Narzissmus: Wenn die grauen Zellen für Mitgefühl fehlen

 

Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung zeigen eine Reihe von Auffälligkeiten wie Selbstwertprobleme, arrogantes Auftreten und egoistische Verhaltensweisen. Ein wesentliches Merkmal ist auch ein Mangel an Empathie, also die Fähigkeit, Mitgefühl zu entwickeln.

Dabei haben narzisstische Frauen und Männer oft eine ausgeprägte theory of mind, also die Fähigkeit, Gefühlszustände bei anderen Menschen wahrzunehmen. Diese Kombination führt dann oftmals zu einem sehr manipulativen oder instrumentalisierenden Umgang mit ihren Mitmenschen.

Dass die narzisstische Persönlichkeitsstörung auch eine anatomische Entsprechung im Gehirn hat, zeigt eine aktuelle Studie der Charite (Berlin). Untersucht wurden 34 Probanden, von denen die Hälfte diese Form der Persönlichkeitsstörung aufwies. Bei allen Teilnehmern der Studie wurden Aufnahmen des Gehirns angefertigt, die eine Messung der grauen Substanz in bestimmten Hirnregionen ermöglichten.

Das auffälligste Ergebnis war eine Verminderung der grauen Zellen in der vorderen linken Insel-Region (anterior insular cortex, AIC), einem Hirn-Areal, dem empathisches Verhalten zugeordnet wird.

 

Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler erstmalig hirnorganische Auffälligkeiten bei narzisstischen Persönlichkeitsstörungen nachweisen.

 

Peter Teuschel

 

Hier der link zum Abstract

Bildquelle: By Original image:John A Beal, PhD Dep’t. of Cellular Biology & Anatomy, Louisiana State University Health Sciences Center Shreveport Colouring:Anthonyhcole [CC-BY-2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.5)], via Wikimedia Commons

 

17 Responses
  1. Interessant und ich bin mir sicher die Forschung wird in den kommenden Jahren ebenso bestätigen, das auch andere Persönlichkeitsstörungen im Gehirn nachweisbare Veränderungen zeigen. Möglicherweise wird das die Psychiatrie nachhaltig verändern.

    • Die Psychiatrie muss aufpassen, dass sie sich nicht zwischen Neurologie und Psychotherapie in Luft auflöst.
      Die Hirn-Pathologie finde ich persönlich extrem interessant. Ich hoffe, dass die unseligen Spekulationen über psychische Störungen, an denen sich jeder gern beteiligt, der vom Fach null Ahnung hat (oder fast noch schlimmer, der so ein klein bisschen Ahnung hat), irgend wann einmal enden werden.

      • Was ich auch interessant finde zu erfahren ist, der Artikel gab es für mich nicht her, die Frage, warum es zu der Veränderung des Hirns kam?
        Hat sich das Hirn verändert, weil der Patient diesen Teil seines Hirns nicht einsetzte, also wie bei einem Muskel der verkümmert, wenn man ihn nicht trainiert? Oder bekam der Patient seine Persönlichkeitsstörung, weil ihm dieser Teil des Hirns von Anfang an fehlte?

        • Tja, genau das ist die entscheidende Frage! Das ist Wissenschaft, dass ein Ergebnis gleich wieder x Fragen aufwirft und man sich ein neues Design für die nächste Studie überlegen muss. Ich nehme mal an, dass diese Frage in der Diskussion der Studie gestellt wird. Leider müsste man für den vollen Text > 30€ berappen und davon habe ich dann doch Abstand genommen.

        • das Gehirn verändert sich wie jeder andere lebendige Zellhaufen ständig.
          der oben genannte Artikel entspricht einem gewissen, auch persönich erlebten Erfahrungshintergrund, spiegelt aber nur den gängigen Determinismus wider und führt damit zwangsläufig zu einer Entwertung psychiatrischer Arbeit in der Entgegnung zur klassischen Medizin..
          Persönlichkeit ist wohl kaum organisch messbar, ebenso wenig deren Veränderung; möglicherweise fehlen manchen Menschen dennoch gewisse „graue Zellen“ das würde dann aber Therape sinnlos machen…
          was wiederum meine persönlich Erfahrung bestätigen würde 🙂

          • Das ist gerade das Vertrackte an der Psychiatrie, dass sie sich allen Versuchen, zu messen und zu kategorisieren, immer entziehen wird. Das macht sie angreifbar, für viele unheimlich, für andere suspekt und letztlich zu einer wilden Mischung aus Wissenschaft, Kunst und einer zutiefst humanistisch orientierten Dienstleistung (um nur einige Aspekte zu nennen).
            Und zur Sinnlosigkeit von Therapien: soll tatsächlich schon vorgekommen sein…

        • aussichteinsicht Antworten

          Das war genau die Frage, die sich mir auch sofort stellte. Wie so oft gibt es vermutlich keine monokausale Antwort.

  2. ..Ha, ich kenne da einen Extremfall, bei dem dürfte das Areal nicht mehr vorhanden sein!

    Danke!

  3. Von Gerichtspsyiater Dr. Reinhard Haller gibts ein recht interessantes Hörinterview über Narzissmus: http://vorarlberg.orf.at/radio/stories/2580816/ Ich kann nur bestätigen – Narzissten als Chefs sind der glatte Irrsinn… und der Satz: Gott vergibt, ein Narzisst aber nie… das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen… Im Endeffekt hat dieser „Mensch“ perfekt dafür gesorgt, dass ich schwer traumatisiert aus dem Unternehmen schied. Es gibt Menschen, die sind solche Psychopathen.. Es bleibt nur Gänsehaut über.. und das man sich schämt, der gleichen Gattung anzugehören…

  4. ..wir proben gerade das Theaterstück „Hunger“, nach dem hier im Blog empfohlenen Buch.
    Darin wird einem der Mädchen aufgrund ihrer Bulimie / Anorexie auch eine narzistische Persönlichkleitsstörung attestiert.

    Reicht diese Diagnose also von der Selbstzerstörung zum „kleinen Cäsar“?

    Welche Auswirkungen könnten die obigen Erkenntnisse bei der Behandlung von Bulimie/Anorexie-Patienten haben?

    • Also „aufgrund“ einer Essstörung kann man nicht diese Diagnose vergeben. Mag sein, dass die eine oder andere Patientin (ich bleibe mal bei der weiblichen Form) eine narzisstische P. zusätzlich hat. Die meisten Patientinnen, die ich kenne, haben keine. Es kommen auch bei Patientinnen mit Essstörung alle möglichen Persönlichkeitsstörungen vor, histrionische, selbstunsichere, emotional instabile …
      Die narzisstische P. selbst hat aber auch selbstdestruktive Elemente, angefangen von der Zerstörung persönlicher Beziehungen bis hin zum burn out.
      Was Patientinnen mit Anorexie sehr häufig haben, ist eine sehr starke und auf Autonomie gepolte Persönlichkeit (keine Störung), die aber die gesamte Energie auf das falsche Ziel ausrichtet. Das kommt in dem Buch auch sehr gut raus, dass die Störung lange Zeit dadurch gekennzeichnet ist, dass keiner an die Patientin „ran kommt“.
      Theaterstück „Hunger“? Klingt interessant!

        • Herzlichen Dank für die Einladung!
          So wie es aussieht, wird es mich im September aber nicht in die Gegend verschlagen. Posten Sie doch einen link, wies angekommen ist. Gehört auf jeden Fall hier rein!

          • comicfreak

            ..dankeschön!
            Ganz toll ist auch, dass die Pädiatrie unter Leiter von CA Dr. Kläber und die Psychiatrische Jugendambulanz des Krankenhauses Pirmasens das Projekt unterstützen und evtl. auch nach den Aufführungen zu Gesprächen bereit sind.

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