Buchrezension: „Der Igel Frederik“

Es kommt ja nicht gerade selten vor, dass Psychiater, Psychotherapeuten oder Psychologen Bücher schreiben. In vielen Fällen sind das dann Fachbücher, die gerade im Bereich des Psychologischen oftmals etwas schwer Verdauliches an sich haben.
In meiner eigenen Erfahrung war es immer ein Graus, wenn ich aus beruflichen Gründen Psycho-Bücher lesen musste, die sich irgend einer Theorie widmeten und diese dann mit einem Wust an unverständlichen Fachbegriffen darstellten, so dass ich am Ende vielleicht noch verstanden habe, was gemeint war, aber rätselte, was das mit dem Leben zu tun haben könnte.

Dann das Thema Kinderbücher. Für mich ein Genre, in dem man mehr verlieren als gewinnen kann. Zu schnell wirkt die Botschaft zu dick aufgetragen, zu häufig entsteht der Eindruck, die gewählte Sprache will kindgerecht sein, zeigt aber nur den verfehlten Versuch des Autors, sich zum Kindlichen hinabzubeugen, statt seine Position einzunehmen.

Dass es auch ganz anders geht, und zwar sowohl im Psycho- wie auch im Kinderbuch-Bereich, zeigt uns Wulf Bertram mit dem „Igel Frederik“.

Jetzt ist es natürlich schwierig, Bücher von Menschen zu rezensieren, die man persönlich schätzt und dass Dr. med. Dipl. Psych. Wulf Bertram als Herausgeber des Schattauer Verlages fungiert und ich in diesem Verlag drei Bücher veröffentlicht habe, ist ja kein Geheimnis.
Gleichzeitig ist man irgendwann aus dem Alter raus, in dem man sich nach dem richtet, was andere vielleicht denken könnten und wenn ich hier und heute ein Buch von Wulf Bertram positiv rezensiere, dann nur aus einem Grund: Weil es das verdient hat.

Die Geschichte vom Igel Frederik ist schnell erzählt, nein, sie wäre es, aber natürlich will ich hier nichts verraten oder neudeutsch „spoilern“.
Sagen wir mal, der stachelige Held des Buches macht mit seiner etwas sehr vertrauensseligen Einstellung nicht nur gute Erfahrungen. Danach hat er das Problem, wie er sich in Zukunft verhalten soll.
Eine sehr häufige Konstellation in der täglichen Praxis. „Man hat mir weh getan, kann ich wieder vertrauen? Und wenn ja, wem?“ Die Polarität „Schützen des Verletzlichen“ und „Zulassen von Nähe“ dürfte eine der Grundfragen sehr vieler Menschen sein.

Und offenbar sind von dieser Frage auch Igel betroffen.

Dass extreme Verhaltensweisen nicht zum Ziel führen, ist gerade in der Psychotherapie den meisten Patienten und Klienten irgendwann einmal klar. Aber wie sieht ein sinnvoller Mittelweg aus?

Wohl dem, der eine Freundin hat wie der Igel Frederik, die weiß, an wen man sich mit diesen Fragen wenden kann.
Witzigerweise stellt Wulf Bertram die Reaktion des unzufriedenen Igels auf die Empfehlungen  der „weisen Eule“ genau so dar, wie es viele Patienten in der Therapie erleben: Die Hoffnung auf eine genaue Handlungsanweisung, ein „Rezept“ für das Dosieren von Distanz und Nähe wird enttäuscht und genau so reagiert Frederik auch. Wie die ganze Geschichte dann doch zu einem Happy End führt, zeigt uns Bertram ganz souverän aus seiner Erfahrung als Therapeut. Erst weiß man nicht, wie es geht, dann macht man es einfach.

Ergänzt wird die durchaus spannende Geschichte durch entschlossen subjektive Illustrationen des Karikaturisten Bernhard Siller.

„Der Igel Frederik“ ist ein raffiniert komponiertes, dabei nie auf Effekt getrimmtes Gleichnis auf existentielle menschliche Fragen. Die Kunst dabei ist, dass es gleichermaßen für Kinder wie für Erwachsene lesbar ist. Es ist ein teils träumerisches, teils unromantisch-realistisches, ein durchgehend positives und vor allem ein sehr zärtliches Buch.

Frederik würde vielleicht sagen: „Hart wie meine Igelstacheln und weich wie mein Igelbäuchlein.“

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  • Gebundene Ausgabe: 32 Seiten
  • Verlag: CMZ; Auflage: Erstauflage (25. November 2015)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3870621729
  • ISBN-13: 978-3870621728
  • Vom Hersteller empfohlenes Alter: 5 – 6 Jahre
  • Größe und/oder Gewicht: 17,2 x 1,2 x 24,6 cm

Peter Teuschel

4 Responses
  1. osterhasebiene langnase Antworten

    Harte Stacheln und weiches Bäuchlein – ein spannendes Thema. Ich glaub, das muss ich mir mal anschauen, wieder der Igel Frederik dieses Problem in den Griff bekommt, sodass ihn die Stacheln nicht selber stechen und das Bäuchlein auch wirklich gestreichelt wird. Freu mich auf das Büchlein…Danke für den Buch-Tipp.

    • osterhasebiene langnase Antworten

      Ein schönes Buch, sehr stimmig mit tollen Zeichnungen – auch für Erwachsene. Gefällt mir sehr gut.

  2. Ich habe mir den Igel Frederick heute gekauft und gelesen. Was für ein irre schönes Buch ( für Kinder , da hab` ich meine Zweifel, aber für Heranwachsende und für uns doch nie ganz ERwachsenen, eher ständig wachsenden / wachsen müssenden )! Ich werde es mit großer Freude und auch mit Stolz wetergeben und mir die Quintessenz: “ Wir brauchen beides, ein weiches Bäuchlein und Stacheln“ einprägen und tief im Herzen behalten! Ich würde mir öfter mal eine Buchempfehlung von Ihnen wünschen, Herr Teuschel, wenn ich das denn darf .

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