Selbstzahler in der psychiatrischen Sprechstunde

„Herr Doktor, ich zahl das lieber aus eigener Tasche.“

Diesen Satz höre ich immer öfter. Meistens steht es schon auf dem Sprechstundenplan, den mir unsere Arzthelferinnen jeden Tag ins Fach legen: „Pat. will evtl. selbst zahlen“ heißt das dann im Praxis-Deutsch.

Die Zahl der Patienten, die die Untersuchung und Beratung, gegebenenfalls auch die gesamte Behandlung, auch eigener Tasche zahlen wollen, nimmt zu. Dabei ist es unerheblich, wie die Patientin oder der Patient eigentlich versichert sind.
Selbstzahler sind sowohl Kassen- wie auch Privatpatienten.

Was sind die Gründe?

Ganz allgemein geht es darum, dass Patienten Angst haben, eine dokumentierte und über die Krankenkasse/ Versicherung abgerechnete psychiatrische Untersuchung oder Behandlung könnte ihnen auf ihrem weiteren Lebensweg schaden. Meist betrifft das die berufliche Laufbahn, konkret sind diese Befürchtungen vor allem bei Beamtenanwärtern zu finden. Sie haben Angst, später einmal Probleme bei der Verbeamtung zu bekommen, sollte ihre psychiatrische Vorgeschichte „aufkommen“.

Ich habe aber auch schon Mütter im Sprechzimmer gehabt, die die Befürchtung äußerten, im Rahmen der bevorstehenden Ehescheidung könnte der zukünftige Ex-Mann ihnen aus der Tatsache, dass sie beim Psychiater waren, einen Strick drehen, wenn es um das Sorgerecht für die Kinder gehe.

Zwei Aspekte finde ich beim Thema „Selbstzahler“ besonders erwähnenswert:

1. Der Kontakt zur Psychiatrie ist immer noch ein Makel, den man lieber versteckt.

2. Es besteht ein profundes Misstrauen in die Datensicherheit.

Zu Punkt 1 ist zu sagen, dass trotz aller Aufklärung und trotz aller Beteuerungen und politisch korrekten Statements der Gang zum Psychiater nicht gesellschaftsfähig ist. Wer einen Termin beim Teuschel oder seinen Kolleginnen und Kollegen hatte, der trägt den Psycho-Stempel auf der Stirn. Alle körperlichen Erkrankungen vom Herzkasperl bis hin zur Säuferleber sind immer noch besser als eine Depression, egal, wie gut oder schlecht die Prognose auch sein mag.

Mein Kommentar: Traurig, aber wahr. Selbst wenn der Patient und sein Umfeld noch so aufgeklärt und fortschrittlich sind: Die Nachbarn, die Kollegen, der Chef sind es nicht.

Punkt 2 muss man in Zeiten der globalen Überwachung durch NSA & Co. gar nicht weiter kommentieren. Die in Deutschland wohl nicht mehr aufzuhaltende elektronische Krankenversichertenkarte mit Speicherungsmöglichkeit aller relevanten Patientendaten wurde vom Deutschen Ärztetag wiederholt abgelehnt (zuletzt 2013). Sie wird aber mit aller Macht von Politik und Krankenkassen durchgedrückt. Brave new world.
Einen speziellen Punkt sollte man auch noch bedenken: Sobald man eine auch nur praxisintern dokumentierte Konsultation beim Psychiater in der Vorgeschichte hat, wird dieser Psychiater bei allen Anfragen von Versicherungen (z.B. Berufsunfähigkeitsversicherungen) wahrheitsgemäß angeben, dass eine Untersuchung bzw. Behandlung stattgefunden hat. Wenn keine Anfrage kommt (die ohnehin nur mit aktueller Schweigepflichtentbindung bearbeitet wird), gibt es naturgemäß auch keine Auskunft. Die meisten Selbstzahler vergessen deshalb sehr schnell, dass sie überhaupt einen Termin beim Facharzt für Psychiatrie hatten. Das soll keine Empfehlung zur gezielten Amnesie sein, sondern nur die Wiedergabe dessen, was mir Patienten berichten.

Leider, leider, leider kann ich deshalb alle Patientinnen und Patienten gut verstehen, die den Termin bei mir aus eigener Tasche berappen. Auch wenn das alles ganz anders sein sollte: Wir leben in dieser Welt und müssen mit ihr zurecht kommen.
Dazu gehört dann auch, dass man sich als Patient den Selbstzahler-Status erst einmal leisten können muss …

Peter Teuschel

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