Buchbesprechung: „Der heilige Schein“

David Berger hat vor zwei Jahren ein Buch herausgebracht, das mittlerweile in der sechsten Auflage erhältlich ist: „Der heilige Schein„.

Mit dem Untertitel „Als schwuler Theologe in der katholischen Kirche“ wird auch gleich der Konflikt, um den es in diesem Buch geht, auf den Punkt gebracht.

db

Berger blickte auf eine steile Karriere als Theologe zurück, als er feststellen musste, dass er sich zunehmend in einer Zwickmühle befand. Als Spezialist für Thomas von Aquin stand er mit seinen Veröffentlichungen besonders erzkonservativen Kirchenkreisen nahe. So wurde er zu „Herrengesprächen“ eingeladen und hielt Vorträge auf traditionalistischen kirchlichen Treffen. In diesen Kreisen stieß er einerseits auf Zustimmung für seine theologischen Ausführungen, musste aber erkennen, dass das Thema Homosexualität im Sinne einer unglaublichen Doppelmoral behandelt wurde.

In seinem Buch beschreibt er auch eindrucksvoll die Vermischung ultrakonservativer kirchlicher Kreise mit rechtsradikalen Strömungen, wie sie beispielsweise im bis Dezember 2012 aktiven Portal www.kreuz.net sichtbar wurden.

Die hohe Zahl homosexueller Priester (Berger spricht von Zahlen bis zu 50%) kontrastiert mit einer umfassenden Homophobie gerade in konservativen Kirchenkreisen.

Nach Berger wird dieser Umstand dazu benutzt, um Abweichler „auf Linie zu bringen“. Nicht anders erging es ihm als Herausgeber der Zeitschrift „Theologisches“. Nachdem er kritische Stimmen zu den immer mehr aus dem Boden sprießenden Marienerscheinungen zugelassen und ihm angebotene Artikel aus der ultrakonservativen Ecke abgelehnt hatte, begann ein Kesseltreiben gegen ihn, das alle Merkmale institutionalisierten Mobbings trägt. Man wollte ihn mit allen Mitteln entweder zum Schweigen und zum „Widerruf“ seiner „unzüchtigen Lebensweise“ nötigen oder aber ihn möglichst schnell loswerden.

Nachdem Berger seine Tätigkeit als Herausgeber von „Theologisches“ selbst niedergelegt hatte und sich in einem Artikel in der Frankfurter Rundschau outete, erhielt er Morddrohungen.

Seine Lehrerlaubnis (Berger war lange Jahre Religionslehrer) wurde ihm von Kardinal Meisner entzogen. Auch der ihm verliehene Titel als korrespondierender Professor der Päpstlichen Akademie des hl. Thomas von Aquin wurde ihm aberkannt.

Berger ist mittlerweile Chefredakteur der Zeitschrift „Männer„.

Was mich an diesem Buch beeindruckt hat, ist der Umstand, dass in der Person Bergers selbst die Unvereinbarkeit von Kirche und Homosexualität deutlich wird. Er hat nach eigenem Bekunden jahrelang „mitgespielt“, hat versucht, den Spagat aus konservativer Theologie und schwulem Leben irgendwie hinzubekommen. Freimütig gesteht er ein, dass er den Verlockungen einer schnellen Karriere erlegen ist. Als dieser Balanceakt für ihn immer weniger durchzuhalten war und er sich gegen die ihm zunehmend entgegentretende Homophobie zu wenden begann, wurde er gnadenlos abserviert.

Dadurch ist das Buch natürlich auch Dokument einer gewaltigen Kränkung, die David Berger erlitten hat. Er hat diese Kränkung aber in aktiver und produktiver Form umgesetzt in eine schonungslose Aufklärung über den Zustand der katholischen Kirche, ihre Doppelmoral und ihre Gefährdung, für rechtsradikale Gruppierungen anziehend zu werden.

„Baseball-Schläger besorgen und dann bei nächster Gelegenheit in die schwule Fresse klopfen, bis wir die Homo-Kotze auf den Sondermüll entsorgen können“ wird eine Reaktion auf sein Outing auf www.kreuz.net von Berger zitiert.

Das für mich sehr stimmige und authentisch geschriebene Buch von David Berger kann ich jedem empfehlen, der Einblick in die Welt ultra-katholischer Kreise haben möchte.

 

Peter Teuschel

Das Buch ist jetzt auch als Taschenbuch erhältlich:

David Berger
Der heilige Schein

Ullstein Verlag (List Taschenbuch)

Broschur 
€ 9,99 [D], € 10,30 [A], sFr 13,90
ISBN-10: 3548610986
ISBN-13: 9783548610986 

One Response
Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.