Das Krankengeld läuft aus, die Krankschreibung läuft weiter: Zahlt das Arbeitsamt?

Gerade wenn man viel mit arbeitsplatzbezogenen psychischen Störungen zu tun hat, stellen sich immer wieder auch sozialrechtliche Fragen.
Da muss noch gar nicht immer Mobbing die Ursache der Erkrankung sein, obwohl das ein nach wie vor häufiger Grund für eine langfristige „Krankschreibung“ ist. Aber auch bei anderen Konstellationen wie Arbeitsüberlastung, Umstrukturierung, Verschiebungen im Altersgefüge am Arbeitsplatz und letztendlich auch die allgemeine wirtschaftliche Lage – immer wieder kommt es vor, dass die daraus entstehende psychische Erkrankung zur Arbeitsunfähigkeit führt.

Je grundlegender das Problem am Arbeitsplatz ist und je weniger die Erkrankten über Ressourcen zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit verfügen, desto länger zieht sich die „Krankschreibung“ hin. Hinzu kommt, dass viele Frauen und Männer erst nach einer mitunter jahrelangen Phase verzweifelter Bemühung zu uns kommen, in der sie versuchen, mit Anstrengung und Selbstdisziplinierung ihren Job weiter zu bewältigen. Klappt das nicht, zum Beispiel weil Schlafstörungen und nächtliches Grübeln überhandnehmen oder weil die Angst vor Montag, die schon am Sonntag Mittag einsetzt, zu Übelkeit und Bauchschmerzen führt, dann bleibt oft nur der Gang in die psychiatrische Praxis. Beim Ersttermin bietet die oder der Hilfesuchende oft ein Bild des Jammers, eine Mischung aus Scham- und Schuldgefühlen, weil „man es nicht hinbekommen hat“, wo doch „andere das auch schaffen“ und man mehr Mitleid mit den Kollegen hat, die die ganze Arbeit jetzt alleine machen müssen als Verständnis für sich selbst.

Im Verlauf der dann meistens erforderlichen „Krankschreibung“ wächst in der Regel dieses Verständnis für die eigene Lage und viele Patientinnen und Patienten wundern sich (zusammen mit mir), wie sie das überhaupt so lange durchgehalten haben.

Um nicht missverstanden zu werden – natürlich gibt es auch kurzdauernde Arbeitsunfähigkeitszeiten und dann geht es nach zwei, drei Wochen wieder weiter, aber dann sind meistens die jeweiligen Arbeitsbedingungen nicht das Hauptproblem.

In den anderen Fällen kommt es oft dazu, dass es nach Ablauf des Anspruchs auf Krankengeld der Patientin oder dem Patienten schon etwas besser geht, aber weiterhin Arbeitsunfähigkeit besteht, weil eine Rückkehr an den alten Arbeitsplatz daran scheitert, dass mit sehr großer Wahrscheinlichkeit gesundheitliche Verschlechterungen zu erwarten wären, würde man wieder in das toxische Umfeld zurückkehren.

Gar nicht so selten gibt es dann die Konstellation, dass die Patientinnen und Patienten sich beim Arbeitsamt melden, weil die Krankenkasse nicht mehr zahlt, aber irgendwoher schließlich Geld kommen muss.
Und hier steigt gelegentlich der wabernde Nebel der Desinformation empor. Mehrfach haben mir Patienten berichtet, sie hätten am Arbeitsamt die Information erhalten, es stünde ihnen kein Arbeitslosengeld zu, weil sie krankgeschrieben seien.

Das ist in dieser Verallgemeinerung nicht richtig.

Es gibt in der Praxis zwei häufige Konstellationen:

  • Eine Patientin oder ein Patient ist nicht nur arbeitsunfähig, sondern es besteht der Verdacht auf das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit. Dann sollte man einen Antrag auf Reha oder EU-Rente stellen und das Arbeitsamt zahlt ein so genanntes Übergangsgeld (im Sinne der „Nahtlosigkeitsregelung“).
  • Im anderen Fall, wenn Arbeitsfähigkeit für einen neuen Arbeitsplatz anzunehmen ist, sollte man sich vergegenwärtigen, dass die laufende „Krankschreibung“ als arbeitsplatzbezogen zu werten ist. Das bedeutet, man kann nicht auf den bisherigen Arbeitsplatz zurückkehren, steht aber dem Arbeitsmarkt im Sinne einer Neuvermittlung zur Verfügung. In diesem Fall besteht ebenfalls Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Nun bin ich kein Jurist, und die Frage, woher ich das weiß, ist berechtigt. Glücklicherweise gibt es im Netz immer wieder hilfreiche Links zu diesem Thema und ich darf hier auf eine Seite verlinken, auf der der Sachverhalt klar dargestellt ist:

https://www.rechtsanwalt-koeper.de/blog/artikel/arbeitslosengeld-bei-krankschreibung/

Hier wird auch ausgeführt, dass die eine oder der andere die Erfahrung gemacht haben, die Information des Arbeitsamtes sei nicht immer klar und eindeutig gewesen. Es lohnt sich also, als Patient gut informiert zu sein, um seine Rechte auch wahrnehmen zu können.

Schließlich hat man in der Regel mit der Erkrankung, der dadurch bedingten Sorge um Absicherung und der bangen Frage, was die Zukunft bringen wird, genug zu tun.

Peter Teuschel

P.S. Wie gesagt, ich kann und will hier keine juristische Beratung geben, deshalb: Wer diesbezüglich Fragen hat, unsicher ist oder Unterstützung braucht, möge sich bitte an einen Anwalt wenden. Mein Artikel dient lediglich dazu, sich nicht zu schnell „abspeisen“ zu lassen und im Zweifel juristische Hilfe zu suchen.

2 Responses
  1. Armi Roth-Bernstein-Wiesner Antworten

    Vielen herzlichen Dank für diesen Artikel. Ich arbeite als ehrenamtliche Beraterin bei der KAB (Katholische Arbeitnehmerbewegung): „Rat und Hilfe für Menschen mit und ohne Arbeit“ und diese von Ihnen beschriebene Situation kommt öfter vor in Variationen. Die „arbeitsplatzbezogene Krankschreibung“ ist ein guter Tipp!

  2. vor ein paar jahren gab es wohl noch keine übergangsregelung. ich habe 7 wochen auf die entscheidung des amtsarztes gewartet, ob ich krankengeld oder alg1 bekomme. nur durch die finanz. hilfe meiner eltern habe ich meine miete und andere lfd. kosten bezahlen können. natürlich war ich arbeitsfähig. als drei wochen später die eu-rente kam, dauerte es keine 24 std bis die zahlung wieder eingestellt wurde.
    das war eine mit der härtesten zeiten, wenn man kein geld hat und nicht weiß, wie es weiter gehen soll. gott sei dank bin ich jetzt unbefristet eu verrentet. damit habe ich eine unbezahlbare sicherheit.

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