Dann sagte er diesen einen Satz …

Gestern habe ich ihn wieder einmal gehört, diesen einen Satz. Ausgesprochen hat ihn ein Patient, der wie viele andere erfahren musste, dass die einseitige Orientierung an beruflichen Erfolgen Gefahren birgt. Auch wenn man sich sicher wähnt, der Wind kann sich schnell drehen.

Gerade wenn man wie ich viel mit arbeitsplatzbedingten psychischen Störungen zu tun hat, sieht man, wie schnell eine erfolgreiche Karriere ins Stocken geraten oder gar enden kann. Ein neuer Chef,  dem meine Nase nicht passt, der sich durch mich bedroht fühlt, der den Auftrag hat, mich abzusägen oder oder oder. Dann gerät das bisher so stabile Lebensgerüst schnell ins Wanken.

Ich schreibe das nicht, um jemandem Angst zu machen. Nach meiner Erfahrung gehen die meisten ohnehin davon aus, dass es immer „die anderen“ trifft, deshalb wird die Option des Scheiterns im eigenen Fall ausgeblendet. Das ist vielleicht auch gut so, wenn es um die eigenen Leistungen geht. Da sind Selbstvertrauen und Selbstsicherheit durchaus das bessere Fundament als Selbstzweifel. Dass aber mein beruflicher Weg durch schädigende Einflüsse von außen behindert oder gar zerstört werden könnte, davon geht kaum einer aus.

So ist es auch bei meinem gestrigen Patienten gewesen. Er hat gute, sehr gute Arbeit geleistet. Das hat jemandem nicht gefallen und er wurde demontiert.

Wie so oft waren auch hier die langen Monate der Krise eine Phase der Neuorientierung. Die alten Werte wie Erfolg, berufliche Position, Anerkennung von außen erwiesen sich als wenig brauchbar in der neuen Situation. An ihre Stelle traten neue Wichtigkeiten: Körperliche Gesundheit, Sport, Ruhe, Beziehungen, Interessen abseits des Berufes.

Und aus dieser Erfahrung heraus sagte mein Patient dann sinngemäß: „Vielleicht hätte ich schon viel früher mein Leben in eine andere Richtung lenken sollen. Nicht so viel an den Beruf denken, sondern mehr an mein Leben.“

Diesen Satz, mehr ans Leben und weniger an den Beruf zu denken, habe ich in den letzten 20 Jahren in meiner Praxis sehr oft von Menschen in Krisen gehört.

Wie wäre es, wenn man damit nicht bis zur Krise warten würde?

Peter Teuschel

Bild ©Peter Teuschel

7 Responses
  1. shgmobbinggraz Antworten

    die frage ist: welchen geschlechts waren diejenige, die diesen satz gesagt haben?
    ich nehme an, idR männer?
    wie wäre es, wenn menschen GENERELL mehr in ihre persönlichkeitsentwicklung und bildung investieren würden?
    ganz abgesehen vom beruflichen einsatz oder frauen, die reihenweise kinder bekommen.. eine eh. freundin sagte mir schon vor dem ersten kind: eigentlich wollte ich eine familienaufstellung und psychotherapie machen, und seminare zu persönlichkeitsentfaltung machen. dies fand nie statt, mittlerweile hat sie das 11. kind…
    nun ja .. des menschen wille ist sein himmelreich, wie goethe schon sagte..

    • Sie haben Recht, in diesem Kontext sind es überwiegend Männer. Nicht, dass sich Frauen nicht auch in diese berufliche Überbewertung begeben würden, aber häufiger verlieren sie sich selbst in der Identifikation mit anderen Rollen (z.B. Kinder). Zumindest ist das so bei der Mehrzahl meiner Patientinnen und Patienten mit dieser Thematik.

      • shgmobbinggraz Antworten

        ich darf cg jung zitieren: ein kräftiges leid kann einem 10 jahre therapie ersparen.
        schlimm ist das… das menschen am besten aus leid lernen…

        noch schlimmer jedoch, dass männern fühlen, empathie und zu sich selbst finden nie „gelehrt“ wird.. so werden sie idr zu dem, was eltern (?) und gesellschaft wollen: leistung, macht, geld,prestige… je mehr geld, desto jünger die frauen (?)

        gleich welches geschlecht: die westliche leistungskultur hat wenig engagement und sieht in allem, was kein geld bringt, keinen wert.
        dabei haben eigentlich nur die dinge wert und sinn, die man nicht kaufen kann….

  2. Es heißt doch Berufsleben. Das kann man schon mal verwechslen. 😉

    Gibt es Menschen ohne Krisen? Ich glaube nicht, dass man sich ohne weiterentwickeln kann?

    Manche Krise möchte ich im Rückblick gar nicht missen, nur so schmerzvoll hätten sie nicht sein müssen.

    Dennoch haben sie mir Perspektiven und Sichtweisen eröffnet, an die ich nie gedacht hätte. Ohne sie hätte ich mir liebgewordene Menschen nicht kennengelernt. Sie haben mich demütiger und dankbarer gemacht.

    In der Schule des Lebens, die man nicht schwänzen kann, sollte es auch ein Unterrichtsfach „Krisenfeiern“ geben. Vielleicht katapultiert eine Krise uns dann nicht mehr unvorbereitet aus der Lebensbahn.

  3. osterhasebiene langnase Antworten

    Stimmt absolut, die Identifikation der Frau mit der Nur-Mutter-Rolle stellt das das Pedant zur Identifikation des Mannes mit Beruf und der Karriere dar. Meine Schwester, die Psychotherapeutin ist, ging den Weg des typischen Mannes und verherrlichte und idealisierte stets den „weiblichen“ Weg. Beides ist ein Leidens- und Entwicklungsweg zur Mitte hin und nicht zu empfehlen. Er führt von sich selbst weg. Da muss man sich (danach) mühsam erst selber wieder finden. Sie haben das sehr schön und einfach beschrieben, danke für die Weitergabe. Man kann nicht oft genug davor warnen! LG OL

  4. Sabine Henning Antworten

    Das mit der beruflichen Karriere kann ich voll unterstützen, wenn einem Mitkollegen oder Cefin
    meine Nase nicht passt,fliegt man schnell raus und landet leicht in der Psychiatrie, mir ist ein
    Leben enstpannt, mit achtsamkeit und Stille, bischen lesen und malen Freunde treffen, das ist
    besser.

    • Ein entspanntes Leben ist doch langweilig.
      Ich brauche Herausforderungen.
      Nicht, indem ich mit Leuten kämpfe, sondern indem ich neue Dinge entwickle oder Sachverhalte/Verbindungen erkenne.
      Was ist an Karriere schlimm?
      Warum werden wissbegierige Leute aus Neid ausgebremst? Warum kann man es nicht ertragen, dass andere etwas schneller begreifen oder durch Querdenken auf gute, neue Ideen kommen? Warum muss man sich unbedingt an das langsame Tempo anderer Leute anpassen? Warum muss ich immer auf andere Rücksicht nehmen, warum nimmt keiner auf mich Rücksicht?
      Fragen über Fragen ….

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