Was ein „Seckel“ auf facebook kostet

Teures Cyber-Mobbing

Beschimpfungen und Beleidigungen in sozialen Netzwerken können teuer werden – zumindest in der Schweiz.

Dort sind in den letzten Monaten einige Cyber-Mobber zu Geldstrafen verurteilt worden.

Ein Beispiel:
Das Opfer wohnte in unmittelbarer Nähe des „KuGl“ (Kultur am Gleis, ein „Kulturlokal“) in St. Gallen. Dieses hatte eine Ausnahmegenehmigung erhalten, die es gestattete, bis 02:00 h nachts geöffnet zu sein. Dagegen wehrte sich der Nachbar erfolgreich mit einer Klage, so dass das KuGl wieder um 00:00 h schließen musste.

Nachdem dieser Vorgang in der lokalen Presse breit dargestellt wurde, formierte sich auf facebook eine Unterstützergruppe für das Lokal, die sich darüber mokierte, dass der genervte Nachbar Recht bekommen hatte.

Unter anderem schrieb eine der Entrüsteten:

„oh gott wa füren truurige mensch(Lächeln)  i will de nochname vo dem seckel wüsseeee!!!! haha“

Tja, das kostete dann sieben Tagessätze a 30 Franken sowie die Prozesskosten von 1250 Franken.

Oje, wird jetzt vielleicht manch einer sagen, wieso ist das so teuer? Das klingt doch gar nicht so schlimm.

Das Internet vergisst nichts

Die Begründung des Gerichtes ist sehr aufschlussreich und bringt die Unterschiede zwischen einer Beleidigung von Angesicht zu Angesicht und einem Eintrag im Internet gut zum Ausdruck:

„Die Beschuldigte allerdings hat sich mit den strafbaren Äusserungen in einem öffentlichen Forum auf dem Internet vernehmen lassen, in einem Medium also, das den Gegenstand der Diskussion unbestimmt vielen Benutzern für eine unbestimmt lange Dauer zugänglich macht und dessen Inhalte grundsätzlich beliebig reproduzierbar sind.“

Und weiter:

Eine im Vergleich zu einer einfachen Beleidigung erhöhte Sozialgefährlichkeit ist ihrem Verhalten auch deshalb zuzuschreiben, weil sie sich mit der Mitwirkung im Diskussionsforum an einer Art virtueller Zusammenrottung beteiligt hat.

„Es ist ein mittlerweile bekanntes Phänomen, dass eine populär aufbereitete Einzelinitiative mit den Publizitätsmitteln, die die sog. sozialen Netzwerke zur Verfügung stellen, zu einer unkontrollierbaren Massenbewegung geraten kann.“

Daraus folgert:

„Es ergibt sich nach dem Gesagten, dass die von der Beschuldigten vorgebrachte Beschimpfung im Ergebnis deutlich schwerer wiegt, als wenn der Kläger mit den gleichen abwertenden Bezeichnungen unmittelbar konfrontiert worden wäre.“

Die besondere Gefahr bei Cyber-Mobbing

Die Wucht kränkender Aussagen steigt mit der Anzahl der potentiellen Zuhörer. Eine Beleidigung, Bloßstellung oder schikanierende Attacke auf facebook hat in der Tat eine wesentlich schädigendere Auswirkung auf das Opfer als dies bei „herkömmlichem“ Mobbing der Fall ist.

 

Aus diesem Grund kommt es auch schneller als bei direkten Attacken am Arbeitsplatz oder in der Schule zu gesundheitlichen Gefährdungen beim Opfer. Dies geht bis hin zu regelrecht „traumatisierenden Attacken“, die bereits bei einmaligem Auftreten fatale Wirkungen haben können (siehe zum Beispiel den Fall Tyler Clementi, bei dem das Opfer sich nach einer einmaligen Bloßstellung suizidierte).

Die Kriterien für die Definition „normalen“ Mobbings greifen bei Schikanen im virtuellen Raum nicht so ganz, vor allem was die Dimensionen Dauer und Häufigkeit betrifft.

Insofern kann ich der Begründung des Gerichtes gut folgen, obwohl hier weder schlimme Drohungen noch Diffamierungen gepostet wurden.

Die Tatsache, dass das Internet „nichts vergisst“ lässt dort veröffentlichte Kommentare deutlich schwerer wiegen als ein sorglos dahin gesprochenes Wort. Dass dies vielen Usern nicht klar (oder egal) ist, lässt sich Tag für Tag an den tausenden grottigen Kommentaren zu nahezu jedem veröffentlichten Artikel im Netz nachlesen.

Peter Teuschel

Auszug aus dem Gerichtsurteil

Bild: © ls_pictures – Fotolia.com

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