Psychiater werden oder nicht?

Vor einigen Tagen hat mich eine email von Camli (Name geändert) erreicht mit der Frage, ob ich wieder Psychiater werden würde und ob ich den Beruf weiterempfehlen könne.

Die gleiche Anfrage hat Jan Dreher von Psychiatrie to go bekommen und sie hier beantwortet.

Ich habe überlegt, ob ich seine Antwort mit copy and paste übernehmen soll, so sehr stimme ich mit ihm überein.

Also: Die Berufswahl nach finanziellen Gesichtspunkten zu treffen (auch das war Teil der Frage) passt nur für Menschen, denen das Finanzielle mit das wichtigste im Leben ist. Das muss dann jeder selber wissen und da gibt es sicherlich bessere Alternativen als ein Medizinstudium mit daran anschließender jahrelanger Facharztausbildung.

Aber: Wenn man sich zu einem Beruf hingezogen fühlt, neugierig ist und sich vorstellen kann, sich Tag für Tag, Woche für Woche, Jahr für Jahr mit einem bestimmten Thema auseinander zu setzen, dann sollte man diesen Beruf ergreifen.

Ich würde sofort wieder Psychiater werden.
Ich staune jeden Tag immer wieder aufs neue, welche unterschiedlichen Schicksale und Menschen es gibt und welche Wege eingeschlagen werden, um diesem seltsamen Leben, in dem wir uns wiederfinden, etwas Sinn zu geben.

Langweilig ist mir in meiner Praxis noch an keinem Tag gewesen.

Anmeldung und Blick in den Wartebereich unserer Praxis

Anmeldung und Blick in den Wartebereich unserer Praxis

Das Nervige an dem Beruf kommt von außen: Bürokratie, Dummschwätzer und Wichtigtuer, Gesundheitsökonomen und wie sie alle heißen, die allzu gerne mitreden, aber weder vom Fach noch vom Menschen Ahnung haben.
Man muss sich auch klarmachen, dass wir Psychiater die zweifelhafte Ehre haben, das einzige Fach zu sein, das eine „Anti“- Bewegung kennt. Die meisten Anti-Psychiater sind weit davon entfernt, etwas zur besseren Versorgung und zum besseren Verständnis menschlicher Bedürfnisse beizutragen, leider. Eine fruchtbare Gegenströmung könnte so wichtig sein, so wie es läuft, ist es aber nur bizarr.

Was die Psychiatrie noch von den anderen medizinischen Disziplinen unterscheidet, ist zum Einen der ganzheitliche Ansatz. In keinem anderen Fach ist man dem Menschen so nahe und zwar sowohl von seiner körperlichen Dimension her als auch von der geistigen und seelischen.

Das andere Faszinosum in der Psychiatrie ist die Tatsache, dass wir erst ganz am Anfang stehen mit unserem Verständnis von Geist, Seele und Gehirn. Insofern ist es wichtig, die laufende Forschung nicht aus dem Auge zu verlieren und trotzdem jeden Tag mit dem derzeitigen Wissensstand Menschen zu helfen.

Der Gang in unserer Praxis. Links und rechts gehts zu den Arztzimmern.

Der Gang in unserer Praxis. Links und rechts gehts zu den Arztzimmern.

Mein Fazit: Wenn jemand Psychiater werden möchte und sich auf alle diese Dinge einlassen will, dann kann ich nur sagen:

Auf gehts!

Peter Teuschel

9 Responses
  1. WOW! Was für eine schöne Praxis! Da macht es natürlich noch mal mehr Spaß, Psychiater zu sein…
    Es ist tatsächlich ein weiterer Vorteil der Psychiatrie, dass man sich niederlassen kann, und dann selber seinen Schwerpunkt auswählen kann. Das können Neurochirurgen, Intensivmediziner, Chirurgen u.ä. nicht so gut.

    • Danke!
      Aber es stimmt, wir sind sehr glücklich mit diesen Räumen. Zumal das ein entkernter Raum mit 200 qm war. Wir konnten dann nach eigenen Vorstellungen alles planen und festlegen.
      An meiner Frau ist eine Innenarchitektin verloren gegangen, sie hat das alles konzipiert und eingerichtet. Das Schöne ist auch, dass wir Platz haben für Vernissagen und andere nichtmedizinische Events.

  2. Die Antipsychiatrie ist sicher zum Teil bizarr und nicht immer von humanistischen Motiven geleitet (siehe zB Scientology), aber Psychiatriekritik, also eine ständige Überprüfung des Standes der Forschung wie auch der Machtverhältnisse zwischen Arzt und Patienten, ist dennoch nötig. Gerade weil „wir erst ganz am Anfang stehen mit unserem Verständnis von Geist, Seele und Gehirn.“

  3. Hey ich habe eine frage und zwar bin ich erst in der 8. Klasse interessiere mich aber voll für das menschliche verhalten und gründe warum Menschen das tun was sie tun und meine frage ist sollte ich jetzt psychaterin werden ? Ich bin zwar ganz gut in der schule aber ich meine ich weiß nicht ob ich so ein medizinstudium schaffe ? Ist es wirklich sooooo schwer?oder sollte ich eher psychologin werden ?

    • Das Medizinstudium ist gar nicht mal so schwer, aber wahnsinnig lernintensiv. Für Medizin und Psychologie gelten im Moment auch knackige Zugangsbeschränkungen im Sinne von sehr gutem Notenschnitt. Wenn man sich für das menschliche Verhalten und Hintergründe für Handlungsweisen interessiert, kommen beide Wege in Frage, wobei bei Medizin schon auch der menschliche Körper und vor allem die Krankheiten im Vordergrund stehen. In der achten Klasse muss man sich ja glücklicherweise noch nicht entscheiden. Also: Abwarten und in der 11. nochmal weiter überlegen …
      Schöne Grüße
      Peter Teuschel

  4. Zitat:
    Mein Fazit: Wenn jemand Psychiater werden möchte und sich auf alle diese Dinge einlassen will, dann kann ich nur sagen: Auf gehts!
    Peter Teuschel
    ____________________________
    Als Psychologe und Therapeut im Ruhestand – gibt’s das überhaupt für uns Seelenklempner? – kann auch ich diesen Beruf allen empfehlen, bei denen die von meinem geschätzen Kollegen Dr. Teuschel schon erwähnten Voraussetzungen gegeben sind.
    Dr. Schräg
    Mitglied der Gesellschaft zur Erforschung zwischenmenschlicher Beziehungen (GzEzB).

Leave a Reply

Schreibe einen Kommentar zu Peter Teuschel Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.