Krankschreibung durch Psychiater: Nicht immer die erste Wahl

Weil ich es gerade heute wieder praktiziert habe, ein kurzer Tipp zum Umgang mit Krankschreibungen durch den Facharzt für Psychiatrie.

In manchen Fällen (und bei manchen Arbeitgebern) ist es günstiger, eine AU vom Hausarzt vorzulegen.
Immer wieder höre ich, dass man als Patient doch „dazu stehen“ soll, dass man in psychiatrischer Behandlung ist und es deshalb auch kein Problem sein dürfe, wenn man eine Krankschreibung mit psychiatrischem Stempel beim Arbeitgeber abgibt.

Ich halte das für blauäugig. Vorurteile über und Vorbehalte gegen Menschen mit psychischen Störungen sind so weit verbreitet wie ehedem. Auch wenn der eine oder andere Arbeitskollege da nicht so denkt, muss das nicht für alle anderen zutreffen.
Ich gebe auch zu bedenken, dass die Verschwiegenheit der Personalabteilung zwar theoretisch verbindlich ist, man sich in der Praxis aber nicht darauf verlassen kann, dass nicht am Tag nach Abgabe der AU alle Mitarbeiter wissen, wer sie ausgestellt hat.

AU: Der Durchschlag für den Arbeitgeber enthält zwar keine Diagnose, aber den Stempel des ausstellenden Arztes

AU: Der Durchschlag für den Arbeitgeber enthält zwar keine Diagnose, aber den Stempel des ausstellenden Arztes

Natürlich gibt es auch Fälle, in denen es nicht nur egal, sondern sogar ratsam ist, die psychiatrische Krankschreibung zu präsentieren. Dies wird immer dann der Fall sein, wenn ich als Patient a) nicht an diesem Arbeitsplatz bleiben kann oder will und b) ich einen Zusammenhang zwischen der Arbeit und meiner Erkrankung betonen möchte.

In allen anderen Fällen aber braucht man neben dem Psychiater auch einen guten Hausarzt. Dann kann man, wie es einige meiner Patienten machen, mit meiner AU zum Hausarzt gehen, der dann seinerseits eine hausärztliche Krankschreibung mit identischer Diagnose (für die Krankenkasse) und einen hausärztlichen Stempel (für den Arbeitgeber) ausstellt.

In Fällen einer längeren AU durch den Hausarzt ist diesem meist ein Bericht des Facharztes wichtig, um die Länge der Krankschreibung gegenüber der Kasse rechtfertigen zu können.

Also im Zweifelsfall dran denken, den Hausarzt zu fragen, ob er diese Vorgehensweise mitmacht.

Peter Teuschel

17 Responses
  1. Ein interessanter Bericht. Über so etwas denkt man als Jemand, der nicht betroffen ist, erst gar nicht. Ich bin mir fast schon sicher, dass der Stempel nicht unbeachtet bleibt und schnell getuschelt wird. Ein verständnisvoller Hausarzt oder Krankenkasse wird sicherlich mitspielen.

  2. von mir aus sollen sie tuscheln. ich habe meine psychokrankschreibungen nie versteckt. es ist nun mal die realität. aber ich kann auch jeden verstehen, der das lieber nicht möchte…

  3. Da muss ich Herrn Teuschel recht geben. Aus Erfahrung kenne ich solche Arbeitskollegen. Sie tuscheln und lästern über andere Kollegen, die in psychiatrischer Behandlung sind. Dabei wird den Betroffenen eine Rolle zugeschrieben, aus der ein Entweichen sehr schwer ist. Und es entsteht dabei ein Lawineneffekt. Die Zuschreibung wirkt negativ ein und verstärkt den Druck, wodurch sich das Umfeld wiederum bestätigt sieht. Das führt wiederum zu mehr Druck, Einengung und negativer Verstärkung. Letztlich werden auf Dauer so die Rollen festgezurrt und keine anderen Möglichkeiten mehr in Erwägung gezogen. Von einer besseren Aufgabe, oder gar Karriere ganz zu schweigen. Das würde ja bedeuten, dass ein mehr oder weniger ganzes System (Firma, Personalabteilung, weitere Abteilungen) nicht richtig funktioniert. Da ist es doch einfacher beim Sichten der Krankmeldung vom Facharzt f. Psychiatrie das stigmatisierende Raster vor dem inneren Auge abfahren zu lassen und sich flüsternd seine Vorurteile mit anderen Gerne-Hin-Hörern aufzumöbeln. Das macht vor einer ach so seriösen Personalabteilung keinen Halt. Und weil das ein so beliebtes Spiel ist, sehen sich die „gesunden“ Kollegen/Vorgesetzten, wenn sie eines Tages in die gleiche Situation geraten, plötzlich genötigt den gelben Schein vom Hausarzt, anstatt vom Facharzt f. Psychiatrie vorzulegen. Somit wird der Jäger zum Gejagten. Reflektieren hat Vorteile! Die Rollen könnten sich mal ändern.

  4. Nachsatz: Es gibt durchaus auch seriöse Handhabungen im Umgang mit diesen Themen. Zum Glück! Generalisieren sollte man nicht, aber kritisch (kritisch positiv gemeint) einschätzen. Es ist doch immer noch ein schwieriges und unter Umständen folgenschweres Thema für Betroffene.

  5. Ein guter und berechtigter Artikel! (Denn Facharztstempel widersprechen m.E. dem Datenschutz und geben einges Preis….) Erfeulich, daß sie ihrerseits so aufgeklärt damit umgehen. Ich habe leider den Eindruck, daß machen ihrer Kollegen, im Falle der oben beschrieben Vorgehensweise, einem irgendetwas pathologisches unterstellen…Misstrauissch…. Traurig! Da sollte man wohl den Artzt wechsel, oder?

  6. Hallo Herr Teuschel,

    habe mal ein Frage bez. dieses Procederes. Habe es versucht, allerdings unter erschwerten Bedingungen. (Hausarztwechsel…) Es ergab sich nun das Problem, daß ich dort neu war und ich für einen Termin eine AU benötigte. Die weiteren AUen machte die Ärztin von einem Bedundbericht abhängig und es gestaltete sich alles sehr schwierig. Selbstverständlich ließ ich sie mir dann von meinem Psychiater ausstellen, um auf der sicheren Seite zu sein und gab sie in der Prais ab.(Selbst die AUen mit Diagnosennennung genügten nicht…) Nun heißt es, daß sie es aus rechtlichen Gründe nicht dürfe…. (Da sie ja bereits ausgestellt wurden…?!?!) Oben beschrieben sie aber, daß man diese mit zum HA nehmen könne. Somit handelte es sich ja um eine Doppelausstelleung.

    Muß dazu sagen, daß sie nicht an einen Arbeitgeben gehen werden, sondern ans Jobcenter. Wird die BKK überhaupt darüber informiert, wenn man nicht in Arbeit ist? Dann dürfte es ja kein Problem sein, oder?

    Gibt es nich irgendeine Möglichkeit, die Sache zu retten? Oder bin ich jetzt gezwungen, sie so abzugeben?

    • Hallo Herr Teuschel, sie antworten hier doch ab und an auch auf Postings. Darf ich fragen, wieso sie sich zu meinem Posting vom 18.12.15 nicht äußern? Ich hätte mich sehr darüber gefreut.

  7. Sehr geehrter Herr Teuschel, erst durch Ihren Hinweis bin ich auf diesen Beitrag aufmerksam geworden. Heute habe ich dazu auf meine Webseite ins Gästebuch geschrieben- „Als Arbeitnehmer/In muss man dem Arbeitgeber nicht mitteilen weshalb man krankgeschrieben ist. Aber auf der Krankschreibung ist zu sehen, wer krangeschrieben hat, ist dies z.B. ein Psychiater oder Psychologe, kann es doch durchaus sein, das der Betroffene Stigmatisiert wird.
    Um einer Stigmatisierung am Arbeitsplatz vorzubeugen, wäre es da nicht besser, wenn der Arbeitgeber dies nicht erfahren würde, wer krankgeschrieben hat…?“

    Ich habe dies, da ich ja Ihren Beitrag noch kannte, nur als Frage formuliert um nicht wieder von einigen Experten kritisiert zu werden.

  8. Aber was, wenn man zu stationärer Therapie für mehrere Wochen in eine psychiatrisch-psychosomatische Klinik geht? Dann ist man gezwungen alle 2 Wochen eine Bescheinigung von der Klinik (offizielles Schreiben), die über die Dauer des voraussichtlichen Aufenthalts Auskunft gibt, an den Arbeitgeber zu schicken. Das ist sogar noch auffälliger als der Stempel auf dem gelben Schein. Spätestens dann sind alle im Bilde.

    • Auch die Sache mit der AU durch den Hausarzt funktioniert ja nur, wenn dieser mit dem Vorgehen einverstanden ist. In vielen Fällen bleibt es also bereits bei der ambulanten Behandlung beim „Psychiater-Stempel“ auf der Krankschreibung. An sich schade, dass das überhaupt einen Unterschied macht, aber wir sind noch meilenweit von der Entstigmatisierung psychiatrischer Behandlung entfernt.

      • Im Fall der Psy. stationären Behandlung sind dem Hausarzt leider die Hände gebunden, denn er hätte ihn liebend gerne weiter AU geschrieben, darf es aber nicht, wenn der Patient stationär ist. Früher bekam man dann von der Klinik eine AU mit „krank bis auf weiteres“. Das wurde geändert. Jetzt muss eine sehr auffällige Bescheinigung von der Klinik alle 2 Wochen zum Arbeitgeber geschickt werden. Bis es der letzte in der Personalabteilung mitbekommen hat. Und so erweckt man den Eindruck, man wolle eh nicht zurückkehren, wenn man so private Einblicke gewährt. Darum bevorzugen viele private Therapie, wenn man das Kleingeld dafür hat.

  9. Mich hat einmal eine Arbeitgeberin / Kundin, mit der ich mir die gesamte Münchner Kulturszene als gemeinsame Bekannte teilte, damit erpressen wollen, dass zweimal der Absender meiner Krankschreibung der einer psychiatrischen Praxis gewesen wäre. Zu meinem großen Glück habe ich aber noch nie ein Hehl über meine chronische, psychosomatische Erkrankung gemacht, weder privat noch in der Öffentlichkeit. Den Luxus solcherart von Transparenz kann ich mir aber als Kunst- und Kulturschaffende auch eher leisten, als Angestellte in konservativem Umfeld.

    • Es ist ein weiteres Mosaiksteinchen im Spektrum der Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Themen. Und es stimmt, die meisten trauen sich nicht, dazu zu stehen. Was ich angesichts der Welt, in der wir leben, nur verstehen kann.

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