Von Löwen und Lachen aus gutem Grund

Eugene Walker lacht gerne.

Wir treffen ihn im Township Athlone in Kapstadt. Dort hat er Ikamva UBOMI ins Leben gerufen. „Wir wollen den jungen Menschen zeigen, dass es eine Alternative zu Drogen und Gewalt gibt,“ sagt Eugene. Townships sind Ghettos, Slums am Rande großer Städte. Dort leben dunkelhäutige Menschen an und unter der Armutsgrenze. Townships verbreiten Hoffnungslosigkeit. Athlone ist noch eines der „besseren“, dort sieht man zumindest nicht die desolaten Wellblechhütten, die einem in Südafrika bei jeder Autofahrt begegnen. Aber auch hier gibt es kaum Zukunft für junge Menschen. Doch inmitten der Trostlosigkeit, die auch nach dem Ende der Apartheid gerade für Dunkelhäutige das Leben prägt, stemmt sich Eugene gegen diese vorprogrammierten Lebensläufe, die aus Armut entstehen und in Verbrechen, Krankheit und Tod enden.
Bildung heißt seine Waffe gegen diesen Teufelskreis.

„Die meiste Zeit,“ so erzählt er, “ geht für Autofahrten drauf.“ Autofahrten, in denen er Sponsoren sucht für seine Schule, die er hier aufgebaut hat und in der er und andere Freiwillige unterrichten. Von der Regierung bekommt er keinen Cent, sagt er, und dass ihm das die Unabhängigkeit sichert. Seine Organisation finanziert sich ausschließlich über Spenden. Das sind oft ausrangierte Computer, denn ein Schwerpunkt der Bildung, die er den jungen Leuten nahebringt, sind technische Fähigkeiten. Hardware, Software, Internet. Damit umgehen zu können, heißt, sich in der Welt besser zurecht zu finden.
Aber auch die Gemeinschaft als solche ist ihm wichtig. Er zeigt uns Bilder, wie seine jungen Studenten die Räume der Schule renovieren. Alle helfen mit, alle sind am Aufbau beteiligt, alle können stolz auf sich sein.

Die Schräglage zwischen arm und reich, die in Südafrika nach wie vor auch eine zwischen schwarz und weiß ist, scheint nicht kleiner zu werden. Eugene Walker stemmt sich gegen diese Entwicklung, mit Hoffnung, Zuversicht, Engagement und mit seinem Lachen.

Knapp 800 km weiter östlich treffen wir wieder auf einen Mann, der gerne lacht. Günter Vennemann, an sich schon im Ruhestand, aber wie die meisten erfolgreichen Menschen auch weiterhin aktiv, bringt gute Laune in unsere Safari-Runde. Auch abends weiß er so manche vergnügliche Geschichte zum Besten zu geben. Ernst wird er nur bei einem Thema. Fast jedes fünfte Kind in Deutschland ist von Armut bedroht. Daraus resultieren auch hierzulande Krankheit, sozialer Abstieg, nicht selten Abgleiten in Kriminalität. Deshalb macht sich Günter Vennemann für das Kinderprojekt Arche stark. Auch er nutzt seine Kontakte, um Spenden zu sammeln. „Wir holen die Kinder von der Straße“ lautet einer der Wahlsprüche von Arche.
Über 9000 km von zuhause entfernt diskutieren wir über Armut und Elend in unserer nächsten Umgebung. Wir essen Kudusteak und trinken südafrikanischen Rotwein. Die Möglichkeit, sich das leisten zu können, bringt Verantwortung mit sich, und die Verpflichtung, anderen zu helfen. Unter dem endlosen afrikanischen Himmel scheinen die Themen ineinander zu fließen. Armut im Township, Armut in den deutschen Städten. Nicht vergleichbar, natürlich nicht, aber eines wird spürbar: Verlierer sind die Kinder, hier wie dort.
Kurz bevor uns der Guide zum Wasserloch ruft, weil dort Nashörner aufgetaucht sind, frage ich Günter, ob er brotZeit kennt. Kennt er, natürlich.

BrotZeit e.V. beschäftigt sich mit dem selben Thema. Der Verein hat es sich zum Ziel gesetzt, allen Schulkindern eine sinnvolle Mahlzeit möglich zu machen. Ausgangspunkt war die Erkenntnis, dass es gerade daran extrem mangelt.
Ein paar Wochen zuvor hatte ich nämlich einen weiteren Mann getroffen, der gerne lacht. Dieter Hermann hat mir von dem Engagement berichtet, das er und seine Ehefrau Uschi Glas zur Gründung von brotZeit geführt hat. Je konkreter man hört, in welchem Zustand viele Kinder in der Schule auftauchen, wie sie wenig bis keine Unterstützung von zuhause haben, desto klarer wird einem, dass wir über diese beschämenden Umstände in unserer unmittelbaren Umgebung herzlich wenig erfahren. Auch für Dieter Hermann und seine Ehefrau besteht die Hauptaufgabe darin, Sponsoren zu finden. Erfreulicherweise gibt es auch hier Menschen, die sich für ein solches Projekt begeistern lassen.

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Am letzten Tag der Safari treffen wir auf eine Gruppe Löwen, eine Mutter mit drei Kindern, die etwas über ein Jahr alt sind. Sie haben ein Warzenschwein erbeutet, und unser Guide erzählt uns, dass die Löwin das Schwein nicht fangen konnte und die kleinen Löwen das erledigen mussten. Die Löwin sei nämlich fast blind. Sie sei ausgezehrt, weil sie die Jungen alleine aufgezogen hat. Eine unglaubliche Leistung in ihrer körperlichen Verfassung. Über ein Jahr hat sie für den Nachwuchs gesorgt. Jetzt fangen die Kleinen die Nahrung, so dass sie nicht verhungern muss.
Das Engagement für ihre Kinder, tief verankert in ihrer Biologie, zahlt sich für die Löwin aus.

Eugene Walker, Günter Vennemann und Dieter Hermann lachen gerne. Das Leben zu verstehen und das Richtige zu tun scheint gute Laune zu machen.

Peter Teuschel

2 Responses
  1. osterhasebiene langnase Antworten

    Das Löwenfoto ist supertoll!
    „Das Leben zu verstehen und das Richtige zu tun…“ – genau das wärs, was glücklich und das Leben sinnvoll macht. Scheint so einfach zu sein und ist (häufig) doch ziemlich schwer. Warum? Ich denke, es ist das hungrige Ego, das oft die (Weit)sicht verstellt. Das „jetzt bin ich aber dran“ – weit hinein ins Erwachsenenalter, wenn Eltern eigentlich zurücktreten sollten und die Bedürfnisse und Wünsche der Kinder an der Reihe wären. Dann kommen sie chronisch zu kurz und leiden Mangel, auch in den reichen Industriestaaten. So als würden Kinder den Erwachsenen die Butter vom Brot stehlen. Und das setzt sich fort. Die Kinder werden egoistisch und holen sich ihren Teil zurück, sobald sie Gelegenheit dazu haben, die (alten) Eltern werden abgeschoben ins Heim. Niemand hat gelernt, sich selbstlos um andere zu kümmern. Dabei sollte man das öfter mal ausprobieren: (bedingungsloses) Geben ist seeliger als Nehmen und kommt tausendfach zurück. Die ausgezehrte Löwenmutter hat es instinktiv richtig gemacht, Menschen haben diesen Instinkt, aber leider auch die Möglichkeit der freien Entscheidung.

  2. Eine Frau hat einmal geschrieben: “Es ist leichter, das Unglück anderer zu sehen als wegzusehen. Und manchmal muss man selbst in schlimmen Momenten mit dem Anderen so lachen, dass man spürt, wie die Lebenskraft sich durchsetzen will- und sich durchsetzen kann, wenn man nicht alleine bleiben muss“.
    An diese Worte musste ich sofort denken, als ich diese Beschreibungen las über die Menschen, die sich für all das Schöne und Gute eingesetzt und für andere eingefordert haben. Manchmal trifft es ein und es zieht Kreise.

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