Was Google über Psychiatrie weiß

Um bei bestimmten Themen auf dem Laufenden zu bleiben, eignet sich neben Twitter auch Google Alerts. Man bekommt regelmäßig (bei entsprechend häufig im Netz aufscheinenden Stichwörtern täglich) aktuelle Meldungen zu ausgewählten Bereichen.

Ich selbst nutze diesen Dienst für einige mich interessierende Themen wie Mobbing, Amok und eben auch Psychiatrie.

Nachdem ich schon immer mal wieder das Gefühl hatte, dass die von Google ausgesuchten Meldungen irgendwie einseitig sind, habe ich jetzt mal die letzten 23 Tage etwas genauer analysiert.

23 Tage deshalb, weil ich die Alerts nach dem Lesen normalerweise immer gleich lösche und zufällig vor 23 Tagen beschlossen habe, diese Statistik zu bloggen. Mein Eindruck ist, dass sich das Bild aber genau so darstellen würde, wenn ich entsprechend mehr Alerts mit einbezogen hätte.

Meine Einstellungen für diesen Alert sehen so aus:

Screenshot 2015-02-14 22.49.22

Die mir angezeigten Ergebnisse sind also „nur die relevantesten“. Die Quellen „automatisch“ bedeutet, dass Ergebnisse aus news, Blogs, web etc. angezeigt werden.

Die 23 Alerts hatten mindestens 2, maximal 10 Einträge, die im Netz unter dem Stichwort „Psychiatrie“ zu finden sind und von Google nach einem mir nicht bekannten Algorithmus ausgewählt werden. Insgesamt sind 160 Meldungen in meine Statistik eingeflossen. Im Schnitt enthielt ein Alert 7 Beiträge.

Hier ein typisches Beispiel:

Screenshot 2015-02-14 22.55.41

Man erkennt, dass durchaus ein und der selbe Vorfall mehrmals auftauchen kann, wenn er in verschiedenen Medien besprochen und von Google ausgewählt wird.

Ich habe die einzelnen Beiträge in Gruppen eingeteilt und ausgezählt. Dabei konnte eine Meldung durchaus mehreren Gruppen zugeteilt werden. Wenn zum Beispiel anhand einer forensisch relevanten Straftat politische Konsequenzen diskutiert wurden, habe ich diesen Beitrag unter „Forensik“ und „Politik“ einsortiert.

Hier das Ergebnis:

Screenshot 2015-02-14 22.24.49

 

Nachdem die Werte so krass ausfallen, kann man kaum die Gruppeneinteilung erkennen, deshalb hier noch mal die linke Seite des Diagramms:

Screenshot 2015-02-14 23.36.54

Man sieht, dass Google ganz überwiegend Meldungen in den Alert aufnimmt, die sich um den „Crime“-Aspekt der Psychiatrie drehen. Vor allem Gewaltverbrechen stehen hier im Vordergrund. Themen, die der Aufklärung über Erkrankungen und Therapieformen gewidmet sind, gehen fast komplett unter. Aber auch bei den anderen Themen gibt es Schräglagen. Die „speziellen Therapieformen“ in der Statistik drehen sich zum Beispiel fast alle um „Therapiehund Joschi“, einen Labrador, der in Berliner Kliniken zum Einsatz kommt. Mit einiger Häufigkeit trifft man noch auf Personalien („ein neuer Chefarzt in Klinik XY“) oder Portraits von Krankenhäusern („die Psychosomatik in YZ hat jetzt auch einen Therapiehund“).

Insgesamt haben wir also in den Google Alerts ein völlig verzerrtes Bild von der Psychiatrie, das allerdings ein gutes Abbild der genauso verzerrten öffentlichen Wahrnehmung von diesem medizinischen Fach ist.

Psychisch kranke Menschen werden nur unter dem Aspekt der forensischen Relevanz präsentiert. Das entspricht in keinster Weise der tatsächlichen Bedeutung, den die kleine Gruppe psychisch kranker Straftäter in der Tag für Tag stattfindenden Arbeit sowohl in der Klinik wie in der Praxis hat.

In gleicher Weise wie die Patienten sind auch die in der Psychiatrie tätigen Personen wie Krankenschwestern, Pfleger und Fachärzte beliebte Zielscheiben von Abwertung und Entwürdigung.

Erst vor einigen Wochen haben sich unter dem Hashtag #notjustsad an Depression erkrankte Frauen und Männer auf Twitter über die Diskriminierung und das Unverständnis, die ihnen jeden Tag begegnen, Luft gemacht. Letztlich ist das nur die Spitze des Eisbergs.

Die Stigmatisierung psychisch Kranker findet weiterhin und auf vielfältige Weise statt.
Google Alerts ist ein Teil davon.

Peter Teuschel

 

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2 Responses
  1. Ich kann den Satz, den jemand unter dem #Hashtag “Not just sad” getwittert hat:” Ich wünsche mir eine andere Krankheit um nicht mehr mit der Psychischen leben zu müssen”, bestens nachempfinden. Natürlich wird stigmatisiert und die Keulen kommen in den unterschiedlichsten Formen, aber sie kommen. Seit beinahe zwei Jahren nehm` ich nun ein Antidepressivum und ich hab` den Fehler gemacht dies jemanden ( einer Frau der ich vertraute ) unter dem Siegel der Verschwiegenheit zu erzählen… Bald darauf bei einem eher belanglosem Streit mit meiner Freundin, hörte ich den Satz von ihr: “ geh` doch wieder zum Psychiater oder erhöhe deine Dosis” Da war ich platt, und argumentativ im Patt
    Wenn ich mal nicht so gut d`rauf bin hör`ich den Satz : hast deine Pillen heut vergessen. Wenn ich gut drauf bin : “ hast heut ` a Pille zu viel genommen…. Vielleicht oft spaßig gemeint, trifft das Alles gemein!
    Tatsächlich hat mir das Antidepressivum unglaublich geholfen, und ich bin dankbar dafür, aber erzählen werd` ich es niemanden mehr ohne ihn lange und genau zu kennen. Ich kann allen Depressiven, auch wenn das vielleicht feige erscheint, nur empfehlen, sich sehr genau zu überlegen wem sie davon erzählen. Wenn`s arbeitstechnisch nicht mehr geht, dann kann ja auch ein schmerzender Rücken oder ähnliches erfunden werden, das wollen sie nämlich hören, die rückgratlos Verlogenen.
    Danke für den mutmachenden Artikel und den Verweis auf Twitter.

  2. „Die Stigmatisierung psychisch Kranker findet weiterhin und auf vielfältige Weise statt.
    Google Alerts ist ein Teil davon.“

    Das kann ich nur unterstreichen!

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