Die Politik und das „Wegsperren“

Man fragt sich allmählich schon, was das noch werden soll.

Erst wird zur „Expertenanhörung“ über einen neuen Gesetzentwurf zur so genannten Sicherungsverwahrung im Bundestag kein forensischer Psychiater geladen, dann wird deutlich, dass das Gesetz in seiner bisherigen Form die Schwelle zur Einweisung in forensisch psychiatrische Einrichtungen des Maßregelvollzugs unkritisch herabsetzt.

Durch die schräge Übersetzung des englischen „unsound mind“ in „psychische Störung“ wäre es theoretisch möglich, jeden Häftling nach Verbüßung seiner Strafe in eine Einrichtung des Maßregelvollzugs zu überstellen, sofern dieser an einer „psychischen Störung“ leidet.
Prof. Falkai, der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie (DGPPN) weist darauf hin, dass 80 bis 90% der Häftlinge an einer psychischen Störung leiden! Dazu zählen natürlich auch depressive Störungen. Sollte das Gesetz in der jetzigen Form verabschiedet werden, so könnte auf die forensischen Kliniken eine Flut von Straftätern zukommen, für die sie nicht gedacht sind.

Ein weiterer Kritikpunkt an dem Gesetzentwurf ist die Möglichkeit, Straftäter auch ohne Vorliegen einer fassbaren psychischen Erkrankung aufgrund einer „psychischen Disposition“ nach Verbüßung ihrer Strafe in die Forensik zu überstellen. Dies würde den therapeutischen Anspruch dieser Kliniken aushebeln, sie wären dann nur noch Verwahranstalten.

Die Gefahr einer Instrumentalisierung der Psychiatrie wäre immens.
Was mir völlig unverständlich bleibt ist die ignorante Haltung der Politik an diesem Punkt.
Dabei wäre es so wichtig, die gesetzliche Grundlage für einen differenzierten Umgang mit der Sicherungsverwahrung zu schaffen. In der bisherigen Version schafft das Gesetz mehr Probleme als es lösen kann.

Gerhard Schröders populistisches „Sexualstraftäter? Wegsperren – und zwar für immer!“ aus dem Jahr 2001 sollte doch eigentlich als Anreiz dienen, etwas differenzierter vorzugehen.
Sicherlich ist es im öffentlichen Interesse, die Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern zu schützen.
Aber gerade weil das so ist, sollten sich die zuständigen Politiker doch etwas mehr Mühe mit dem neuen Gesetzentwurf machen. Schröder hatte im damaligen Interview mit BILD am Sonntag geäußert, dass er zu der Erkenntnis gelangt sei, dass Sexualstraftäter nicht therapierbar seien.

Nachdem eine Hinzuziehung eines forensischen Psychiaters nicht vorgesehen ist, bleibt zu befürchten, dass unsere Politiker sich generell auf „eigene Erkenntnisse“ verlassen, aus welchen Quellen die auch immer stammen.

Peter Teuschel

One Response
  1. Gehts nicht sowieso nur darum, der EMRK irgendwas vorzulegen, damit die Regierung weiterhin die „Altlasten“ einsperren kann, die ihrer Ansicht nach, draußen eh nicht klar kommen würden? Mit der Unterbringung in eine forensische Klinik haben sie dann eine hervorragende Ausrede für das „Wegsperren für immer“ und das Problem des Abstandsgebots sicher umschifft.
    Dass die Therapie in sozialtherapeutischen Einrichtungen auch nicht besser funktioniert als das einfache Wegsperren wird auch munter ignoriert (z.B. die Ortmann-Studie von 2002). „Wir machen ja was“… bla bla… alles nur Symbolpolitik.
    Das System Strafvollzug an sich krankt. Das ist nur ein weiteres Symptom dafür…

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