist leider schon in sehr jungen Jahren vorausgegangen…
    In meinem Herzen hat er seinen kleinen, aber beständigen Platz….
    Womit wir wieder beim Herz wären *g*.

    the seven wonders of the world
    to see
    to hear
    to taste
    to smell
    to feel
    to laught
    to love

    Loving minds all over the world…
    Eva

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